Ich weiß nicht, wie ich auf die Idee kommen konnte, ich könnte dieser Aufgabe gewachsen sein. Researcher für ein PI Büro; für Private Investigators, für Privat Eyes. Privatdetektive. Der Service der Firma – so schnell werde ich mich nicht daran gewöhnen, „unsere Firma“ zu sagen – umfasst Recherchen aller Art, und da bin ich Profi, in Internet Recherchen, außerdem dann aber natürlich auch noch Überwachungen, Überprüfungen. Sogar Bodyguards werden geliefert, wenn es nötig ist. Für die meisten Mitarbeiter hier ist das die Hauptarbeit eines PI, zumindest die wichtigste Aufgabe. Mit einer dicken Kanone und einer Kevlar Weste auf den muskulösen Body geschnallt in der Gegend herumlaufen.
Dabei findet das meiste wirklich im Stillen statt, vor den Computern. Aber ich habe mich getäuscht, wenn ich gedacht habe, meine enormen Recherche Fähigkeiten würden dafür sorgen, dass man mich wenigstens einigermaßen akzeptiert in dem Laden. George, der Chef, hat mich eigentlich nur angestellt, weil mein Vater ein alter Freund von ihm ist. Und weil mein Vater ihn noch kurz vor seinem Tod darum gebeten hat. In meinem anderen Job war ich ziemlich unglücklich, und reife Frauen finden eben nicht mehr so schnell was Neues, da ist man schon auf Vitamin B angewiesen. George arbeitet mit mir zusammen, weil er sich verpflichtet gefühlt hat, mich einzustellen – aber es steht noch der Tag aus, an dem ich mal ein Lob oder auch nur etwas anderes als Herablassung und einen Tadel einstecken kann, obwohl ich jetzt schon drei Monate hier bin. Und was die Muscle Men angeht, die Bodyguards, die fast alle gleichzeitig auch Bodybuilder sind oder zumindest so aussehen, für die existiere ich gar nicht. Ihre Arbeit beruht oft auf meiner, aber das sehen sie nicht. Das einzig Nette, was mir hier mal passiert ist, das war an meinem ersten Tag. George hat mich der Reihe nach allen vorgestellt, darunter auch Ray und Phil, seinen wichtigsten Leuten. Als er mir Phils Namen nannte, sagte er dazu, vor ihm müsse ich aufpassen, er sei der größte „Womanizer“ (Schürzenjäger), den er kennt. Phil sah etwas unglücklich aus bei dieser Beschreibung, und ich fühlte mich bemüßigt, ihn in Schutz zu nehmen.
Ich wusste ja noch nicht, dass eigentlich ich diejenige sein würde, die Schutz braucht. Außerdem gefiel er mir aber auch richtig gut, denn er wirkte nicht ganz so arrogant und aufgeblasen wie die anderen, und irgendwie auch schon reifer. Trotz seiner relativen Jugend – zehn Jahre jünger ist er mindestens als alte Damen wie ich – kam er mir reif vor. Zumindest reifer als die anderen Kerle, die mich trotz ihrer Muskeln eher an Teenager erinnerten, obwohl die meisten auch alle schon mindestens 30 waren. „Bei seinem Aussehen kann er sich das leisten„, bemerkte ich grinsend, denn Phil sieht wirklich fantastisch aus; groß, muskulös, dunkle Haare, ein scharf geschnittenes Gesicht, und dabei aber ganz weiche, sinnliche Lippen. Er belohnte mich mit einem Lächeln, das mein Herz erwärmte. Seitdem ist aber nichts Positives mehr gekommen, nicht die ganzen drei Monate lang; weder von ihm, noch von den anderen. Ich werde einfach ignoriert, meine Arbeit, mit der ich mir Mühe gebe, wird genommen, verwendet – und der Urheber wird darüber vergessen.
Aber auch für Phil existiere ich nicht, und das macht mir am meisten zu schaffen. Ich hatte eigentlich gehofft, nach dem vielversprechenden Anfang könnten wir wenigstens ein bisschen Freunde werden. Mehr erwarte ich gar nicht. Als reife Frau von über 40 falle ich ganz klar nicht in sein Beuteschema als Womanizer. Ich will ja auch gar nichts von ihm, was etwas mit Erotik zu tun hätte. Reife Frauen ab 40 und ein echter Muskel Macho von Anfang 30 – das passt einfach nicht. Aber er könnte ja auch so nett zu mir sein, ohne mich gleich anzumachen. So deutlich muss er es mir nicht zeigen, dass ihn reife Frauen nicht interessieren. Ein bisschen netter ist er geworden, seit ich ihm des öfteren mal geholfen habe, seine Berichte etwas formvollendeter und schneller abzufassen. Ich bin nun mal der PC-Bedienungs-Spezialist hier im Haus, auch wenn reife Frauen für den Computer weit weniger prädestiniert scheinen als junge Männer. Trotzdem – er grüßt mich, aber er spricht nur wenig mit mir, und schon gar nichts, was über den Job hinausgeht. Wenn er wüsste, dass ich, eine reife Frau, mich wie ein dummes junges Ding in ihn verknallt habe, er würde wahrscheinlich lauthals loslachen. Aber es ist nun einmal so. Auch reife Frauen sind nicht ganz unempfänglich für die Reize junger Männer mit einem geilen Körper, mit viel Muskeln und noch dazu ausreichend Intelligenz, denn das ist für einen Private Eye ebenso wichtig wie die Muskeln, Intelligenz.
Ich finde Phil einfach unwiderstehlich. Aber wie gesagt, er beachtet mich nicht. Und jetzt ist heute auch noch die große Katastrophe passiert. Sie ist nicht der letzte Tropfen ins volle Wasserfass; das Fass war schon vorher voll, und was geschehen ist, ist nicht nur ein Tropfen, sondern ein ganzer Eimer voll kaltem Wasser. George, unser Chef, hat in einem Fall Mist gebaut. Er hat den falschen Leuten intime Informationen über einen Klienten gegeben. Das passiert halt auch mal Chefs, dass sie Fehler machen. Man könnte das schon irgendwie wieder in Ordnung bringen. Aber nun hat er heute in unserem Meeting mir die Schuld dafür in die Schuhe geschoben; öffentlich, vor allen anderen. Dabei hatte ich damit überhaupt nichts zu tun. Seitdem redet überhaupt keiner mehr mit mir, sie gehen mir alle aus dem Weg. Jetzt bin ich ganz in Ungnade gefallen, auch bei Phil. Er hat nicht einmal die Recherche-Ergebnisse über den Typen abgeholt, den er ab morgen beobachten soll; er ist noch bei George im Büro; was auch immer er da macht. Wahrscheinlich wird er jetzt kein Wort mehr mit mir reden. Es reicht mir. Ich werde kündigen. Aber dann werde ich auch Phil nie wiedersehen …