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04. September 2008

Betrogene Betrüger

Ich gebe zu, die Engländer haben recht, wenn sie sagen: „Two wrongs don’t make a right.“ Also zweimal Unrecht ergibt noch lange kein Recht, anders als minus mal minus immer plus ergibt. Ethik gehorcht nun einmal nicht mathematischen Regeln. Trotzdem, wir Menschen sind nun einmal so gestrickt, dass wir uns für das erlittene Unrecht gerne rächen. Und auch wenn das die Welt nicht wieder so macht wie vorher, so kann es doch erstens das eigene Ego befriedigen, und zweitens wenigstens manchmal zu einem Ergebnis führen, das eigentlich noch viel besser ist als der Status Quo vor dem ersten Unrecht. Für diejenigen, denen das jetzt alles viel zu kompliziert klingt, erzähle ich einfach die Geschichte, um die es mir geht. Dann wird das schon deutlich, was ich meine. In der Geschichte geht es um Sex und Seitensprung; besser gesagt, um zweimal Fremdgehen. Oder viermal, wenn man es ganz genau nimmt. Es ist also eine Sexgeschichte. Sie beginnt mit Sex für meinen Mann, der mich vor jetzt ziemlich genau sechs Monaten das erste Mal betrogen hat. Für sein Fremdgehen habe ich mich mit einem eigenen Seitensprung gerächt, und der hat mir gleich in doppelter Hinsicht mein Glück gebracht. Aber widmen wir uns erst einmal der Vorgeschichte zu diesem doppelten Seitensprung.

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Wir vier, mein Mann Torben, ich, Angelika und ihr Mann Johannes, wir waren schon immer Freunde, seit wir uns im ersten Semester Jura an der Universität Mannheim getroffen haben. Vorher kannten wir uns überhaupt nicht, aber Studenten und Studentinnen schließen ja rasch feste Freundschaften. Wenn man jung ist, ist das so; später, wenn man älter wird, geht es nicht mehr ganz schnell mit den neuen Freundschaften. Deshalb sind die alten Freundschaften ja auch so wertvoll. Wir vier frisch gebackenen Studenten bildeten noch im ersten Semester eine feste Lerngruppe und segelten gemeinsam zwar nicht hervorragend, aber doch recht gut durch Klausuren, Zwischenprüfung, erstes und zweites Staatsexamen. In Sachen Lernen und Freundschaft waren wir eine Vierergruppe, in Sachen Liebe jedoch sehr schnell zwei Paare. Schon im zweiten Semester oder vielmehr in den Semesterferien hatten sich Angelika und Johannes sowie Torben und ich zusammengefunden, und nie hatte einer von uns vieren einen Zweifel daran gehabt, dass wir mit dieser Konstellation genau die richtigen Paare gebildet hatten. Zwischen erstem und zweitem Staatsexamen feierten wir eine Doppelhochzeit. Danach, also nach der Referendarzeit und dem zweiten Staatsexamen, trennten sich unsere Wege insofern, als mein Mann sich mit einer eigenen Anwaltskanzlei selbstständig machte und ich bei ihm mit einstieg, während Johannes die Kanzlei seines Vaters übernahm und Angelika als Hausjuristin zu einer Versicherung ging. Noch immer trafen wir uns aber oft zu viert und unternahmen viel zusammen, abends und an den Wochenenden. Wir machten nicht den Fehler, den viele Ehepaare machen, dass sie eigentlich täglich fast nur noch den Ehepartner sehen und mit ihm gemeinsam Aktivitäten ausüben.

