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06. November 2008

Cyber Love und reale Treffen – Teil 2/2

Er nahm ein zweites Seil. Kurz streichelte er ihren Nacken und ihre Schultern, dann hob er mit der Hand an ihrer Stirn ihren Kopf, schob es darunter, öffnete sanft mit den Fingern ihre Lippen und brachte es geschickt so an, dass es einerseits ihren Kopf nach oben hielt und andererseits als Knebel diente. Die Enden führte er hinten in ihrem Nacken wieder zusammen, wiederholte das Ganze, so dass nun das Seil doppelt um ihren Kopf herum lag und in ihrem Mund steckte, und verknotete die losen Enden an dem Seil, was er um ihre Handgelenke geschlungen hatte. Anschließend wartete er einen Augenblick, mit seiner Hand leicht auf ihrer Hüfte, damit der körperliche Kontakt ihr half, sich an die ungewohnte Haltung und das ungewohnte Seil zu gewöhnen.

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Er spürte an der Anspannung ihrer Muskeln, welchen Aufruhr schon der Beginn der Fesselungen in ihr auslöste. Sie hatte den Kopf zur Seite gedreht, so dass sie ihn anschauen konnte. Langsam und deutlich sagte er: „Und jetzt, Hanna, wenn irgend etwas ist, was dir nicht gefällt, wovon du glaubst, dass du es nicht aushalten kannst, dann zeige es mir, indem du deinen Kopf zu anderen Seite legst. Dann werde ich dich sofort befreien.“ Sie nickte, versuchte dabei, zu ihm hoch zu sehen, ohne Erfolg. Die Seile hielten sie in ihrer Position. Er kniete sich neben das Bett und sah ihr in die Augen. „Alles in Ordnung?“ Sie nickte wieder, und versuchte mit den Lippen ein Lächeln zu formen, aber der Knebel geriet in den Weg. „Zeige mir jetzt, was du zu tun hast, wenn du denkst, du hältst es nicht mehr aus„, forderte er sie auf. Mit einer großen Anstrengung drehte sie ihr Gesicht von ihm weg. „Bereit für mehr?„, fragte er sie. Sie drehte den Kopf zurück und gab ihm ihre Antwort mit ihren Augen.

Ja, sie war bereits für mehr. Das Seil fühlte sich eigenartig und sehr rau an in ihrem Mund, aber anders als ein echter Knebel, mit dem sie schon ihre Erfahrungen gemacht hatte, erlaubt es ihr, weiterhin durch den Mund zu atmen, falls dies nötig sein würde. Außerdem machte dieser Knebel es ihr nicht vollständig unmöglich zu sprechen. An ihrer Wange und um ihre Arme herum fühlten die Seile sich weich ein und schmiegten sich an ihre Muskeln eher als dass sie sie ernsthaft eingeschränkt hätten. Vorsichtig versuchte sie, ihre Arme zu bewegen. Zu ihrem großen Erstaunen stellte sie fest, dass sie keine Chance hatte. So leicht wie Fesselungen bisher auch wirkte, so war sie doch schon effektiv. Nun half er ihr, sich auf die Seite zu legen. Sie genoss die kurzzeitige Entspannung ihrer Gelenke. Er legte ein Seil um ihren Brustkorb herum, zuerst unterhalb, dann oberhalb der Brüste. Sehr geschickt führte er es unter ihrem Körper hindurch. Er war dabei so schnell, als würde sie aufrecht stehen, ihr Brustkorb gut erreichbar. Anschließend drehte er sie zurück auf den Bauch, befestigte das Seil, das nun ihre Brüste sehr fest umschloss, an dem Seil um ihre Handgelenke, holte ein neues Seil, hob ihre Füße an und fesselte die Fußgelenk aneinander. Die losen Enden von der Fesselung ihrer Füße führte er quer über den Rücken nach oben und befestigte sie ebenfalls an ihren Handgelenken. Auf diese Weise hielt das Seil von den Füßen her ihre Arme nach oben gerichtet, und gleichzeitig sorgte diese Fixierung dafür, dass sie auch ihre Unterschenkel nicht zurück aufs Bett legen konnte. Ihr Körper war nun angespannt wie ein Bogen. Noch ein paar geschickte Knoten hier und da, ein weiteres Seil zur Unterstützung dieser Haltung, und die Bondage war perfekt.

