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08. August 2008

Tagsüber Studentin, abends private Hobbynutte

Eine interessante Theorie„, bemerkt der Professor sarkastisch, als ich meine Überlegungen vorgetragen habe. „Falls ich mal eine geniale Forensikerin benötige, werde ich sicherlich zu Ihnen kommen. Allerdings sollten Sie sich im Rahmen Ihrer Ausführungen in meiner Vorlesung dann doch lieber an die Erkenntnisse halten, die in Rechtsprechung und Lehre schon längst gefunden wurden, statt sich ein eigenes Wolkenkuckucksheim zu bauen.“ Ich werde glühend rot und spüre, wie in meinem Bauch eine brennend heiße Kugel der Scham entsteht. Ich war so stolz auf mein Gedankengebäude, mit dessen Hilfe ich weitab von den „Erkenntnissen von Rechtsprechung und Lehre“ eine Lösung gefunden zu haben glaubte.

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Er hätte ja auch wenigstens meine intellektuelle Leistung würdigen können, statt sich einfach nur über mich lustig zu machen. Meine Kommilitoninnen und Kommilitonen schauen zum Teil peinlich berührt weg, andere lachen unterdrückt. Es ist ja immer schön, wenn der beißende Spott eines Professoren einen anderen trifft als sie selbst. Nur steht bei diesem Prof eines fest – sie kommen auch noch an die Reihe. Denn, so hört man von den Semestern vor uns, er hat noch keinen verschont. Früher oder später macht er sich über jeden Studenten lustig. Und die Studentinnen kommen bei ihm noch schlechter weg. Frauen scheint dieser Herr nicht zu mögen. Er findet ganz offensichtlich, die haben beim deutschen und europäischen Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht nichts zu suchen. Womöglich nicht einmal an der Juristischen Fakultät überhaupt.

Wenn ich bloß wüsste, wie ich diesem Mistkerl seine unerträgliche Arroganz heimzahlen könnte! Aber ich bin eine brave Studentin – ich gehöre nicht zu denen, die meinen, sie müssten alle Naselang bei den Professoren den Mund aufmachen und sich über irgendetwas beschweren. Ich habe keine Lust, derart aggressiv aufzufallen. Ich will einfach so schnell wie möglich mein Jurastudium abschließen. Und das geht am besten, wenn ich mich ganz auf den Stoff konzentriere und mich durch nichts ablenken lasse. Auch nicht durch eingebildete Professoren. Das heißt, eine Ablenkung gibt es schon, die ich mir gestatte, aber erst abends, wenn mein Tagwerk erledigt ist. Tagsüber bin ich Studentin; abends etwas ganz anderes. Eine private Hobbynutte nämlich. Aber das mache ich wirklich nur ganz privat und wenn ich alles andere hinter mir habe, Vorlesungen, Seminare, Lerngruppe, Klausuren und vor allem Lernen, Lernen, Lernen. Das ist auch etwas, worauf ich mich den ganzen Tag freuen kann, wenn ich abends aus meinen braven Studentinnen Klamotten schlüpfe und etwas Schickes, Elegantes, Verführerisches anziehe, um als Hobbynutte die Männer gleich reihenweise zu vernaschen. Wenn ich meinen Professor einmal an einem solchen Abend als Hobbynutte in die Finger kriegen würde, statt ihm als Studentin in die Finger zu fallen …

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Hastig ziehe ich noch schnell meine Maske auf. Ich bin etwas spät dran heute, bei Lady Isabel. In der Unibibliothek war ein Buch nicht zu kriegen, was ich unbedingt für eine Hausarbeit brauche, da musste ich mir die ersten Informationen mühsam aus diversen anderen Büchern und aus dem Internet heraussuchen. Das hat mich mehr Zeit gekostet, als ich eigentlich eingeplant hatte. Beinahe hätte ich den Abend bei Lady Isabel sogar abgesagt, aber ich konnte doch noch alles so abschließen, wie ich es geplant hatte. Nur war die Zeit danach reichlich knapp. Nachdem ich geduscht und mich umgezogen hatte, war es schon fast acht; und um acht Uhr beginnt pünktlich die „Soiree„, die Lady Isabell einmal in der Woche veranstaltet, bei der sie auch neue Gäste empfängt. Die anderen Abende bleiben den Stammgästen vorbehalten. Das mit der Soiree muss man übrigens nicht so ganz wörtlich nehmen. Es ist schon wirklich eine Abendgesellschaft, die Lady Isabel da veranstaltet; aber es ist eine ganz besondere Abendgesellschaft … Warum, das werdet ihr gleich sehen; ich muss jetzt nur schauen, dass ich perfekt gekleidet bin und mich dann rasch unter die Gäste mischen, die größtenteils bereits angekommen sind. Eigentlich hat Lady Isabel es gerne, wenn ihre weiblichen Gäste – sämtlich tagsüber brave, junge Studentinnen und abends verführerische private Hobbynutten wie ich – etwas vor den Männern ankommen. Ich befürchte einen bösen Blick, als sie mich in den geschmückten und hell erleuchteten Saal kommen sieht, doch sie nickt mir nur freundlich zu und sogar anerkennend.

