Ich packte meine Unterlagen zusammen – in strahlendster Stimmung. Dass die Besprechung so gut laufen würde, hätte ich nie gedacht. Von daher war ich überwältigt; und maßlos stolz. Denn es war vor allem meine Arbeit, die hier den Durchbruch gebracht hatte. Als junger Architekturstudent hatte ich offiziell natürlich nichts zu sagen gehabt bei meinem Chef, dem bekannten Architekten, bei dem ich stundenweise arbeitete, um mein Studium zu finanzieren. Trotzdem hatte ich schnell sein vertrauen gewonnen und wurde bald auch mit recht großen und verantwortungsvollen Aufgaben betraut. Wie beispielsweise die Pläne entwerfen, mit denen er hoffte, diesen großen Auftrag an Land ziehen zu können. Und wenn mich nicht alles täuschte, dann hatte das geklappt; auch wenn die Herren, denen wir gemeinsam alle unsere Überlegungen erklärt und dargelegt hatten, sich noch nicht so ganz definitiv geäußert hatten. Das viele Lächeln, die Andeutungen über eine lange, fruchtbare Zusammenarbeit und vor allem der Hinweis, der ganze „Papierkram“ werde dann im Laufe der nächsten Woche erledigt, waren aber wohl kaum misszuverstehen, und auch mein Chef strahlte.
Die allgemeine Aufbruchstimmung stimmte mich jedoch auch ein bisschen wehmütig. Schließlich hatte ich an diesem Freitagabend für nach der Besprechung nichts vor mir außer einer leeren, kleinen, hässlichen Studentenbude, vielleicht einen Film oder ein Buch, daneben ein Fertiggericht. Und für das Wochenende sah es nicht anders aus, außer dass ich da auch noch für eine Klausur am darauf folgenden Mittwoch lernen musste. Das sind nicht unbedingt Aussichten, die einen jubeln lassen. Von daher war ich schnell dabei, als einer der Herren von dem Auftraggeber, einer großen Firma, es vorschlug, dass wir doch am besten alle gemeinsam noch etwas unternehmen sollten, um die gute Zusammenarbeit zu beschließen. Ich hatte nur kurz gezögert, ob ich denn als Student und sozusagen Hilfsarbeiter überhaupt das Recht hätte mitzukommen, aber mein Chef hatte das schnell deutlich gemacht. Was mich sehr freute, bewies es mir doch, wie sehr er mich schätzte. Damit war nicht nur mein Studienjob gesichert, sondern womöglich auch mein zukünftiger Arbeitsplatz, wenn ich – ich hatte gerade erst vor zwei Semestern das Vordiplom erworben – in ein, zwei, drei Jahren meinen Architektur Abschluss in der Tasche hatte.
Was ich erwartet hatte, von diesem „Begießen der guten Zusammenarbeit„, kann ich nicht mehr genau sagen. Ich hatte nicht weiter darüber nachgedacht. Hätte man mich gefragt, hätte ich wahrscheinlich gemeint, ein Essen in einem guten Restaurant mit einem ausgezeichneten Wein. Schon diese Aussicht war genug, meine Freude Purzelbäume schlagen zu lassen. Ich esse gerne und gut; und Fertiggerichte sind zwar das einzige, was ich zustande bringe, denn ich kann nicht kochen, aber sie sind nun wirklich nicht unbedingt das, was ich mir unter einem guten Essen vorstelle. Leider sieht man es mir auch an, dass ich gerne esse. Seit ich als Student Selbstversorger bin, habe ich zwar ein wenig abgenommen, aber ich wiege noch immer etwa fünf bis zehn Kilo mehr als mein Normalgewicht. Ein bisschen mollig bin ich also, wenn man so will, wenn auch noch nicht unbedingt dick. Obwohl Übergewicht heutzutage fast normal ist, und obwohl ich noch nie bemerkt hatte, dass mich jemand deswegen aufzieht oder auch nur schief anschaut, machte mich das doch ein wenig unsicher und schüchtern. Vor allem Frauen gegenüber. Deshalb hatte ich insofern noch nicht allzu viel Erfahrung; trotz meiner bereits 24 Jahre. Okay, ich war keine Jungfrau mehr; aber Übung hatte ich auch nicht.