Sanft ließ er seine Finger über ihren Rücken wandern. Sie atmete hastig, und er erhöhte den Druck der Berührung. „Wirst du mir nachher erzählen, wie du dich jetzt fühlst?“ Es dauerte eine Weile, bevor sie mit einem langsamen Nicken antwortete. In diesem Moment hätte sie kein Wort herausbringen können, auch ohne den Knebel nicht. Ja, sie war nun das erste Mal in ihrem Leben gefesselt. Aber obwohl die Seile ihren Körper zwangen, in einer bestimmten Haltung zu bleiben, war es mindestens ebenso sehr seine Stimme, die sie dazu zwang, in dieser Haltung zu verharren. Und es war seine Stimme, die dazu führte, die grobe Berührung der Seile von etwas fast sogar unangenehm Merkwürdigem in etwas anderes, Aufregendes zu verwandeln, das etwas in ihrem tiefsten Inneren anrührte. In ihren Händen begann ein leichtes Kribbeln. Sie versuchte, indem sie die Beine höher nahm, den Zug des Seil ein wenig von ihren Armen zu nehmen und ihre Hände so zu entlasten. Es gelang ihr; aber kurz darauf sprang das Kribbeln auf ihre Füße über, und sie hob die Arme wieder an, um nunmehr die Beine zu entlasten. Es war eine Art Schiffschaukel, zu der er sie gemacht hatte mit seiner Fesselung. Vor und zurück, immer wieder veränderte sie ganz leicht ihre Position. Bis es schließlich soweit war, dass sich die Bondage in jeder Haltung nichts als unbequem anführte. Auf einmal nahm er seine Hände von ihr. Ihr wurde schlagartig kalt. Und etwas, was sie bisher nicht gespürt hatte, während er sie gefesselt hatte, flammte in ihr auf. Widerstand! Was mache ich hier eigentlich, fragte sie sich. Es ist doch lächerlich, so gefesselt zu sein! Ihre Bewegungen in den Seilen wurden stärker. Er hatte sie intensiv beobachtet. „Du sollst stillhalten, Hanna„, sagte er streng. Ein wütendes Stöhnen kaum von ihren Lippen.

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Andreas hatte es vorher gewusst, wie kritisch genau diese Phase sein würde, wenn er sie nach der Fesselungen endlich sich selbst überließ, ohne die Unterstützung einer physischen Berührung. Aber es war notwendig, das zu tun. Er musste ihre wahre Reaktion gegenüber den Seilen selbst herausfinden, sie musste die Seile selbst lieben lernen und nicht seine Hände. Das und nichts anderes war es schließlich, was sie von ihm erwartete und verlangt hatte, eine Bondage zu erleben, eine Bondage zu genießen. Mit Zärtlichkeit zwischen ihnen beiden hatte dies nichts zu tun. Oder vielleicht doch? Einen Augenblick lang war er unsicher. Sie hatten nie darüber gesprochen, was sie denn beide voneinander erwarteten. Es war nie die Rede von Gefühlen gewesen. So gut sie sich auch verstanden hatten, sie hätten sich sicherlich als Freunde bezeichnet, obwohl sie sich nur über das Internet kannten und vom Telefon her, aber tiefere Gefühle? Nein, da war sicher nichts von da. Schließlich hatte ja auch alles ganz harmlos angefangen. Sie war auf der Suche nach jemandem, der sie die Freuden erleben ließ, gefesselt zu sein. Und er war schließlich immer auf der Suche nach „willigen Opfern„, wie sein Freund es nannte, also nach Modellen, an denen er seine Bondage Künste praktizieren konnte. Manchmal, um nachher mit der Digitalkamera Aufnahmen der gefesselte Frauen zu machen, um die kunstvolle Bondage auf Aktbildern festzuhalten, manchmal einfach nur aus Spaß an der Freude. Er liebte die Bondage auf jeden Fall. Als der Aktive. Und er liebte Frauen, die sich gerne fesseln ließen. Er liebte sie nicht in dem Sinne, dass er sie als Partnerin haben wollte, er liebte es einfach, mit ihnen zu spielen. Es war sozusagen ein Geschäft; ein erotisches Geschäft. Und genau an so etwas hatte er auch bei Hanna gedacht.

