Natürlich muß nachher doch noch lange geredet werden; schließlich ist Antje eine Frau. Unser kleines Zeremoniell hat das nicht überflüssig gemacht, aber es erleichtert es. Sehr. Antje versteht nicht, wieso ich mich auf Susanne eingelassen, mit ihr geschlafen habe. Kein Wunder – ich verstehe es ja selbst nicht. Ich versuche auch, ihr zu erklären, daß es ein ziemlich mißglückter Versuch war, der insgesamt nicht einmal zwei Minuten gedauert hat; höchstens. Aber wie ich es befürchtet habe, ändert das für sie nichts. Sie will einfach nur ganz genau wissen, wie es dazu gekommen ist.
Und das ist jetzt, heute, bei ihr, schon für mich kaum noch nachvollziehbar. Ich habe mich von ihr zurückgestoßen gefühlt, war verletzt, hatte auf einmal die Schnauze voll von ihren Launen, die mich herumgewirbelt haben wie ein Stäubchen im Windstoß. Wollte mir selbst meine Unabhängigkeit von ihr beweisen. Was gründlich in die Hose gegangen ist, denn mein Wegschlaffen bei Susanne hat mir die Abhängigkeit ja so deutlich vor Augen geführt wie nichts sonst.
Ich rede, rede, rede. Viele von den Dingen, die entscheidend sind, blockt sie ab. Nicht total; aber genug, daß sie nicht ankommen. Es ist eigentlich ziemlich sinnlos, dieses ganze Gequatsche. Doch ihr scheint es etwas zu bringen, also mache ich weiter. Entblöße mich vollständig; so fühlt es sich jedenfalls an für mich.
„Was hättest du denn gesagt, wenn ich vor ein paar Tagen einfach versucht hätte, Alexander zu verführen?“ fragt sie mich irgendwann. Statt erst einmal gründlich nachzudenken, sage ich, was mir als erstes durch den Kopf schießt. „Jemanden wie Alexander kann man nicht verführen, wenn er nicht will.“
Oh je, oh je, da habe ich was angerichtet! „Und woher weißt du so genau, daß er nicht will?“ keift sie, hochrot im Gesicht. So war das doch gar nicht gemeint! Alexander will ja; das weiß ich wahrscheinlich sogar noch besser als sie. Wobei das Thema Alexander keines ist, das ich jetzt unbedingt vertiefen möchte. Irgendwann verplappere ich mich sonst und verrate, daß wir uns nun schon ein paar Male ohne sie gesehen haben. Nicht, um ihr zu schaden. Im Gegenteil. Und mein Hiersein jetzt wäre vielleicht ohne Alexanders Besuch vorhin gar nicht möglich. Aber das möchte ich ihr lieber ein andermal in Ruhe erklären, wenn die Atmosphäre nicht durch meine Schuld ohnehin schon so aufgeheizt ist.
„Das habe ich nicht gemeint,“ widerspreche ich ihr erst einmal. „Ich wollte damit nur sagen, daß er wahrscheinlich ähnliche Prinzipien hat wie du; damit war es für dich einfacher, deinen Wünschen in Bezug auf ihn nicht nachzugeben.“
„Mit anderen Worten, du hattest bloß das Pech, bei Susanne an jemanden zu geraten, der nur allzu bereit war und keine Prinzipien hat?“ empört sie sich.
Mit dieser Erklärung habe ich also alles nur noch schlimmer gemacht. Das kommt davon, wenn man nicht die volle Wahrheit sagen darf; ab irgendeinem Punkt verstrickt man sich mehr und mehr in einem klebrigen Geflecht. Aber ich kann ihr im Augenblick nicht alles sagen. Sonst wäre es aus zwischen uns. So gut kenne ich sie nun doch schon; das würde dem Vertrauen zwischen uns einen Knacks versetzen, der wahrscheinlich nie wieder heilen würde. Es geht einfach noch nicht. In ein paar Wochen vielleicht, wenn die Treffen mit Alexander nicht aufgrund der Umstände als zusätzliches Hintergehen, als weiterer Verrat auf meinem Schuldkonto landen müssen. Wenn sie aufnahmefähig ist dafür, daß es kein Verrat war und kein Hintergehen.
„Ich werde es nicht akzeptieren,“ bemerkt sie scharf, „daß es lediglich von irgendwelchen zufälligen äußeren Faktoren abhängt, ob du noch einmal ohne meine Zustimmung mit jemand anderem ins Bett steigst oder nicht. Wenn es dich wieder einmal packt, ruf mich an und frag mich. Oder verkneif es dir einfach, steig unter die kalte Dusche, steck dir ein paar Eiswürfel in die Hose, was auch immer. Wenn du dich von deinem Schwanz führen läßt, bleiben wir nicht lange zusammen.“
„Das ist mir klar,“ erwidere ich demütig. „Was passiert ist, du kannst es meinen Abschied von alten Angewohnheiten nennen. Oder auch den Versuch, mich selbst davon überzeugen, daß es noch ist wie in den Beziehungen vorher immer. Aber das ist es nicht – du bist die erste Frau, die mich ganz in Besitz genommen hat, ob ich will oder nicht.“