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Heute sehe ich aber auch wirklich ganz besonders sexy aus; ein hastiger Blick in den Spiegel hat es mir gezeigt. Ich trage Netzstrümpfe, darüber einen Minirock aus dünnem, absolut weichem Leder und eine Art Zwischenstück zwischen Lederbluse und Lederjacke. Hochgeschlossen, hauteng, bauchfrei. Mitten auf dem Streifen nackter Haut blitzt mein neues Bauchnabelpiercing. Es strahlt und funkelt in vielen bunten Facetten wie ein Diamant, ist allerdings natürlich nur ein Zirkon. Etwas anderes kann sich eine Studentin ja nicht leisten. Nicht einmal eine, die abends private Hobbynutte ist, denn damit verdiene ich mir zwar ein Taschengeld dazu, aber keine Reichtümer. Ich mache das auch nicht wegen des Geldes, als weiblicher Gast auf Lady Isabels Gesellschaften auftauchen, sondern weil es ungeheuer Spaß macht, weil es entspannt, und weil es der perfekte erotische Ausgleiche zum harten Jurastudium ist. Besonders heute habe ich diese Ablenkung nötig, nachdem mein Gesellschaftsrecht-Prof mich so böse zur Schnecke gemacht hat, vor dem gesamten Semester. Das habe ich noch nicht ganz verwunden. Aber die Blicke der anwesenden Herren, die sich zum größten Teil gleich mir zuwenden, tun gut. Ich weiß, ich bin eine der hübschesten unter Lady Isabels Hobbynutten, was mir von Seiten der anderen Hobbynutten auch schon viel Neid und Missgunst eingetragen hat. Aber das stört mich nicht – mir geht es nur um die Bewunderung und das Begehren der Männer, und das bekomme ich, beides, im Übermaß.

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08. August 2008

Reife Hausfrauen

In unserem Hochhaus sind wir die Hausfrauen Riege. Wir beherrschen das gesamte Erdgeschoss und den ersten und zweiten Stock, reife Hausfrauen, die zum Teil schon zehn, 20 Jahre oder länger hier leben. Über uns wechseln die Mieter öfter, und da ziehen natürlich auch mal junge Mieter ein, aber wir von den unteren Etagen, wir sind alles Frauen ab 40, die meisten von uns sogar schon Mitte oder Ende 40. Also wirklich reife Frauen.

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Natürlich gibt es in den meisten Fällen auch noch die passenden Ehemänner, aber die sind ja den ganzen Tag außer Haus, am Arbeiten und am Basteln an ihrer Karriere, und einige von uns sind auch alleinstehende reife Frauen. Manche sind geschieden, sogar eine Witwe gibt es unter uns. Scherzhaft nennt sie sich immer die „lustige Witwe“ – und genau das ist sie auch. Wie aber eigentlich alle von uns; lustige Witwen, auch wenn wir gar keine Witwen sind. Und wir sind eine verschworene Gemeinschaft. Die vielen Jahre, die wir auch, als wir noch nicht reife Hausfrauen waren, sondern junge, begeisterte Ehefrauen, immer alleine in diesem anonymen Hochhaus verbracht haben, nur mit den anderen Hausfrauen als Gesellschaft, haben uns wirklich zusammengeschweißt. Wir sehen uns täglich, und wir unternehmen auch sehr viel miteinander.