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04. November 2008

Cyber Love 1/2

Sie hatten sich noch nie gesehen. Und so waren sie füreinander völlig Fremde; obwohl sie beide Dinge voneinander wussten, die nicht einmal engen Freunden bekannt waren. Schon drei Tage bevor Andrew eintraf, konnte Hanna kaum essen oder schlafen. Mehr als eine Stunde zu früh war sie am Flughafen. Obwohl sie erheblich mehr Zeit als geplant damit verbracht hatte zu duschen, sich zu schminken, sich anzuziehen. Im letzten Moment erschien ihr das enge, kurze, schwarze Kleid, das sie eine Woche zuvor ausgesucht hatte, als viel zu offensichtlich, und so hatte sie stattdessen Jeans und ein T-Shirt gewählt. Nervös rutschte sie auf dem orangefarbenen Plastikstuhl im Wartebereich hin und her. Sie versuchte, in dem Buch zu lesen, das sie mitgebracht hatte. Ohne ein Wort zu verstehen, wanderten ihre Augen über die Buchstaben.

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Während der letzten zehn Minuten vor Ankunft der Maschine war sie so aufgeregt, dass sie aufstehen und umhergehen musste. Endlich wurde die Landung bekannt gegeben. Kurz darauf tauchten die ersten Passagiere auf. Überall um sie herum fiel man sich in die Arme, begrüßte sich aufgeregt. Dann sah sie ein Gesicht; vertraut irgendwie, denn natürlich hatte sie Bilder von ihm gesehen, aber auch fremd. Eine Fantasie, lebendig geworden, und für einen Moment spürte sie Panik in sich aufsteigen, und den Wunsch davonzulaufen. Aber dann erkannte er sie und lächelte, und Freude stieg in ihr auf wie eine plötzlich übersprudelnde warme Flüssigkeit. Sie musste sich zurückhalten, nicht zu ihm zu laufen, und am Ende rannte sie doch.

Die ersten Minuten waren ein wenig gezwungen, angestrengt. Noch am Tag zuvor hatten sie miteinander telefoniert, sich auch über intime Dinge unterhalten. Doch seine Stimme war so anders, real statt am Telefon, und ihn so unversehens mit allen Sinnen wahrnehmen zu können, überwältigte sie. Sie plauderten ein wenig über seinen Flug, das Wetter, und andere harmlosen Dinge, während sie sich zum Gepäck-Rondell begaben. Auf einmal sagte er, und er beobachtete sie genau dabei: „Was ich am meisten brauche, hatte ich ohnehin die ganze Zeit bei mir im Handgepäck.“ Sie errötete. Wie konnte er so selbstverständlich über das sprechen, was sie beide zusammengebracht hatte? Für sie war es in diesem Augenblick weiter weg noch als die Stadt, aus der er gekommen war. „Keine Angst„, ergänzte er, mit einem kleinen Funkeln in den Augen, „ich werde nichts tun, womit du nicht einverstanden bist. Aber ich dachte, es sollte von Anfang an Klarheit darüber herrschen, warum ich hier bin. Du weißt, leider ist meine Zeit mit dir begrenzt.“ Wie ein kleines Kind, das getadelt worden war, senkte sie den Blick und machte sich ganz klein. Es gab aber auch einen kleinen Funken rebellischen Widerstandes in ihr. Es bestand keine Notwendigkeit, sie daran zu erinnern, dass er nicht einmal 24 Stunden bleiben konnte. Das war ohnehin schon schlimm genug, auch ohne dass er es ihr nochmals extra unter die Nase rieb. Und was glaubte er eigentlich, was sie war? Nur eine menschliche Puppe, mit der er sich amüsieren konnte, wenn er in seinem vollen Terminkalender endlich einmal eine Lücke hatte? Unbewusst richtete sie sich auf. Wenn er etwas von ihr haben wollte, dann musste er sie umwerben. Ein paar brutal offene Worte waren nicht genug, damit sie sich ihm öffnete.

