20. August 2008

Fetisch Roman – Kapitel 32 – Seitensprung – Sichtweise Antje

Ich bin gerade eingeschlafen – und lange genug hat es gedauert, bis es soweit war -, als das Telefon klingelt. Mit den allerfreundlichsten Gedanken grabsche ich nach dem Hörer und melde mich mit einem liebenswürdigen: „Was soll das, verdammt nochmal?

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Zuerst herrscht Stille. Schon will ich das Ding wieder aufknallen, da meldet sich jemand mit „ich bin’s.“ Das liebe ich besonders – Ratespiele zu nachtschlafender Zeit!

Natürlich weiß ich, wer es ist; dieser ausgemachte Vollidiot, der mir erst etwas von zusammenziehen erzählt hat und kurz darauf ohne ein Wort in der Versenkung verschwunden ist. „Ach, sieh an,“ spotte ich. „Ich dachte schon, dich gibt’s gar nicht mehr.“ Oh, Mist; warum muß ich ihm bloß den Rückweg so schwer machen?

Aber wer sagt mir denn, daß er wirklich den Rückweg sucht? Vielleicht will er mir ja auch den endgültigen Abschied geben, und da ist es schon besser, ich lasse ihn gar nicht erst an mich herankommen.

Antje, ich muß Dir etwas beichten,“ erklärt David. „Hat das nicht bis morgen Zeit?“ frage ich. Zugegeben – eine ziemlich dämliche Antwort. „Wenn du meinst,“ erwidert er patzig. „Ich melde mich dann ein andermal.

Halt,“ rufe ich, plötzlich ganz wach. „Bitte entschuldige, David. Was ist denn los?

Ich habe mit Susanne geschlafen,“ kommt es daraufhin. Erst denke ich, ich habe mich verhört, gehe die Worte dieses Satzes in Gedanken wieder und wieder durch. Aber sie wollen partout keinen anderen Sinn ergeben.

Antje, bist du noch da?“ fragt David leise. Erst daran merke ich, wie lange ich geschwiegen habe. Langsam dringt die Realität mit ihren scharfen Spitzen durch die Watte meines verständnislosen Schocks hindurch. „Hoffentlich hat’s dir wenigstens Spaß gemacht,“ bemerke ich giftig. David holt tief Luft. „Antje, bitte!“ „Bitte was?“ rege ich mich auf. „Bitte mach mir keine Szene? Bitte sei lieb und akzeptiere es einfach? Du teilst mir mit, du hast mit meiner Freundin geschlafen, und ich soll dann einfach die Klappe halten, oder wie hattest du dir das gedacht?

Nein – du hast jedes Recht der Welt auf mich sauer zu sein,“ räumt David ein.

So, habe ich das,“ erwidere ich böse. „Nett von dir, daß du das einsiehst! Und was gedenkst du, jetzt zu tun? Und was erwartest du, das ich tun soll? Dir großzügig verzeihen und so tun, als sei nichts gewesen?

Antje, laß uns morgen weiter darüber reden,“ bittet David.

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Das bringt mich nun vollends zum Ausflippen. Erst läßt er ein paar Tage lang nichts von sich hören, dann ruft er mich an, mitten in der Nacht, um mir dieses Geständnis zu machen, und schon zieht er sich flugs wieder zurück, damit ich schön in meinem eigenen Saft schmoren und zum x-ten Male seinetwegen eine fast schlaflose Nacht verbringen kann.

Nee, so nicht, mein Lieber!

Ich denke nicht daran,“ brülle ich. „Entweder wir reden jetzt darüber, oder es gibt zwischen uns beiden überhaupt nichts mehr zu bereden!

Keine Antwort; und dann höre ich das Besetztzeichen. David hat es tatsächlich fertiggebracht aufzulegen.

Ich stürze aus dem Bett, schmeiße mir kaltes Wasser ins Gesicht. Mit Gewalt verdränge ich das Schluchzen, das in meiner Kehle unten kratzt und kitzelt und nach draußen will, und male mir statt dessen lieber aus, was ich mit diesem elenden Arschgesicht anfangen würde, wenn er den Mut hätte, hier aufzutauchen.

Er hat ihn. Den Mut, meine ich; eine Viertelstunde später meldet die Türglocke einen Besucher.

Kurz bin ich versucht, sie einfach zu überhören und David draußen stehen zu lassen. Aber ich bin zu froh über diesen Beweis, daß ihm noch etwas an mir liegt, um das fertigzubringen.

Ich ertappe mich allen Ernstes dabei, daß ich überlege, was ich noch schnell überwerfen kann, um einigermaßen präsentabel zu sein, bevor ich zur Tür renne. Und öffne dann entschlossen in meinem knallroten Bigshirt mit dem grellbunten Papageien-Aufdruck.

David ist das Abbild zerknirschter Reue. Wenn ich nicht so wütend wäre, müßte ich lachen.

Fieberhaft überlege ich, was ich sage. Ich muß mich innerhalb von Sekunden entscheiden, wie ich auf den Seitensprung und Davids Auftauchen reagiere, denn mein erster Satz wird entscheidend sein nicht nur in dieser Sache, sondern weit darüber hinaus.

Kühl mustere ich ihn von oben bis unten. „Du bist gekommen, um dich persönlich zu entschuldigen. Schön – dann tue es.

Einen Moment lang wirkt David verwirrt, dann versteht er. Mitten in der noch offenstehenden Wohnungstür kniet er nieder. „Ich bitte um Vergebung Herrin, obwohl ich weiß, daß meine Tat keine Vergebung verdient. Ich bin bereit, dafür jede Strafe auf mich zu nehmen, die Sie verhängen.

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Noch nicht ganz das wahre, aber für den Anfang nicht schlecht. Verzichten wir heute auf die Formulierung laut Sklavenhandbuch und den demütigen Stiefelkuß; zumal ich ganz unromantische dicke Wollsocken trage. Und jetzt sprühen in meinem Gehirn die Funken, als die Denkräder sich drehen.

Du wirst eine ganze Woche lang den Schmuckring tragen, den nur ich mit dem Imbus-Schlüssel öffnen kann,“ verkünde ich. „Zusätzlich gibt es jeden Abend ein paar Hiebe mit der Gerte; die Anzahl richtet sich allein nach meiner Stimmung. Und am Ende dieser Woche wird die Strafe in etwas ihren Abschluß finden, über das ich dich zu gegebener Zeit informieren werde.

Ich danke Ihnen, Herrin,“ murmelt David.

Es ist das geschickteste, was er jetzt sagen kann. Widerspruch oder eine Diskussion wären nicht sonderlich geeignet, mich zu besänftigen. Im Treppenhaus sind Stimmen zu hören. Schnell ziehe ich David hoch und schließe die Tür.

Dabei kommen wir uns so nahe, daß sein Atem meine Wange streift und sein Duft aus Seife, Zitrone und dem undefinierbaren David-Etwas mich überwältigt. „Antje, es tut mir so leid,“ flüstert David. Ich hebe die Hand und lege sie gegen seine Wange. Er schmiegt sich dagegen, und in dieser Bewegung liegt unendlich viel, liegt sein ganzes Wesen.

Wir werden einander nie ganz gehören. Wir werden noch viele, viele Fehler machen wie diesen; beide. Wir werden uns gegenseitig weh tun, uns auf die Nerven gehen, es schwer haben miteinander, uns streiten.

Aber was macht das schon. Nichts kann so schlimm sein, wie ohne den anderen sein zu müssen. So empfinde ich es, und das erste Mal, seit wir zusammen sind, spüre ich ganz deutlich, daß auch David es so empfindet.

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