Man kann sich also sicherlich sehr gut nicht nur meine Überraschung, sondern auch meine absolute Verlegenheit vorstellen, als die erfolgreiche Besprechung ihren Fortgang nicht etwa in einem normalen Restaurant fand, sondern in einem Haus, in dem es ausschließlich Frauen zu geben schien. Leicht bekleidete, teilweise sogar halb nackte Frauen, die uns freundlich begrüßten. Nachdem einer der Herren vom Auftraggeber mit einer älteren Lady gesprochen hatte, die hier die Chefin zu sein schien und ebenso reif wie erfahren und geschäftstüchtig wie immer noch attraktiv war, wurden wir in einen Raum geleitet, einen Raum mit vielen weichen, breiten, bequemen Sofas und Sesseln, wo wir tatsächlich auf kleinen Beistelltischen einen Imbiss und Wein zu trinken serviert bekamen. Serviert allerdings von weiteren ziemlich entblößten Engeln. Ich war rot wie eine Tomate und wusste nicht, wo ich hinschauen sollte. Ich bin ein Mann – also zog es meine Augen wie magisch in Richtung der mit duftigen Dessous verhüllten Frauenkörper; vor allem, wenn eine es wagte, ihre Brüste ganz oder halb zu enthüllen oder knackige Pobacken zwischen dem dünnen Streifen Stoff eines Strings heraustraten. Andererseits war ich gut erzogen und hatte es gelernt, dass man Frauen weder auf die Titten noch auf den Arsch stand und war also regelrecht hin- und hergerissen. Die anderen Männer hatten weit weniger Schwierigkeiten als ich; ich sah den einen oder anderen ganz ungeniert nach nackten Titten grapschen, an halb nackte Pobacken fassen und anderes, und mein Chef zog sich die hübsche Lady in einem fast durchsichtigen Spitzenbody mit Netzstrümpfen und hochhackigen Pumps, die ihm ein Glas Wein gereicht hatte, sogar ganz ungeniert auf den Schoß und knutschte vor aller Augen mit ihr herum.
Es war schnell klar, wir waren in einem Puff gelandet, in einem Bordell; wenn es auch garantiert ein absolut edles Bordell war, ein exklusives Freudenhaus. Das änderte aber nichts daran, dass die Frauen, die wir sahen, und die um uns herum schwirrten wie Motten um das Licht, alles Nutten waren. Sicherlich überaus edle Nutten, nur die beste Kundschaft gewohnt, und ebenso sicher waren es auch äußerst sinnliche, verführerische Nutten, die jedem Mann auf Anhieb den Schwanz in der Hose hochtreiben konnten; auch mir, wie ich an dem unangenehmen Spannen an einer gewissen Stelle bemerkte. Ich bereute meine Entscheidung schmerzlich, dass ich mich zu diesem Abschluss hatte mitschleppen lassen. Nicht etwa, weil ich was gegen Nutten gehabt hätte. Es hatte nichts mit Vorurteilen gegen Nutten zu tun. Aber ich wusste einfach nicht, was ich machen sollte; ich wusste nur sehr genau, von so hübschen , bereitwilligen Nutten umgeben zu sein, was für jeden anderen Mann bestimmt das Paradies gewesen wäre, war für mich ein Albtraum. Eben wegen meiner Schüchternheit. Ich konnte, anders als die anderen Männer, die Schönheit dieser Nutten nicht hemmungslos genießen. Und ich konnte die Tatsache, dass diese Frauen so leicht bekleidet waren und ersichtlich auch für intime Berührungen zur Verfügung standen, schlicht nicht ausreichend würdigen.