Er hatte ihre Reaktionen genau beobachtet, und ein Lächeln spielte um seine Lippen. Sie war genauso, wie es sich vorgestellt hatte. Es war gut, dass er so sehr daran gewöhnt war, seine Gefühle zu verbergen. Sonst hätte sie es sofort gemerkt, dass es ihm eben so viel ausmachte wie ihr, wie kurz er nur bleiben konnte. Er hätte sehr gerne mehr Zeit gehabt, um sie wirklich kennenlernen zu können. Aber es hatte für das erste Treffen keine andere Möglichkeit gegeben. Es würde Wochen, vielleicht sogar Monate dauern, bevor er mehr als einen Tag für sich selbst hatte; nicht gefordert aktuelles Projekt beendet war. Und solange hätte er nie warten können. Es war ohnehin schon drei Monate her, seit sich ihre Wege im Internet gekreuzt hatten. Es war ein ganz dummer Zufall gewesen; oder genau gesagt, ein Unfall. Eine Tageskarte ein Freund von ihm eine Mail an ihn weitergeleitet. Er war davon ausgegangen, es war das gesprochene Mail über einen Bondage Workshop in seiner Stadt. Aber der Freund hatte ganz offensichtlich einen Fehler gemacht und eine private Mail weitergeleitet. Er hatte den Fehler sofort bemerkt, aber trotzdem hatte er die Mail gelesen; er hatte nicht anders gekonnt. Diese Frau, von der die Mail stammte, hatte eine so charmante Art, die Dinge zu formulieren, dass er gegen seinen Willen gefesselt war. Obwohl doch beim Fesseln eigentlich er immer der Aktive war … auch interessierte ihn der Inhalt ihrer Mail. Diese fremde Frau wollte von seinem Freund wissen, mit wem sie sich privat über Bondage unterhalten könnte. Sie schrieb, sie fühle sich nicht in der Lage, einen Bondage Workshop zu besuchen oder sich einer der existierenden SM Stammtische oder Fetischgruppen anzuschließen, in denen auch Fesselspiele das Thema waren. Merkwürdigerweise schien sie ihm von dieser Mail her gar nicht schüchtern zu sein. Aber vielleicht gab es andere Gründe für sie, warum sie keine öffentlichen Diskussionen wollte.

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Sehr bald aber löschte er die Mail und versuchte, den Inhalt zu vergessen, innerlich voller Bedauern darüber, dass eher ihr nicht helfen konnte. Während der nächsten Tage ertappte er sich jedoch öfter dabei, an diese unbekannte Frau denken zu müssen. Eine Woche später erhielt er eine weitere Mail von ihr – und diesmal war es kein Fehler. Sie entschuldigte sich mehrmals und erklärte, dass sein Freund ihr seine Mailadresse gegeben hatte. Er unterdrückte den Anflug an Ärger über seinen Freund, sah dies als einen Wink des Schicksals an und schrieb ihr sofort zurück. Entgegen seiner Erwartungen war diese Korrespondenzen keine lästige Pflicht für ihn gewesen. Sie waren miteinander sofort warm geworden, hatten noch weit mehr an gemeinsamen Interessen gefunden als ihre Faszination für Bondage, und schon bald hatte es ein erstes Telefonat gegeben. Und nun ging er neben ihr. Wenn er ehrlich mit sich selbst war, dann hätte er am liebsten die Zeit angehalten, die doch unerbittlich weiterlaufen würde und, so hatten sie beides abgesprochen, ein ganz klares Ziel hatte; nämlich dass er ihr seine Fessel-Künste live vorführen würde. Nur zu diesem Zweck war es schließlich gekommen. Aber trotz seiner kühnen Worte vorhin konnte es sich einfach nicht vorstellen, sie zu fesseln. Auch wenn dies, so waren sie beide übereingekommen, der Hauptgrund für seinen Besuch war. Seine rechte Hand fasste den Griff der schmalen Tasche noch fester, in der seine Seile waren.

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