In meiner Zeit als Studentin lebte ich etwa zwei Jahre lang zusammen mit einer Kommilitonin, meiner Freundin Margit, in einem winzigen Hexenhäuschen ganz nahe an der Uni. Aufgetrieben hatte diese ebenso romantische wie von der Lage her praktische Wohngelegenheit Margit. Aus dieser Tatsache hatte sie auch sofort das Recht hergeleitet, sich das vordere, größere, hellere Zimmer mit Unterkellerung zu reservieren, während ich mit dem dunklen, nicht unterkellerten Hinterzimmer vorlieb nehmen musste, das sich im Winter regelmäßig in eine Eishöhle und im Sommer in einen Brutofen verwandelte.
Das hintere Zimmer hatte nur einen einzigen Vorteil: das Klo – kein Indoor-Klo, oh nein, sondern ein richtiges Klo über den Hof wie zu früheren Zeiten! – war etwas näher, denn es befand sich direkt neben der Tür, durch die ich auf den winzigen Beton-Hinterhof hinaustreten konnte. Margit hatte da einen etwas längeren Weg; sie musste durch die winzige Küche, wo in der Ecke eine ebenso winzige Dusche untergebracht war, in der man kaum stehen konnte, auf den Hof treten und hatte dann noch etliche Schritte vor sich, bevor sie die Tür mit dem Herzchen in der Mitte öffnen konnte, die dieses Außenklo tatsächlich besaß. Ihr könnt euch sicher vorstellen, wie kalt es auf diesem Klo im Winter war. Wie selbstverständlich sich Margit bei der Zimmerzuweisung die Rosine heraus pickte und mir den Mist überließ, das hätte mich gleich misstrauisch machen sollen. Dann war da noch die Sache mit unserer Einweihungsparty. Wir hatten insgesamt 20 Leute eingeladen, die allesamt kaum in der Wohnung Platz hatten; und der graue Hinterhof nahm auch nicht allzu viele Personen auf. Die meisten der Gästeschar waren von Margit eingeladen worden; von mir stammte lediglich ein Beitrag von fünf Personen. Obwohl also der Hauptanteil der Party bei ihr lag, beteiligte ich mich zu gleichen Anteilen an den Vorbereitungen; und selbstverständlich auch den Kosten. Und dann brach sie in der Nacht der Party auch noch kurz nach Mitternacht mit zweien ihrer Freundinnen auf und hinterließ mir erstens ihre restlichen Gäste, die zum Teil bis zum nächsten Morgen blieben, und zum anderen die gesamten Aufräumarbeiten alleine. Das war ein noch deutlicheres Zeichen, dass Margit eine absolut egoistische Person ist, die immer nur an den eigenen Vorteil denkt und auch keine Skrupel hat, den gegen alle anderen durchzusetzen.
Den letzten Beweis dafür bekam ich allerdings bei anderer Gelegenheit. Ich hatte mich in einen Mann verliebt, der erheblich älter war als ich. Kennengelernt hatte ich ihn ganz zufällig in der Straßenbahn, wo wir bei einer rasanten Kurve aufeinander geprallt waren. Beim Aussteigen an derselben Station lud er mich zu einem Kaffee ein, und daraus wurde sehr schnell mehr. Gegenüber meinen 21 war er mit seinen 39 schon richtig reif und erfahren, aber gerade das gefiel mir ja so an ihm. In unserer Anfangszeit, als wir gerade erst zusammengefunden hatten, verriet ich kein Wort darüber, dass ich verliebt war, auch wenn Margit sofort etwas bemerkte und kräftig bohrte. Doch irgendwann war es soweit; ich war mir sicher, wir waren ein Paar, und danach begann ich nacheinander auch allen meinen Freunden von Florian zu erzählen. Margits Reaktion auf diese Nachricht überraschte mich. Vielleicht war es zu viel verlangt gewesen, davon auszugehen, dass sie sich mit mir freuen würde. Ganz sicher hatte ich aber nicht damit gerechnet, dass sie ihren Mund zusammen kniff und mir mit einer missbilligenden Stimme wie eine altkluge Jungfer auseinandersetzte, dass solche Beziehungen zwischen einer jungen