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09. Dezember 2008

Mein Chef, mein Sklave – Teil 1/2

Jeder weiß, wie man sich zu benehmen hat, wenn man sich um eine Stelle bewirbt und zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wird. Man zieht sich seriös und schick, aber unauffällig an, schminkt sich dezent (als Frau zumindest), man lächelt viel, man hält den Kopf gesenkt, man stimmt allem zu, was die Entscheidungsträger sagen, man muckt nicht auf, man erweist sich als zurückhaltend, bereit, Befehle zu empfangen und prompt und ohne Fragen auszuführen, dazu zeigt man Interesse an der betreffenden Firma und glänzt mit Wissen von allen Seiten, kurz: Man zeigt sich als der ideale Untergebene und Befehlsempfänger, der alles mitmacht.

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Tut man das nicht, hat man eigentlich schon überhaupt keine Chance, den Job zu kriegen. Allerdings geben sich normalerweise die Leute, mit denen man im Vorstellungsgespräch zu tun hat, auch die größte Mühe so zu tun, als herrsche in ihrer Firma nichts als Friede, Freude, Eierkuchen und man würde die Angestellten äußerst zuvorkommend behandeln. Das eine wie das andere ist nur Fassade und fliegt spätestens während der Probezeit auf, falls man die Hürde des Vorstellungsgespräches geschafft hat. Trotzdem sind so nun einmal die Regeln. Und an die hatte ich beschlossen, mich zu halten. Was mir jedoch von Minute zu Minute schwerer fiel, als ich dem Mann gegenübersaß, von dem ich zu Anfang des Gespräches noch gehofft hatte, er würde mein neuer Chef werden. Ich war exakt pünktlich erschienen zum Vorstellungsgespräch, nervös, aber gut vorbereitet, in einem dunkelgrauen Rock, der gerade knapp über dem Knie endete, mit einer business-liken und nicht frivolen weißen Bluse und dem zum Rock passenden, leicht taillierten Jackett, dazu Nylons in einer neutralen Farbe und Pumps mit einem leichten, aber nicht zu hohen Absatz. Hohe Absätze kann ich mir mit meinen 1,80 als Frau nicht leisten; da würde ich die meisten Personalchefs oder Vorgesetzten überragen, und nicht jeder Mann ist selbstbewusst genug, dabei keine Komplexe zu kriegen. Das musste ich in diesem Fall nicht befürchten. Roger Deitmann, der Mann, bei dem ich mich beworben hatte, ist über 1,90 groß, überragt mich also selbst noch in meinen höchsten High Heels. Und Komplexe hat der bestimmt keine …

Als seine Sekretärin mich zu ihm ins Zimmer führte – seine Firma ist klein genug, dass es keine gesonderte Abteilung „HR“ gibt, Human Resources; und also auch keinen Personalchef; hier interviewt der Chef noch selbst, wenn es um neue Mitarbeiter geht – schaute er zuerst nicht einmal auf. Er war nicht am Telefonieren, sondern er tippte etwas auf der Tastatur seines Notebooks. Ein höflicher Mensch hätte mich wenigstens mit einem Kopfnicken begrüßt und mir anschließend mit der Bitte um noch ein wenig Geduld einen Platz angeboten; er nicht. Das ärgerte mich. Auch wenn der Stellenbewerber immer der Bittsteller ist, immerhin hatte er mich herbestellt und ich war weder zu früh, noch zu spät, sondern auf die Minute genau pünktlich. Da hätte wenigstens eine kurze Begrüßung sich schon gehört. Etwa eine halbe Minute stand ich wie ein dummes Mädel vor seinem Schreibtisch, dann reichte es mir. Ohne seine Erlaubnis abzuwarten nahm ich mir einen der beiden Besucherstühle vor seinem Schreibtisch, setzte mich darauf, kramte ganz offen nicht etwa meine Unterlagen heraus, sondern ein Buch, einen Roman, den ich gerade am Lesen war, und vertiefte mich darin.