Die Jahre vergingen, wir feierten unsere sechsten Hochzeitstage – ein Jahr vor dem verflixten siebten Jahr. Kinder gab es bei uns keine; sowohl Angelika als auch ich wollten damit noch etwas warten. Wir waren ja schließlich auch erst Anfang 30 und wollten zuerst unsere Karriere in die richtigen Bahnen lenken. Dann kam der Frühling in diesem Jahr. Johannes und Angelika hatten eine Reise in den Süden gebucht, doch im letzten Moment wurde Johannes‘ Vater krank und er konnte nicht mitfliegen, bestand aber darauf, dass Angelika sich trotzdem auf den Weg machte, weil sie Erholung dringend nötig hatte. Ebenso wie Torben, den der Stress des Aufbaus einer Kanzlei arg mitgenommen hatte und der im Frühjahr mehr als urlaubsreif war. Johannes schlug dann vor, dass wir doch beide Angelika begleiten sollten. Für eine dritte Person noch schnell nachzubuchen, hätte sich bestimmt machen lassen. Allerdings meinte Torben, wir könnten unsere Kanzlei nicht einfach für drei Wochen dicht machen, und da hatte er natürlich absolut recht. Also blieb ich zu Hause, und Torben begleitete Angelika. Es war eine wahnsinnig hektische Zeit, denn auf einmal hatte ich die Arbeit von zwei Anwälten zu erledigen. Auch Johannes war voll im Stress, mit der Kanzlei und den Besuchen bei seinem Vater, dem es aber zum Glück wenigstens langsam besser ging. Wir sahen uns nicht ein einziges Mal in diesen drei Wochen, telefonierten nur regelmäßig miteinander und trafen uns erst am Flughafen wieder, um unsere Ehepartner vom Flugzeug abzuholen. Die sich ersichtlich gut genug amüsiert hatten, sich nur sporadisch bei uns beiden Daheimgebliebenen zu melden, was mich mächtig ärgerte und Johannes ebenfalls nicht kalt gelassen hatte.

Ich war die erste, die bemerkte, dass irgendetwas anders war zwischen den beiden Urlaubern, zwischen uns allen vieren, als es vor dem Abflug gewesen war. Die Begrüßung war einfach zu gezwungen, zu gekünstelt, und in der Umarmung, die Torben mir schenkte, spürte ich ebenso wenig Wärme wie in der, die Johannes abbekam. Noch war dies allerdings nicht mehr als ein nebulöses Gefühl, und ich beschloss, weder Johannes damit zu beunruhigen, dass ich ihm davon erzählte, noch die Wiedersehensfreude zu stören, indem ich Torben oder Angelika darauf ansprach. Als allerdings abends Torben und ich miteinander im Bett lagen und ich mich an ihn kuschelte, in der Hoffnung, er sei zu etwas Sex zu überreden, nachdem ich ja nun drei Wochen ohne hatte auskommen müssen, da wurde es klar, es war wirklich etwas los. Er ließ sich zwar darauf ein, er vögelte mich; aber es war nicht mehr als das, als Vögeln. Es war mechanischer Sex, es war keine Liebe darin, und es war auch ebenso schnell wieder vorbei, wie es angefangen hatte. Nun hatte es mich an Torben schon immer gestört, dass der Sex mit ihm immer viel zu schnell wieder vorbei war, weil er nicht viel von Vorspiel und Nachspiel hielt, aber so kurz war ich es nun doch nicht gewohnt. In den nächsten Tagen beobachtete ich ihn aufmerksam und fand immer mehr Anzeichen dafür, dass er sich verändert hatte. Es musste im Urlaub etwas geschehen sein, das ihn mir entfremdete – und das konnte ja eigentlich nur ein Fremdgehen gewesen sein. Ein Urlaubsflirt – oder mehr.

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Auf einmal ertappte ich Torben auch sehr häufig beim Telefonieren mit seinem Handy; wobei er das Telefongespräch jedes Mal hastig beendete, wenn ich ins Zimmer kam. Die Vermutung lag nahe, er hatte seine Geliebte aus dem Urlaub angerufen. Ob die beiden wohl Telefonsex miteinander machten, überlegte ich mir? Noch viel drängender war aber die Frage, wer denn die betreffende Unbekannte mit dem Seitensprung war. Einige Tage später hielt ich die Ungewissheit nicht mehr aus. Ich griff mir sein Handy, als Torben duschen war, und ging die Telefonliste ebenso wie die Anrufliste durch. Die Nummer, die in beiden Listen ständig auftauchte, war mir auf den ersten Blick nicht geläufig; in Zeiten des elektronischen Telefonbuchs merkt man sich ja keine Telefonnummern mehr. Vor allem nicht, wenn es eine Handynummer ist. Es gab nur eine Möglichkeit herauszufinden, welche Frau am anderen Ende steckte. Damit sie nicht die vertraute Nummer sah, ihn darauf ansprach und mein Hinterherschnüffeln am Ende aufflog, schrieb ich mir die Nummer auf, nahm mein eigenes Handy, unterdrückte die Nummern-Kennung und rief an. Das Wasser der Dusche rauschte zum Glück noch immer. Ein atemloses „Ja?“ war das erste, was ich zu hören bekam. Es traf mich bis ins Mark, denn diese weibliche Stimme kannte ich nur zu gut. Es hätte der ungeduldigen Nachfrage, wer denn da bitte dran sei, als ich natürlich kein Wort sagte, nicht bedurft, um mir zu verraten, es war Angelika.

