„Erzählen Sie mir mehr über Ihre Kollegin„, begann er. „Wie gut kannten Sie sie? Was wissen Sie über sie?“
„Sie sprechen von ihr, als ob sie tot wäre„, erwiderte sie böse. „Noch ist sie nur verschwunden. Ich bin sicher, sie taucht in ein paar Tagen unversehrt und munter wie ein Fisch im Wasser wieder auf. Dann stehen Sie ganz schön belämmert da, mit Ihrer Riesen-Polizeiaktion!“
„Wieso glauben Sie das?“ fragte er. „Ist sie schon öfter mal einfach für ein paar Tage untergetaucht?“
Sie erkannte, dass sie womöglich bereits zu viel gesagt hatte, ärgerte sich über sich selbst. „Nein. Das ist noch nie vorher vorgekommen. Aber es ist doch immerhin möglich, oder etwa nicht?“
Ihr aggressiver Tonfall veränderte nichts im Gesichtsausdruck des Polizisten, prallte einfach an ihm ab.
Sie schwieg; ihre Finger bewegten sich nervös am Henkel ihrer Kaffeetasse. Wenn er doch bloß bald wieder gehen würde!
Mit Gewalt musste sie sich zurückhalten, nicht betont unauffällig auf ihre elegante, schmale Armbanduhr zu schauen. An ihm war eine solche taktvolle Geste ganz bestimmt nichts als verschwendet.
Auf einmal löste er sich ruckartig von der Theke, machte zwei Schritte und stand nun direkt neben ihr.
Sie empfand es als drohend.
Erst recht, als er, recht grob, ihre Jacke beiseite zog und ganz offen ihre in der Korsage halb nackten Brüste betrachtete.
„Erzählen Sie mir nichts„, erklärte er hart. „Sie war eine Domina – oder ist eine Domina, falls Sie recht damit haben, dass sie wieder auftaucht -, und Sie sind eine Domina. Zwei private Dominas in einem ansonsten äußerst ehrenwerten Wohnhaus – und Sie wollen mir erzählen, dass Sie beide sich nicht näher kannten? Dass Sie nichts von ihr wissen, nicht einmal ahnen, wohin sie verschwunden sein könnte? Allein schon die Missbilligung der anderen Bewohner, die ich bei den Befragungen heute Morgen nur allzu deutlich gespürt habe, muss Sie beide doch zusammengeführt haben.“
Sie wand sich unter seinem Blick, wand sich noch mehr unter dem harten Griff an ihre Jacke, der ihre Brüste entblößte.
„Nun ja„, gab sie zu, „wie haben schon ab und an einmal miteinander geredet. Uns miteinander ausgetauscht, wie Kolleginnen das halt so untereinander machen. Auch Domina Kolleginnen!“
„Haben Sie auch über Ihre …“ – ein merkliches Zögern – „Gäste geredet? Über die Männer, die zu Ihnen kommen?“
Energisch riss sie sich los, stand auf, ging einen Schritt zurück und stand ihm nun gegenüber, zornbebend.
„Wie kommen Sie überhaupt dazu, mich anzufassen? Gehört das mittlerweile zu den Aufgaben eines Polizeibeamten, einer Domina bei einer Befragung auch handgreiflich näher zu kommen?“
Er lachte nur, zuckte ungerührt die Achseln. „Warum nicht? Wenn es uns in unserem Fall hilft?“
„Bilden Sie sich bloß nichts ein!„, zischte sie. „Einen Mann wie Sie würde ich ihm Traum nicht als Gast akzeptieren. Außerdem könnten Sie sich eine intensive Behandlung bei mir gar nicht leisten!“
„Wer sagt denn, dass ich als Ihr Sklave zu Ihnen kommen würde?„, sagte er, gefährlich leise, kam ihr dabei wieder näher. „Wer spricht davon, dass ich mich Ihrer Behandlung unterwerfen würde? Dass ich Ihre Behandlung auch nur wünsche?“
Er trat einen weiteren halben Schritt auf sie zu.
Nur unter Aufbietung aller Selbstbeherrschung gelang es ihr, nicht merkbar zusammenzuzucken.
Auf einmal spürte sie etwas in sich, das ihr ihre Ruhe noch mehr nahm als alles andere, was seit dem Klingeln vorhin in ihr vorgegangen war – und das war alles schon verwirrend, aufwühlend, beunruhigend intensiv gewesen. Sie spürte – ja, wenigstens sich selbst gegenüber konnte sie es ruhig zugeben – eine erotische Faszination, die von diesem aufdringlichen, ungehobelten Beamten ausging, der jetzt so dicht neben ihr stand.
Sie fühlte sich, so sehr sie sich auch selbst dafür verfluchte, zu ihm hingezogen. Beinahe schmerzhaft stark.
In ihr wuchs der Wunsch, sich diesen Mann, ausgerechnet diesen harten, unbeugsamen, herrischen, überlegenen, arroganten Mann als Sklave zu Willen zu machen, ihn unter ihren Stiefeln zu fühlen oder ihn gefesselt am Pranger zu sehen, winselnd, flehend, jeglicher Disziplin, aller Kälte und Zurückhaltung beraubt, vollkommen in ihrem Bann, ihr hilflos ausgeliefert.
Es gab nur ein Problem – so unverschämt er auftrat, und so offensichtlich sein Wohlgefallen an ihren Brüsten war, er ließ nicht erkennen, dass er auch nur ansatzweise an ihr interessiert war.
Und schon gar nicht reizte sie ihn als Domina.
Wenn schon, das hatte er ja sehr deutlich gemacht, würde ihn allenfalls das Spiel herausfordern, umgekehrt sie sich zu unterwerfen, die dominante Frau zu bezwingen und unter seinen Willen zu zwingen.
Als seine Sklavin.
Sie, die Domina als Sklavin?
Gegen ihren Willen spürte sie zwischen ihren Schenkeln Hitze aufsteigen, wenn sie daran dachte, wie faszinierend ein solcher Machtkampf, ein solches Machtspiel mit einem solchen Mann wäre.
Mit einem Mann, der gut aussah, sich dessen aber überhaupt nicht bewusst zu sein schien. Mit einem Mann, der ihr bisher nichts als kalte Gleichgültigkeit, ja, fast sogar Verachtung gezeigt hatte.
Mit einem Mann, der garantiert Hohn lachend auf die Unterstellung reagieren würde, er sei devot.
Einen solchen Mann zu erobern, sich einen solchen Mann zu unterwerfen, statt ihm zu Füßen zu liegen – es musste das Aufregendste sein, was eine dominante Frau überhaupt jemals erleben konnte.
„Nun, wie ist es jetzt?“ sagte er so leise, es war fast ein Flüstern, ganz dicht an ihrem Ohr, denn er hatte sich vorgebeugt.
Verwirrt sah sie zu ihm auf, fing sich in dem unergründlichen Blick seiner blauen Augen, so kalt, und doch so blitzend und lebendig.
„Ich verstehe nicht„, stammelte sie, ungehalten über ihre eigene unübersehbare Unsicherheit. „Wie ist was?“
Sie erwartete eine weitere Frage über ihre vor drei Tagen verschwundene Kollegin, erwartete, dass er erneut nach Informationen bohrte.
„Wie ist es mit uns beiden?„, fragte er stattdessen.