Heimlich linste ich natürlich über den Rand des Buches, um Deitmann zu studieren. Sein rotblondes Haar wäre der Neid jedes Schotten. Eigentlich müsste es dafür sorgen, dass es ihn unauffällig macht, aber wilde Locken und eine Haarlänge, die etwas über der korrekten Länge für auf Militär gestylte Manager liegt, sowie ein Bart (kein schicker Dreitagebart, sondern ein richtiger) sorgen dafür, dass das Adjektiv „unauffällig“ einem bei Deitmann ganz bestimmt nicht in den Sinn kommt. An diesem Tag trug er zwar ein weißes Hemd, wie sich das für einen Manager gehört, allerdings unter einem sichtbar alten – und sehr bequemen – Pullover, dessen Halsbündchen den Kragen gegen seinen Hals platt drückte. Eine jähe Hitze auf meinen Wangen verriet mir, dass auch er mich heimlich beobachtete. War seine Unhöflichkeit gegenüber Stellenbewerbern womöglich nur ein Trick, ein Test? Es war mir egal. Wer mich ignoriert, wer rüde zu mir ist, der sollte nicht erwarten, dass ich ihm dafür noch die Füße küssen. Wütend wieder hinaus zu staksen, nachdem Deitmann mich nicht beachtete, das wäre erstens albern gewesen, und zweitens brauchte ich einen Job. Wenn auch nicht unbedingt speziell den oder jeden, soweit war ich noch nicht. Zumindest wollte ich ihm aber doch dezent klar machen, dass er mit mir nicht umspringen konnte wie mit einem ängstlichen Hühnchen.

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Es hätte überhaupt keinen Sinn, wenn ich einen Job antrete, bei dem der Chef mich täglich demütigt. Das würde ich auf Dauer doch nicht durchhalten und irgendwann explodieren. Dann war es besser, diesen Job gar nicht erst anzufangen. Eine Weile konnte ich mich schon noch so durchschlagen, das hatte ich mir alles genau ausgerechnet. Ich bin schon in einer gewissen Bredouille. Nach einigen Jahren als Anwältin musste ich aussteigen, um mich um die Kinder meiner – alleinerziehenden – Schwester zu kümmern, die schwer krank war. Die Familie unterstützte uns finanziell, außerdem nahm ich kleine Nebenjobs an, um uns alle über Wasser zu halten. Kaum war meine Schwester, nach einigen Jahren, wieder ausreichend auf den Beinen, war ich überflüssig – und konnte nun sehen, wie ich die Scherben meines Lebens zusammenkehrte. Ohne die finanzielle Unterstützung durch Kindergeld, Pflegegeld und meinen Vater konnte ich nur mit den Nebenjobs nicht überleben; ich brauchte wieder eine Vollzeitstelle. Nur, was sollte ich tun? Der Anwaltsberuf war mir nach einer so langen Pause verschlossen.

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08. Dezember 2008

Altenpflegerin und Zivi – Teil 1/2

Ich bin nicht nur von Beruf Altenpflegerin – ich bin auch selbst schon reichlich alt mit 43. Nun ja, vornehm sagt man wohl reife Frauen dazu und nicht alte Weiber, aber gemeint ist damit eigentlich in beiden Fällen dasselbe. Und ob reife Frauen oder alte Weiber – ich gehöre jedenfalls zu dieser Gruppe Frauen dazu. Und reife Frauen, das sind die Frauen, die von jungen Männern meistens schon überhaupt nicht mehr wahrgenommen werden. Da muss man manchmal ganz schön was anstellen, damit es überhaupt noch zu einem Flirt kommt. Und das gilt leider nicht nur für junge Männer, sondern auch für reife Männer, die exakt in unserem Alter sind. Oder sogar noch ein Stück älter.

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Reife Männer und reife Frauen – trotz aller Ähnlichkeiten ist beides noch lange nicht dasselbe. Das liegt wohl daran, dass in unserer Gesellschaft reife Männer eben einfach als potent, erfolgreich und vital gelten, während reife Weiber schon fast abgeschrieben und für nichts mehr gut sind. So wird uns das ja auch regelmäßig von der Werbung oder in Filmen erzählt. Alte Männer sind einfach begehrt, und zwar auch bei den ganz jungen Girls. Alte Frauen hingegen stehen überall am Rand und sind besonders aus der Welt der Erotik eigentlich schon beinahe herausgefallen. So habe ich das schon oft erlebt. Persönlich, und in meinem Freundeskreis. Auch meine Freundinnen, die alle in meinem Alter sind, alles reife Frauen oder alte Weiber berichten die ähnliche Erfahrungen, und eine Freundin, die ist sogar schon über 50, bestätigt ist mir, dass eine reife Frau nicht mehr so einfach Erfolg damit hat, einen Mann zum Flirten zu bewegen. Natürlich, wir reife Frauen haben einen großen Vorteil, wir sagen einfach, was wir denken, denn wir haben längst gemerkt, das Leben ist viel zu kurz, um bei etwas zu zögern, was wir unbedingt haben wollen. Da muss man sich dann schon mal auf die Hinterbeine setzten und es sich holen; oder zumindest ganz klar sagen, dass man es will. Dass wir das dann auch wirklich bekommen, ist aber keineswegs selbstverständlich.

