Diesmal habe ich für Nikolaus eine ganz besondere Überraschung für meinen Freund. Ich bin echt schon gespannt darauf, wie er reagiert, wenn er das dünne Röhrchen in seinem Nikolaus-Stiefel findet. Wahrscheinlich weiß er zuerst überhaupt nicht, was das ist; Männer kennen sich normalerweise mit einem Schwangerschaftstest nicht aus. Woher auch … Männer können ja schließlich nicht schwanger werden. Außer in Filmen. Ich glaube, da gibt es ein oder zwei Filme, wo schwangere Männer und nicht schwangere Frauen die Hauptrolle spielen. Aber im normalen Leben hat die Biologie die Schwangerschaft nun einmal für die Frauen bestimmt.
Deshalb kennt sich auch fast jede Frau mit einem Schwangerschaftstest aus, denn fast jede war schon einmal in der Situation, dass sie womöglich schwanger war. Manche Frauen fürchten, dass sie schwanger sind, andere hoffen es. Ich gehöre jedoch zu einer dritten Kategorie schwangere Frauen. Die, die eine Schwangerschaft nicht unbedingt fürchten, sie allerdings auch nicht herbeigesehnt haben – und sich dann doch freuen, wenn es irgendwie einfach passiert ist, ungeplant und genaugenommen ungewollt, aber doch willkommen. Okay, aus dieser langen Vorrede habt ihr es jetzt bestimmt schon erraten: Ich bin schwanger! Und zwar sogar schon in der zwölften Woche, also im dritten Monat! Dass meine Periode ausgeblieben ist, habe ich nicht für so wichtig gehalten; bei Stress passiert das halt immer mal wieder. Deshalb habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht. Schließlich betreiben wir ja auch Empfängnisverhütung; wenn auch mit Kondomen, also nicht so hundertprozentig sicher. (Übrigens ist das eine der ersten Konsequenzen dieser Schwangerschaft, auf die ich mich tierisch freue – endlich ohne Kondom vögeln zu können, denn wer schon schwanger ist, kann es schließlich nicht nochmals werden!) Als mein Taillenumfang dann allerdings so gewachsen ist, dass ich schon ernsthaft Komplexe bekam, zu fett zu werden, als meine Brüste immer größer wurden, immer mehr spannten und schmerzten, da fiel es mir eines Tages wie Schuppen von den Augen – das konnte ja eigentlich nur einen Grund haben!
Gestern bin ich dann gleich in die Apotheke gerannt und habe mir einen Schwangerschaftstest geholt, den ich heute Morgen heimlich gemacht habe, als mein Freund schon aus dem Haus war. Der zweite rosa Punkt im zweiten Sichtfenster von dem kleinen Röhrchen – der erste ist einfach nur zur Kontrolle, ob der Schwangerschafts-Test überhaupt funktioniert hat – verkündete es mir ganz unzweifelhaft, die Schwangerschaft. Woraufhin ich zunächst einmal nachgerechnet habe, wann ich denn das letzte Mal meine Tage hatte. Und dann habe ich gleich für den Nachmittag einen dringenden Termin bei meinem Frauenarzt ausgemacht, der mir dann freudestrahlend das Ergebnis bestätigt hat: schwanger! Er hat mir auch eine Kopie von dem Ultraschallbild mitgegeben. Nicht dass ich als Laie darauf etwas erkennen könnte …
Eigentlich wollte ich das Simon gleich mitteilen, aber dann habe ich mir das anders überlegt. Schließlich ist morgen Nikolaus – und das ist doch die perfekte Nikolaus-Überraschung, dass nicht nur ich eine werdende Mama bin, sondern auch er ein werdender Papa ist. Ich habe zwar schon Anfang der Woche einen Nikolausstiefel für Simon vorbereitet, mit einer neuen Musik-CD seiner Lieblingsgruppe und ein paar Süßigkeiten, aber zu viele Geschenke kann man am Nikolaustag ja gar nicht bekommen. Platz ist auch noch im Nikolausstiefel, denn so ein Röhrchen von einem Schwangerschaftstest ist ja schließlich nicht sehr groß. Mal gerade einen Zentimeter dick und ein paar Zentimeter lang, schätze ich jetzt. Das passt auf jeden Fall noch hinein. Ich werde das Teil einfach dazu stecken und ihm dann den Nikolausstiefel nicht vor die Tür stellen, denn da wüssten wir in unserem Mietshaus nie, ob er nicht von einem anderen Mieter geklaut werden würde. Uns sind auch schon mal Schuhe weggekommen, die ich vor der Tür abgestellt hatte, weil sie so schmutzig waren. Als ich die Tür öffnete, um sie zum Saubermachen hereinzuholen, waren sie weg, und sie sind nie wieder aufgetaucht. Dasselbe wollte ich mit einem Nikolausstiefel auf keinen Fall riskieren. Schon gar nicht, wenn der ein so einmaliges Geschenk enthielt! Diesen Schwangerschaftstest könnte ich, wenn der rosa Punkt erhalten bleibt, vielleicht sogar in ein paar Jahren unserem Nachwuchs selbst zeigen; das ist doch eine schöne Erinnerung an die Schwangerschaft und vor allem an den Moment, in dem ich von der Schwangerschaft erfahren habe.
Nein, bei uns werden die Nikolausstiefel an genau die Stelle gestellt, wo der andere am nächsten Morgen als erstes auftaucht. Bei mir ist es das Bad, weil ich nach dem Aufstehen immer erst mal aufs Klo muss. Deshalb drapiert Simon meinen Stiefel heimlich nachts irgendwo aufs Waschbecken oder so. Sein erster Weg morgens führt ihn immer zur Kaffeemaschine, denn ohne morgendlichen Kaffee wird er nicht richtig wach. Deshalb steht meine Nikolausüberraschung jedes Jahr direkt neben der Kaffeemaschine. Das einzige Problem ist immer nur, nachts die Stiefel so abzuliefern, dass der andere es nicht merkt und seinen Nikolaus wirklich erst am Nikolaustag bekommt, statt schon in der Nacht. Aber auch das kriege ich hin, während Simon fest schläft – und dann verziehe ich mich wieder ins Bett. Jeder weiß ja, dass schwangere Frauen, werdende Muttis, meistens sehr müde sind und ihren Schlaf brauchen … Schon bald versinke ich im Land der süßen Träume und freue mich dabei tierisch auf Simons Gesicht, wenn er das Röhrchen findet. Allerdings bin ich nicht rechtzeitig genug wach, sein Gesicht sofort zu sehen. Vielmehr werde ich sehr sanft und sehr liebevoll geweckt von einem Simon, der richtig Tränen in den Augen hat, wie ich feststelle, obwohl ich noch ziemlich verschlafen bin. „Ist das das, wofür ich es halte?„, fragt er mich und hält mir das Röhrchen mit den zwei rosa Punkten hin. Ich nehme es, betrachte es versonnen. „Ja, ich denke schon„, erwidere ich, noch immer verschlafen. „Du bist schwanger?„, fragt Simon, und seine Stimme überschlägt sich beinahe. Ein wenig unsicher schaue ich ihn an. Er ist doch am Ende nicht gegen eine Schwangerschaft, ist entsetzt darüber, dass wir nach neun Monaten – oder vielmehr jetzt nach nur sechs Monaten – zu dritt sein werden? Nein, er freut sich wirklich. Er freut sich so sehr, dass er mich ganz unsanft aus der Welt der noch verschlafenen gerade Erwachenden in die Welt der Wachen holt, mit einer stürmischen Umarmung.