Vor allem haben wir halt den Vorteil, dass es unten im Erdgeschoss eine riesige Terrasse gibt, die sich um die gesamte Rückfront des Hauses zieht. Dort sind wir im Sommer fast immer zu finden, wenn wir uns nicht gerade um die Hausarbeit kümmern müssen. Dadurch, dass eben wir reife Hausfrauen alle Wohnungen im Erdgeschoss belagert haben und wir sehr gute Freundinnen sind, teilen wir vom Erdgeschoss einfach die Terrasse mit den Frauen von weiter oben, die nur einen Balkon besitzen; gerade im Sommer ja nicht halb so schön wie eine Terrasse. Die Terrasse ist einfach unser Reich, den ganzen Sommer über. Sozusagen das Paradies für uns reife Hausfrauen. Es gibt zwischen den Terrassenteilen, die zu den einzelnen Wohnungen gehören, auch keine Absperrungen. Alles ist für jeden frei zugänglich. Oder vielmehr, genauso war es – bis dann vor zwei Monaten Gudrun ausgezogen ist. Es gab reichlich Tränen zu ihrem Abschied, und sie selbst wäre auch am liebsten geblieben. Aber nachdem ihre Kinder alle aus dem Haus waren, hatte ihr Mann einfach beschlossen, sich beruflich zu verändern. Das erforderte einen Umzug in eine andere Stadt – und sie musste wohl oder übel mitkommen, etwas anderes blieb ihr nicht übrig. Sie hätte sich höchstens scheiden lassen können – aber was kann eine geschiedene reife Hausfrau, die jahrelang wegen der Kinder nicht gearbeitet hat, schon vom Leben erwarten?

Dummerweise wohnte Gudrun mit ihrem Mann auch noch etwa in der Mitte der Wohnungen im Erdgeschoss. Deshalb waren wir natürlich umso gespannter, wer nun an ihrer Stelle einziehen würden. Heimlich hofften wir auf eine weitere reife Hausfrau, die wir gerne sofort in unseren Kreis aufgenommen hätten. Es war allerdings keine Hausfrau, es war nicht einmal eine Frau, die zwei Wochen nach Gudruns Auszug dort einzog, sondern es war ein Mann. Ein junger Mann, höchstens Anfang 30. Da war die Enttäuschung unter uns reifen Ladys natürlich groß. Zuerst störten wir uns allerdings nicht weiter daran, obwohl der Sommer gerade erst angefangen hatten, denn wir gingen fest davon aus, dass er ja ohnehin den ganzen Tag nicht zu Hause sein würde, wir also die Terrasse unten dennoch weitgehend für uns haben würden. Aber von wegen – es stellte sich heraus, der junge Mann war Schriftsteller – und er arbeitete den ganzen Tag zu Hause. Am liebsten draußen auf der Terrasse, mit seinem Notebook. Das brachte unseren gewohnten Tagesablauf nun natürlich gewaltig durcheinander. Nun war ständig ein Fremder anwesend, ein Mann, und wir konnten uns einfach nicht mehr so ungezwungen benehmen wie die ganzen Jahre zuvor. Zuerst versuchten wir ja noch, den „Neuen“ freundlich aufzunehmen, aber nachdem er mehrfach mit der Begründung, er müsse arbeiten, diverse Einladungen zum Kaffee ausgeschlagen hatte, kümmerten wir uns nicht weiter um ihn und beschlossen, einfach so zu tun, als sei er gar nicht da.

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Das war allerdings leichter gesagt als getan; nicht nur dass wir nun vom Platz her schon massiv eingeschränkt waren, weil wir uns ja nun nicht mehr einfach über die gesamte Hausfront ausbreiten konnten – so mussten wir uns entweder mit bloß der Hälfte des früheren Platzes bescheiden, oder aber uns in zwei Gruppen aufteilen -, wir fühlten uns auch ständig beobachtet. Und waren wir vorher öfter auch mal oben ohne oder zumindest sehr luftig gekleidet auf der Terrasse herumgelaufen, die von außen kaum einsehbar ist, so achteten wir jetzt sorgfältig darauf, anständig gekleidet zu sein. So machte das alles irgendwie keinen Spaß mehr. Petra war es, die irgendwann ganz entnervt meinte, unser Paradies sei zum Albtraum geworden. Und Petra war es auch, die vorschlug, wir sollten doch einfach so tun, als wäre dieser Schriftsteller überhaupt nicht da – denn sonst würden wir nie wieder Freude an unserer Terrasse haben. Wir versuchten es, aber anfangs fiel es uns noch ziemlich schwer, ihn zu ignorieren. Er saß halt auch den ganzen Tag da, an seinem Gartentischchen mit dem Notebook darauf und dem Sonnenschirm darüber. Erst das heiße Wetter half uns auf die Sprünge. Je heißer es wurde, desto gleichgültiger wurde uns unsere Umgebung.

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