Da muss man schon auch ein wenig Glück haben. Soviel Glück, wie ich es neulich gehabt habe. Da ist nämlich in unser Altenheim ein neuer Zivi gekommen, also ein neuer Zivildienstleistender. Das heißt eigentlich ist er gar nicht richtig zu uns gekommen. Er ist nur zur Aushilfe da, weil bei uns einer der Zivildienstleistenden im letzten Moment abgesprungen ist und sich doch für den Dienst bei der Bundeswehr entschieden hat. Der andere hatte zwei Wochen bei uns gearbeitet und ist dann schwer erkrankt. Er kann insgesamt acht Wochen lang nicht kommen; mindestens. Da mittlerweile das Sozialwesen in der Bundesrepublik Deutschland nur noch mit Hilfe der jungen Menschen funktioniert, die Zivildienstleistende sind oder ein freiwilliges soziales Jahr machen, so wie das ja auch allgemein bekannt ist, waren wir ganz schön aufgeschmissen, so ohne auch nur einen einzigen Zivildienstleistenden, wo wir eigentlich mit zwei Zivis gerechnet hatten.

In dieser schwierigen Situation hatte sich das örtliche Krankenhaus, dessen Gebäude direkt neben unserem liegt, dazu bereit erklärt, uns vorübergehend für ein paar Wochen einen ihrer Zivildienstleistenden „auszuleihen“. Das war riesig nett von denen; aber fragt mich nicht, was das für ein elender Verwaltungsaufwand war, bevor wir das Kunststück vollbracht hatten! Allein für den Papierkram hätte man eine Aushilfe anstellen können … Jedenfalls, wir waren gerettet. Bis unser kranker Zivildienstleistender zurückkehren würde, würde uns einer der Zivis aus dem Krankenhaus aushelfen. Als er den ersten Tag da war, war ich überrascht. Er kam mir sehr viel älter vor, als es sonst die Zivildienstleistenden sind. Später erfuhr ich dann, dass er zuerst sein Studium beendet und erst dann den Zivildienst angetreten hatte. Das erklärte, warum er bereits Mitte 20 war, als er bei uns auftauchte, und nicht etwa 18,19 oder 20. Er wirkte überhaupt relativ reif. So im Vergleich, meine nicht; und zwar nicht im vergleich zu reifen Weibern wie mir. Da er halt auch schon einmal im sozialen Bereich gearbeitet hatte, wenn auch in einem Krankenhaus und nicht auf einer Altenpflegestation, kannte er sich zumindest ein wenig aus. Es dauerte nur zwei Tage, und er war bei uns voll integriert. Bei mir war er es sogar von der ersten Minute an … Ich habe ihn nur angesehen und wusste, verdammt, der Junge wird dir gefährlich werden!

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Das heißt nicht unbedingt nun, dass er ein echter „Schönling“ gewesen wäre. Im herkömmlichen Sinn sah er sicherlich nicht schlecht aus, jedoch auch nicht besonders gut. Er hatte aber genau das, was ich an Männern schon immer, auch in meiner Jugend und erst recht als reife Frau, so ungeheuer anziehend gefunden habe. Er war körperlich sportlich, durchtrainiert und muskulös, und sein Gesicht wirkte einfach offen und ansprechend. Das schien aber zu täuschen; es vergingen mehrere Stunden, bevor wir beide auch nur ein einziges Wort miteinander gewechselt hatten, an seinem ersten Tag, nachdem unsere Leiterin ihn auf unser Montags Meeting gebracht und ihn allen vorgestellt hatte. Ich hatte ihn sehr freundlich begrüßt. Ebenso wie alle anderen natürlich auch. Nur dass wir alle kaum eine Reaktion von ihm erhielten. Er nickte nur und setzte sich. Da hörte ich bereits meine Kolleginnen zum ersten Mal darüber tuscheln, dass er wohl ein ziemlicher Stiesel sei. Auch ich fand es unmöglich, wie wenig er unsere herzliche Begrüßung erwiderte, doch erstens hielt ihm seine Jugend zugute, und zweitens vermutete ich, dass er einfach nur unsicher war und nicht unhöflich.

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