Endlich sind wir alleine, David und ich. Der Arbeitstag schien heute kein Ende nehmen zu wollen. Unterwegs haben wir noch schnell Take-away besorgt beim Chinesen, und jetzt decke ich in meiner wenig benutzten Küche den Tisch.
David untersucht derweil im Wohnzimmer meinen CD-Stapel daraufhin, ob er etwas passendes findet. Bald höre ich die ersten Klänge von „Last days of the Century“. Al Stewart ist nicht unbedingt das, was ich mir für jetzt ausgesucht hätte, aber natürlich mag ich die Musik, sonst hätte ich die CD davon nicht. Jedenfalls begeistert mich diese unerwartet romantische Wahl.
Pünktlich als alles dasteht – einschließlich Servietten zur Feier des Tages, obwohl ich sonst nicht so vornehm bin – schlendert David in die Küche. Er sieht ziemlich müde aus; kein Wunder – in der Nacht zuvor haben wir beide nur wenig geschlafen, und dank der schlechten Laune unseres Chefs war es in der Firma heute nicht gerade unanstrengend.
„Hast du eigentlich Lust, morgen mit mir zusammen einkaufen zu gehen?“ frage ich beiläufig. „Ich nehme an, du meinst damit nicht Milch und Brot und so etwas, oder?“ kommt die Gegenfrage.
„Nein, nicht direkt,“ antworte ich lachend. „Eher ein paar für ganz andere Dinge notwendige Utensilien in einem kleinen, ganz süßen Shop in der Fußgängerzone.“
Es ist nicht zu fassen – David wird tatsächlich rot!
Schon beim Essen fallen ihm dann beinahe die Augen zu. Mit einem erotischen Abend wird es wohl heute nichts, stelle ich liebevoll und überhaupt nicht enttäuscht fest.
Wir räumen zusammen auf. „David, wir sind beide ziemlich erledigt,“ taste ich mich dann vorsichtig an das kleine Problem der Müdigkeit heran, das dem eigentlich geplanten Ablauf des Abends entgegensteht. „Was hältst du davon, wenn wir uns einfach den Freitags-Krimi zu Gemüte führen und alles andere auf morgen verschieben?“
Er läßt das Geschirrtuch sinken. „Das ist schon das zweite Mal, daß ich zu erschöpft bin für das, was ich am liebsten tun möchte, und dabei sind wir noch nicht einmal eine Woche zusammen. Du mußt ja denken, mit mir ist überhaupt nichts anzufangen!“
„Im Gegensatz zu Männern denken Frauen ja nicht nur an das eine,“ erwidere ich scherzhaft, aber er geht darauf nicht ein. Es scheint ihm wirklich etwas auszumachen, daß er nicht konstant in Stimmung ist. In dem Punkt sind Männer ja manchmal etwas seltsam. Ich nehme ihm das Tuch aus der Hand und ziehe ihn an mich. „David, es war eine furchtbar stressige Woche, und krank warst du auch; ganz auskuriert ist deine Grippe außerdem sicher noch nicht. Es ist wunderschön, daß du da bist, egal, in welchem Zustand.“
Sehr zu beruhigen scheint ihn das nicht. Es nervt mich ein wenig, daß seine Leistungsfähigkeit ihm so wichtig ist. Hinkriegen würden wir sicher etwas; soviel traue ich mir dann doch schon zu. Aber es muß ja nicht sein. Ein gemütlicher Fernsehabend ist ja schließlich nicht das schlechteste. Mir liegt auf der Zunge zu erklären, daß ich keinen Deckhengst brauche, sondern einen Partner. Doch selbst mir ist klar, daß ihn eine solche Bemerkung verletzen würde. Also verschlucke ich sie.
Und ich jedenfalls fühle mich sehr wohl, nachdem wir den Fernseher ins Schlafzimmer geschleppt und uns im Bett aneinandergekuschelt haben. Nur Davids kleine Mißstimmung bedrückt mich.
Als fünf Minuten in den Krimi hinein die kleine, schüchterne, unscheinbare Schwester des Opfers das erste Mal auftaucht, identifiziere ich sie sofort als den Mörder. David widerspricht mir heftig und tippt auf den großen, blonden, arroganten Typen mit seiner Vorliebe für schicke Autos und schicke Frauen. Natürlich habe ich recht, aber David bekommt es nicht mehr mit – er ist schon lange vor Ende des Films eingeschlafen.