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03. September 2008

Sex in der Schwimmhalle

Obwohl sie es sich so fest vorgenommen hatte, an diesem Tag garantiert nicht schwimmen zu gehen, und auf jeden Fall wenn dann ganz bestimmt nicht zu der Zeit, zu der sie sonst immer im Hallenbad auftaucht – sie kann einfach nicht anders. Es ist wie ein Zwang, als sie morgens nach dem Aufstehen, als der Haushalt erledigt ist und sie noch viele Stunden Zeit hat, bis sie nachmittags bei ihrem Teilzeitjob sein muss, in den Badeanzug schlüpft, einen legeren Pulli und eine alte Jeans anzieht, ihre Schwimmtasche packt und sich ins Auto setzt, Richtung Schwimmbad. Man hätte sie schon festbinden und auf dem Stuhl fesseln müssen, um das zu verhindern. Und das liegt nicht etwa daran, dass sie jetzt seit vielen Monaten regelmäßig an diesem Wochentag um diese Uhrzeit eine halbe Stunde im Schwimmbad trainiert. Es liegt eher an etwas anderem …

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Ob er heute auch wieder da sein wird, dieser attraktive Fremde, den sie jetzt schon zweimal gesehen hat, und der bereits zum ersten Seitensprung in ihrer Ehe geführt hat, wenn auch nur in Gedanken? Obwohl sie doch sonst eine so treue, brave Ehefrau ist … Sein straffer, muskulöser Körper, sein strahlendes Lächeln beim letzten Mal – sie wird total nervös und ihre Hände zittern, wenn sie daran denkt. Mühsam muss sie sich auf den Straßenverkehr konzentrieren. Sie will ja schließlich keinen Unfall bauen, sondern ihn wiedersehen. Und wenn sie irgendwo festhängt, weil sie mit einem anderen Auto zusammengestoßen ist, verpasst sie ihn bestimmt und muss mindestens eine Woche warten, bevor sie wieder die Chance hat, ihn zu treffen. Merkwürdig – am Abend zuvor war sie noch der Meinung, das Fremdgehen in Gedanken beim Onanieren sei schlimm genug. Fest entschlossen war sie, es nicht mehr darauf anzulegen, ihn zu treffen. Sich nicht weiter in Versuchung führen zu lassen. Nicht dass am Ende noch ein echter Seitensprung die Folge ist … Aber das ist jetzt alles wie weggeblasen. Die Erinnerung daran, wie feucht, wie erregt sie war, als sie es sich selbst besorgt hat, dabei mit den Gedanken bei dem Fremden war, weckt keine Scham in ihr, sondern nur die Gier, das möglichst bald zu wiederholen. Und zwar am besten nicht bloß in der Fantasie, sondern in der Realität.

