26. August 2008
In unserem Zimmer umarmt Horgaris mich stürmisch, stolz und froh, wie es mir vorhin gelungen ist, den König dazu zu überreden, einen Gefangenen gehen zu lassen. „Hamida, du wirst immer besser! Es ist unglaublich, was du mit deinen immer so wohlgesetzten Worten schon alles erreicht hast!“ Ja, es ist wahr – inzwischen bewege ich mich bei Hofe, als hätte ich mein ganzes Leben dort verbracht. Auch wenn ich erst vor wenigen Monden als Gehilfin von Horgaris hierhergekommen bin. Der König liebt meine Anwesenheit, beinahe noch mehr als seine – und erhört auf mich. Ich darf ihm nur nie sagen, warum ich ihm manche Vorschläge wirklich mache. Ich muss immer einen Vorwand finden, der seiner Grausamkeit entgegenkommen. Schon so oft habe ich ihn jetzt dazu bewegen können, etwas Gutes zu tun. Ohne dass er es bemerkt hat. Ich vergrabe meine Finger in seinem Haar. „Alles von dir abgeschaut, Aneas,“ erwidere ich lachend. Und es stimmt; Horgaris ist mein Lehrmeister. Von ihm habe ich die Kunst der perfekten Verstellung gelernt, die unter dem Deckmantel der scheinbaren Mithilfe in Wirklichkeit oft genug das Gegenteil erreicht, die Stellung des Königs heimlich mehr und mehr schwächt und untergräbt. Ganz leise, ganz heimlich, ganz still. Niemand außer uns beiden würde es sehen; niemand könnte es sehen. Denn nur die vollkommene Anpassung, die vollkommene Täuschung ist unser Schutz. Sobald der König auch nur ansatzweise ahnen würde, was Horgaris und ich eigentlich planen, wäre unseres Bleibens am Hof nicht mehr länger. Und unser Leben wäre keine Sekunde lang mehr sicher. Ich ziehe seinen Kopf nach unten und küsse ihn, lasse dabei meine Hände über seine Brust und seine Seiten gleiten. Merke, wie er anfängt, schneller zu atmen. Und der ziehende Schmerz in meinem Unterleib, fast ständig spürbar in Horgaris‘ Anwesenheit, verstärkt sich.
„Es fällt mir immer schwerer zu warten„, murmelt Horgaris rauh. Ja, auch für mich wird es immer unerträglicher. Aber wir müssen warten. Wir dürfen diesem heißen begehren nicht nachgeben, das in unserer beider Körper brennt. Ich darf mich ihm nicht hingeben, er darf mich nicht nehmen. Auch wenn es in vielen, vielen Augenblicken das einzige ist, woran wir beide denken können. Doch es wird uns versagt bleiben, die Erfüllung dieser Sehnsucht zu finden. Sie muss unstillbar bleiben. Denn Horgaris ist ein Zauberer. Und die Liebe zu einer Frau, die körperliche Liebe, das weiß ich, sie würde dazu führen, dass er seine Zauberkräfte verliert. Selbst wenn er nur einmal eindringen würde in diese heiße, pochende Höhle, die sich zwischen meinen beinen verbirgt, unter dem groben Gewand, das ich trage – es würde ihn all dessen berauben, was es braucht, damit er jemals sein Ziel erreicht. Ich gebe mich keinerlei Illusionen hin. Die Täuschungen, die wir tagtäglich bei Hof vollführen, all die kleinen Dinge, die wir durch List und Geschick beim König erreichen – sie sind nur der Anfang. Sie sind nur winzige Tropfen, wo es einen brausenden Strom braucht, um die Macht des Königs wirklich zu untergraben, ihn zu stürzen und einen Herrscher an seine Stelle zu führen, der nicht wie er mit Grausamkeit, Hass und Unterdrückung regiert, der nicht alle Menschen seine schwere Hand so schmerzlich spüren lässt. Und es gibt nur eines, was letztlich diesen brausenden Strom entstehen lassen wird – Horgaris‘ Zauberkraft. Deshalb dürfen wir beide nichts tun, was sie schwächen oder gar zum Verschwinden bringen würde. Deshalb bleibt uns die körperliche Liebe versagt. Ich atme schwer; das Wissen darum ist wie ein ständiger Schmerz, der wie ein Messer durch meinen gesamten Körper gleitet. Und ich weiß, ihm geht es nicht anders.
Horgaris erhebt sich. Gebückt, wie unter einer schweren Last, geht er zum Kamin und zündet das Feuer an. Damit wir uns wenigstens an der äußeren Wärme laben können, wo die innere Kälte, die uns beide erfasst hat und schüttelt, weil wir die Verbindung unserer beiden Körper unterbrochen haben, nicht so massiv spüren. Ich lege die Arme fest um meinen Oberkörper, doch es hilft nichts – meine Arme sind nicht seine Arme, das durchdringende Gefühl des Verlustes bleibt. Meine Brüste sind schwer und schmerzen, und es gibt nur eines, was diesen Schmerz lindern könnte – seine zärtlichen Hände, seine fordernden Lippen darauf. Doch wenn wir uns soweit aufeinander einlassen, wenn es mehr zwischen uns gibt als eine einfache Umarmung, dann wird es für uns kein Halten mehr geben. Der Damm wird gebrochen werden. Und sein Eid ebenfalls. Der Eid, den jeder Zauberer schwören muss, sobald er seine Initialisierung durchlaufen hat; der Eid, nie eine Frau zu besitzen; niemals in sie einzudringen, sich niemals mit ihr körperlich zu vereinigen. Irgendwann hält es mich nicht mehr fern von ihm. So gefährlich es auch ist, mich ihm wieder zu nähern, die Versuchung erneut wachsen zu lassen, bis sie uns mit ihrer rasenden Gewalt zu überwältigen droht – ich muss zu ihm laufen. Lachend erhebt er sich vom Feuermachen, richtet sich auf, umfängt mich mit seinen Armen. Die grausame Kälte in mir ebbt ab, wird ersetzt durch eine nicht weniger grausame Hitze. Er holt einige Decken und breitet sie auf dem Boden vor dem Kamin aus. Sanft legt er mich darauf, und ich halte ihn fest, ziehe ihn mit zu mir herunter. Er kommt halb auf mir zu liegen, und wir stöhnen beide auf, überwältigt von dem alles durchdringenden Gefühl, das diese plötzliche Berührung in uns ausgelöst hat. Es ist gefährlich, was wir da tun – und doch bringe ich die Kraft nicht auf, es zu beenden. Noch glühender wird die Hitze. Ich umfasse seinen starken Rücken mit den Armen, biege meinen Körper durch, bis er sich von unten gegen seinen presst, und die Stelle, wo meine Weiblichkeit, die so sehr auf ihn wartet, seine Männlichkeit berührt, will mich verbrennen mit ihrer Glut.
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