Ich stelle den Fernseher aus und versuche das gleiche.
Morgens werde ich von einem sachten Kuß auf die Stirn geweckt. David steht – völlig so, wie Gott ihn geschaffen hat – neben dem Bett, eine Tasse Tee für mich in der Hand. Und ist ganz unübersehbar wieder vollkommen Herr seiner Männlichkeit. Für mich ist allerdings der frühe Morgen kein allzu günstiger Zeitpunkt; ich muß erst einmal richtig wach werden. Und auch wenn ich in der Woche sehr schnell in meinem Alltagstrott bin – am Wochenende gestatte ich es mir schon, zunächst einmal ein Morgenmuffel zu sein. Maulend drehe ich mich zur Seite und ziehe die Decke über den Kopf.
Durch sie hindurch beginnt David, meinen Rücken zu streicheln. „Soll ich uns Brötchen besorgen?“ fragt er. Ich brumme meine Zustimmung.
Eine Viertelstunde später ist er zurück – ich habe mich inzwischen einigermaßen an den Zustand des Wachseins gewöhnt -, mit Brötchen und einer Rose. Er ist dabei so stolz auf sich wegen dieser Geste, daß ich nicht umhin kann, ein wenig dazwischenzufahren. „Bringst du mir in einem Jahr auch noch samstags immer eine Rose mit?“
Ist schon eine ziemlich dämliche Bemerkung; das gebe ich zu; ein einfaches errötend gehauchtes „danke“ hätte es auch getan. Aber wer weiß, wozu es gut ist, daß ich sie in die Arena geworfen habe.
David zögert. „Ja, weißt du,“ sagt er dann gedehnt. „Wir wissen ja gar nicht, was heute in einem Jahr ist.“
Genau das habe ich erwartet. Er ist ja schon insofern ein Sonderexemplar, als er sich wenigstens für den Augenblick binden kann. Daß er gleich an eine so lange Bindung denkt, kann man von einem Mann wohl wirklich nicht erwarten.
Meine Laune ist dahin.
Er scheint es nicht zu spüren, geht hinaus und kommt kurz darauf mit einem Tablett zurück.
„Um noch einmal auf deine Frage von vorhin zurückzukommen,“ erklärt er scheinbar leichthin, während er das Tablett so arrangiert, daß ich alles erreichen kann, und sich dann im Schneidersitz vor dem Bett niederläßt, „eigentlich hoffe ich ja, daß es in einem Jahr die Rosen im Garten gibt. Dann brauche ich nicht mehr extra loszulaufen, sondern wir frühstücken einfach auf der Terrasse. Mir wäre das erheblich lieber, denn dann muß ich nicht einmal die paar Minuten von dir getrennt sein.“
Ich bin sprachlos.
Das kommt bei mir nicht allzu oft vor.
Endlich habe ich meine Fassung wiedergewonnen. David grinst mich an, als wisse er ganz genau, was in den letzten Minuten alles in meinem Kopf vorgegangen ist. „Na warte,“ drohe ich, und klettere aus dem Bett, über das Tablett hinweg, das dabei gefährlich ins Rutschen gerät. Was mir im Moment völlig egal ist.
Ich stürze mich auf ihn, und er verliert das Gleichgewicht. Mit Lippen, Zunge und Zähnen bearbeite ich seinen Hals, bis er um Gnade bettelt. Auf die Unterarme gestützt, strahle ich ihn an. „Ich könnte mir überlegen, diesen Teil von dir in Ruhe zu lassen, wenn du mir vielleicht ein paar andere Stellen frei machst. Warum hast du dich überhaupt angezogen?“ Sein Lachen überträgt sich unmittelbar auf meinen Körper. „Ich fürchte, beim Bäcker wäre man nicht so begeistert gewesen, wenn ich ohne Klamotten dort aufgetaucht wäre!“ „Und im Blumenladen?“ kann ich mir nicht verkneifen nachzuhaken.
„Oh, die junge Dame dort wäre sicher begeistert gewesen,“ antwortet David. Mit einem spielerischen Wutschrei beiße ich mich in seinem Ohrläppchen fest. Er stöhnt auf und ergänzt: „Aber ich bin ja bereits vergeben!“