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Verdammt, das ist ihm noch nie passiert! Er hat schon oft wie viele andere Männer darüber gelästert, dass Frauen so schlecht einparken können. Und jetzt ist es ihm selbst passiert; er hat beim Einparken zum Glück kein anderes Auto gerammt, sondern nur eine Absperrung aus Metall. Die hat den Aufprall unbeschadet überstanden; sein Auto nicht. Aber darum wird er sich später kümmern. Sehr groß ist der Schaden nicht, und überhaupt ist ihm das jetzt im Augenblick herzlich egal. Jetzt muss er sich erst einmal sputen. Er holt die Schwimmtasche vom Rücksitz und sprintet auf den Eingang des Schwimmbades zu. Er ist verdammt spät dran heute. Seine Frau hat darauf bestanden, dass er noch einkaufen geht, weil er wegen seines Schichtdienstes ja tagsüber Zeit hat. Sie hätte die Zeit ebenfalls; wenn sie sie nicht beim Fremdgehen mit ihrem Liebhaber verbringen würde … Aber seit er beschlossen hat, dass auch er jetzt zielsicher und unaufhaltsam auf einen Seitensprung zusteuert, ist er seiner Frau gegenüber milder geworden. Deshalb hat er auch ohne große Diskussion nachgegeben und hat das Einkaufen erledigt, als er von der Schicht kam. Bloß ist er dadurch jetzt natürlich erheblich später am Schwimmbad als in den letzten beiden Wochen, wo er sie getroffen hat, die schöne, aufregend sinnliche Unbekannte, die er heute ansprechen und um ein Treffen privat bitten wird. Dazu ist er jedenfalls fest entschlossen, denn sie geht ihm ohnehin nicht mehr aus dem Kopf. Sein Herz klopft wie verrückt, wenn er daran denkt. Aber er wird es tun, er wird auf sie zugehen. Er wird sie heute nicht einfach wieder gehen lassen. Falls er sie nicht überhaupt schon verpasst hat, falls sie ihr Schwimmtraining nicht schon beendet hat und wieder verschwunden ist! Noch ein bisschen mehr beschleunigt er seine Schritte.

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Sofort als sie die Schwimmhalle betritt sieht sie sich suchend um. Die letzten Male, in den letzten beiden Wochen, war er immer schon da, wenn sie kam, der gut aussehende Fremde, an den sie ständig denken muss. Doch heute ist er nirgendwo zu sehen. Niedergeschlagenheit ballt sich schwer und bitter in ihrer Magengrube zusammen. Andererseits, sie ist heute ein wenig früher gekommen als sonst, und sie weiß ja nicht, wie lange er bisher immer schon da war, bevor sie aufgetaucht ist. Vielleicht ist er jeweils erst ganz kurz vor ihr eingetroffen, vielleicht kommt er ja noch? Hoffnung beflügelt sie. Sie schwimmt besser als sonst, mit kräftigeren Stößen. Jedes Mal, wenn sie an einem Ende der Bahn ankommt, sucht sie nach ihm, und auch während des Schwimmens schweifen ihre Augen durch die gesamte Halle. Wie üblich sind nicht viele da; tagsüber kann ja schließlich kaum jemand schwimmen gehen. Sie kann ihn unmöglich übersehen. Falls er kommt. Doch noch immer erblickt sie ihn nicht. Ob er heute nicht schwimmen geht? Sie schwankt zwischen Erleichterung und Enttäuschung. Einerseits wäre es ja besser, wenn er nicht kommt. Dann kann sie auch keine Dummheiten machen, ihn womöglich gar ansprechen oder so etwas. Dann schafft sie es, ihrem Mann treu zu bleiben. Gut, sicherlich wird sie sich noch ein paar Male in ihrer Fantasie erotische Abenteuer mit diesem schönen Unbekannten vorstellen; aber irgendwann wird die Erinnerung verblassen und sie kann ihn vergessen. Und das wäre doch gut, oder? Nein, es gelingt ihr nicht, sich selbst davon zu überzeugen, dass ihr Leben ohne diesen Fremden soviel ruhiger und angenehmer wäre.

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Sie wünscht ihn sich herbei. Und sie wünscht sich genau die Versuchung zum Seitensprung herbei, von dem ihr Verstand ihr abrät. Mit dem festen Willen, sich ihr zu ergeben. Doch anscheinend wird er heute nicht kommen. Auf einmal ist ihr jede Lust aufs Schwimmen vergangen, obwohl sie sonst immer eisern eine halbe Stunde durchhält. Sie will nach Hause. Doch halt – vielleicht ist der Fremde ja doch da? Womöglich ist er wie beim letzten Mal unter dem Solarium? Rasch schwimmt sie an den Rand, zieht sich hoch, will aus dem Wasser, um zur Treppe zu laufen, die nach oben zum Solarium führt. In dem Augenblick, in dem sie sich aus dem Becken herausschwingen will, macht sie vor Ungeduld eine falsche, ungeschickte Bewegung, ihr eleganter Aufschwung misslingt kläglich. „Darf ich Ihnen helfen?„, sagt da auf einmal eine Stimme, ungeheuer vertraut, obwohl sie sie bisher erst einmal gehört hat, und zwei kräftige Hände packen sie an den Schultern, ziehen sie aus dem Wasser, zuverlässig und sicher.

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