Frau – fast noch einem jungen Mädchen – und einem wesentlich älteren Mann nur selten von Dauer sind. Das ist natürlich das Allerletzte, was eine frisch verliebte junge Studentin hören will, die gerade an die große Liebe für die Ewigkeit glaubt. Obwohl ich mich Margit gegenüber nach diesem Vorfall mit Berichten über Florian sehr zurück hielt, rutschte mir doch auch in den kommenden Wochen das eine oder andere heraus, und dabei versäumte Margit es nie, mir die Stimmung mit ihren Unkenrufen zu vermiesen. Je mehr sie über Florian erfuhr, desto mehr begann sie auch, ihn schlechtzureden; dabei kannte sie ihn gar nicht. Verständlicherweise zögerte ich es unter diesen Umständen solange wie möglich heraus, die beiden einander vorzustellen. Aber irgendwann ließ es sich einfach nicht mehr vermeiden; Florian hatte schon ganz erstaunt nachgefragt, warum ich ihn nie mit in meine Studentenbude nahm und meiner Mitbewohnerin vorstellte, sondern wir uns immer bei ihm trafen. Also brachte ich Florian irgendwann mit, trotz meiner massiven Bedenken. Ich hatte schlimmste Befürchtungen, was dieses Treffen anging, doch die sollten sich sämtlich nicht bewahrheiten.
Margit hatte sich extra hübsch gemacht und spielte die Hausfrau. Die perfekte Hausfrau, die einen Kuchen gebacken und Kaffee gekocht hatte. Was mir unangenehm auffiel war lediglich, dass das kaffeetrinken in ihrem Zimmer stattfinden sollte, weil es da doch „viel schöner und heller war„. Damit hatte sie zwar recht; dennoch fand ich das unpassend. Die Küche hätte es auch getan, so klein sie auch war. An unserem winzigen Klapptisch dort konnten notfalls durchaus drei sitzen; und ansonsten wäre mein Zimmer ja wohl angemessener gewesen. Aber ich freute mich so sehr über Margits Freundlichkeit, dass ich die Sache auf sich beruhen ließ und nichts sagte. Ich sagte auch nichts, als sie sofort ganz offen mit Florian zu flirten begann. Sie fuhr ihm immer mal wieder mit den Fingerspitzen über die Oberschenkel, lachte kokett, schüttelte ihre prächtigen blonden Locken und stellte ihre nicht allzu großen, aber festen Titten zur Schau. Ohne dass es mir etwas ausmachte. Im Gegenteil freute ich mich sogar darüber, dass sie ganz offensichtlich ihre Bedenken ihm gegenüber anzulegen begonnen hatte. Dann würde ich in Zukunft wohl hoffentlich von weiterem Schlechtmachen über Florians Person und unsere Beziehung verschont bleiben, so hoffte ich.
Doch das war leider nicht der Fall. Kaum war Florian am nächsten Tag – er hatte bei mir übernachtet – wieder fort, schon fiel Margit verbal erneut über ihn her und ließ kein gutes Haar an ihm. Schüchtern versuchte ich sie darauf aufmerksam zu machen, dass sie sich doch eigentlich mit ihm recht gut verstanden hätte, doch das wollte sie nicht gelten lassen, sondern stellte es als reine Höflichkeitsgeste von ihrer Seite aus hin. Ich beschloss, die beiden so schnell nicht wieder zusammen zu bringen. Das ergab sich ohnehin auch von selbst nicht, denn auf einmal waren beide total beschäftigt. Margit war in der Wohnung weit öfter abwesend als anwesend. Was mich eigentlich nicht einmal so sehr störte. Ich freute mich, dass nun auch sie einen Partner gefunden hatte, wie sie mir zart errötend gestand. So hatte ich wenigstens die Wohnung für mich allein; wenn ich auch dafür die ganze Hausarbeit alleine erledigen musste. Aber Studentinnen machen ja grundsätzlich nicht viel an Hausarbeit … Auch Florian hatte plötzlich so viel um die Ohren, dass wir uns nur noch selten trafen; und kaum noch eine gemeinsame Nacht miteinander verbrachten. Wogegen ich schon viel mehr einzuwenden hatte.