Nun ja, schon der Titel meiner kleinen Geschichte wird es dem geneigten Leser ja verraten haben, dass Deitmann mir die Absage weder in die Hand drückte, noch später per Post zusandte, sondern ich den Job bekommen habe. Etwas, was ich etwa einen Monat lang bitter bereute. Denn ich versuchte, als ich wirklich in dieser Firma anfing zu arbeiten, mich – ganz entgegen meiner Natur – wie ein musterhafter Angestellter zu verhalten. Ich war zurückhaltend, leise, dienstbereit, ja, fast unterwürfig – und überhaupt nicht frech und selbstbewusst wie im Vorstellungsgespräch.
Obwohl ich schon nach kurzer Zeit wirklich die Zähne zusammenbeißen musste, um nicht durch die Wand zu gehen, denn Deitmann schikanierte mich nach Kräften. Es wurde sogar immer schlimmer statt besser. Bis mir irgendwann eine ganz verrückte Idee kam. War es vielleicht so, dass er es bewusst übertrieb, um mich zu provozieren, um die selbstbewusste Frau aus dem Vorstellungsgespräch zu wecken und wiederzufinden? Es schien mir einerseits ausgeschlossen; und doch war es gleichzeitig denkbar. Außerdem konnte es so, wie es begonnen hatte, ohnehin nicht weitergehen. Ständig herumkommandiert zu werden liegt nun einmal nicht in meinem Wesen. Ich kann es eine Zeit lang hinnehmen, aber nicht auf Dauer. So interessant der Job auch war, er war es nicht wert, dass ich mir Magengeschwüre holte. Kein Geld der Welt kann eine solche seelische Verbiegung ausgleichen. Als mir abends diese Erkenntnis gekommen war, dachte ich noch ein wenig darüber nach und beschloss dann, am nächsten Morgen gleich zu handeln. Wenn Deitmann mir deswegen kündigte – was während der Probezeit ja ohne Probleme möglich war -, dann sollte es eben so sein und ich würde es als Wink des Schicksals nehmen, dass dieser Job nun einmal nichts für mich war.
Am nächsten Morgen erschien ich nicht wie bisher immer im dezent-eleganten Kostüm, was er mir als Arbeitskleidung vorgeschrieben hatte, während er selbst eigentlich immer das anzog, worauf er Lust hatte, meist weder neue, noch modische Pullover mit einem Hemd darunter, von dem man an den wenigen Stellen, an denen es hervorlugte, schon sehen konnte, wie zerknittert es war, sondern in einer hautengen Lederhose mit hohem, breitem Bund, aus dem eine schwarze Spitzenbluse hervorlugte, die meinen BH durchschimmern ließ. Dazu zog ich meine höchsten High Heel Stiefel an statt der seriösen Pumps, die ich bis zu jenem Tag getragen hatte. Deitmann zog die Augenbrauen hoch, als ich ihm eine Stunde nach Arbeitsbeginn in diesem Outfit einen Bericht über eine Kundenbesprechung vom Vortag vorbeibrachte, sagte jedoch nichts, sondern begann wortlos den bericht zu überfliegen.
Multi-tasking-fähig war er noch immer nicht. Mit einer Handbewegung gebot er mir zu bleiben, als ich mich gerade auf dem hohen Absatz umdrehen wollte. Ich beschloss, dass ich kein Hund bin, der auf Gesten reagiert, und vollendete meine Drehung. „Frau Jakob!„, sagte Deitmann scharf. Ich drehte mich zurück und setzte dabei meine arroganteste Miene auf. „Ist noch etwas, Herr Deitmann?„, fragte ich kühl. „Sie müssen heute Vormittag einen Termin für mich übernehmen„, erklärte er. „In dem Aufzug können Sie sich dort allerdings nicht sehen lassen.“ Er schien ausgesprochen ungnädig und schlecht gelaunt. Mein Herz rutschte mir in die Lederhose. Nur der enge Bund, der mir eine wespenhafte Taille verlieh, verhinderte, dass es dort auch ankam. Ich war versucht zu erklären, dass ich selbstverständlich sofort nach Hause fahren, mich umziehen und anschließend den Termin wahrnehmen würde, aber die vielen Wochen Schikane vorher waren einfach zu viel gewesen. „Dann wird sich entweder Ihr Kunde mit meinem Outfit abfinden müssen„, erwiderte ich hoheitsvoll, „oder Sie sich damit, dass Sie den Termin selbst machen.“ Eine Weile herrschte Schweigen. Immerhin, ich hatte dafür gesorgt, dass Deitmann nicht sofort auftrumpfte. Seine Stirn jedoch wirkte umwölkt. Aber plötzlich entspannten sich seine Gesichtszüge. „Und wenn ich Sie darum bitte, den Termin zu übernehmen und sich dafür umzuziehen?„, sagte er sanft.
Ich war überrascht, wie schnell er nachgegeben hatte. Es bestätigte meine Theorie, dass ihm in Wirklichkeit eine selbstbewusste Mitarbeiterin viel lieber war und er nur dort schikanierte, wo sich jemand unterwürfig zeigte und es sich gefallen ließ. „Wenn Sie das in der richtigen Form tun, könnte ich mich durchaus überreden lassen„, entgegnete ich gnädig. Er zögerte kurz, dann stand er auf, stellte sich vor mich. Auf einmal war sie wieder da, die ungeheure Anziehung, die ich während des Vorstellungsgespräches gespürt hatte, und die unter seinen Schikanen in den letzten dreieinhalb Wochen verschütt gegangen war. Ich spürte einen so starken Wunsch, ihn zu berühren, dass ich mich wirklich gewaltsam zurückhalten musste, es nicht zu tun. Noch immer war er einige Zentimeter größer als ich, trotz meiner High Heel Stiefel, aber ich wich nicht zurück und blickte ihm ruhig in die Augen.