Als ich 19 war, bin ich mit meinem Freund nach Italien in Urlaub gefahren. Die Fahrt selbst und eigentlich auch der Urlaub auf einem Campingplatz haben mich jetzt nicht sonderlich beeindruckt. Mein damaliger Freund fuhr nämlich ein Motorrad; und zwar eines, was ausdrücklich fürs Gelände gemacht ist und nicht für die Straße. Und schon gar nicht für lange Fahrten. Die mehr als tausend Kilometer runter nach Italien haben mir echt den letzten Nerv geraubt. Ich konnte es nicht verstehen, wie mein Freund so lange das Sitzen auf der blöden Maschine durchhalten konnte; mir tat schon nach kurzer Zeit der Arsch weh, oder genauer gesagt, der Rücken vom Steißbein bis zu den Schultern, und Kopfschmerzen hatte ich auch von dem endlosen Gerüttel und Gedröhne. Man merkt sicher schon – ich bin alles andere als eine begeisterte Biker Braut. Und ich werde auch nie eine echte Motorradbraut werden.
Vielleicht ist das anders, wenn man die Maschine selbst fährt; das kann ich nicht beurteilen, denn ich habe keinen Motorradführerschein und auch wenig Lust, eine solche Höllenmaschine bändigen zu lernen. Als Sozia jedenfalls ist das Motorradfahren in meinen Augen ein Albtraum und sonst gar nichts. Ich hatte das vorher nicht gewusst, sonst hätte ich mich standhaft geweigert, für die Fahrt nach Italien die Biker Braut zu spielen und wäre mit dem Zug gefahren. Aber so lange waren wir beide noch nicht zusammen, und bisher hatte er mich immer nur auf kurze Strecken mitgenommen, das ließ sich einigermaßen aushalten. Ich hatte deshalb vorher keine Ahnung gehabt, was mit der großen Strecke auf mich zukam. Auf dieser Urlaubsfahrt war ich mit den Nerven fertig, noch lange, bevor wir in Italien angekommen waren, genauer gesagt in Florenz auf einem Campingplatz. Der natürlich prompt überfüllt war. Mein Freund, der sich weder davon hatte überzeugen lassen, dass man in der Sommerzeit auch den Platz auf einem Campingplatz sicherheitshalber vorher buchen sollte noch dass ein Übernachten in einer Pension, wenn man gut plante, auch nicht soviel teurer war als ein Campingplatz, war entsetzt.
Ich war es schließlich, die bei dem jungen Mann, der uns vor der Schranke zum Platz angehalten hatte und gleich zurückschicken wollte, all ihren Charme einsetzte und es so erreichte, dass wir wenigstens ein paar Nächte in einer der hintersten Ecken bleiben konnte – und sogar länger, falls bis dahin andere Feriengäste abreisen sollten und ihre Plätze noch nicht fest gebucht waren. Eigentlich war dieser Flirt mit dem jungen Mann – dem Sohn des Campingplatzbesitzers, wie sich später herausstellte – ursprünglich nur Mittel zum Zweck gewesen. Trotzdem und obwohl ich nach der langen Fahrt mit diesem niederschmetternden Ergebnis völlig genervt war hatte ich jedoch Gefallen daran gefunden. Die dunklen Augen des jungen Italieners hatten nun doch zu begehrlich und bewundernd gefunkelt; obwohl ich mich, als ich vom Motorrad stieg, bestimmt nicht von meiner vorteilhaftesten Seite zeigte. Ach, ihr wollt noch wissen, in welcher Sprache wir uns unterhielten und ob ich Italienisch kann? Nein, leider nicht; nur ein paar Brocken. Aber der junge Mann sprach zum Glück Deutsch und wir konnten uns wunderbar verständigen. Wobei die Kommunikation vorwiegend nonverbal lief; seine Blicke sagten mehr als seine Worte …
Und bei mir war es nicht anders, denn er gefiel mir wirklich gut. Anders als mein eher stämmiger Freund war er schlank und hatte so schmale Hüften, ich hatte das Gefühl, ich könnte sie mit meinen Händen vollständig umfassen. Seine Schultern waren dafür umso breiter. Und absolut faszinierend waren seine Schenkel, die in den hautengen Jeans wie herausgemeißelt aussehen. Wie er wohl nackt aussehen würde? Der Gedanke schoss mir unwillkürlich durch den Kopf. Mit einer so traumhaft männlichen Figur und dann womöglich auch noch zwischen den Beinen einigermaßen gut ausgestattet musste er für die ganzen jungen italienischen Girls ein echter Traum sein. Er kam mir schön wie eine der Männer Statuen vor, die ich mir vor der Abfahrt im Reiseführer angeschaut hatte. Wäre ich nicht gleich nach dem Flirt wieder dadurch abgelenkt gewesen, dass ich meinem Freund helfen musste, sein uraltes Zelt aufzubauen, das überhaupt nicht so wollte wie wir, ich hätte mich noch eine ganze Weile an diesem meinem ersten Urlaubsflirt erfreut. So aber ging der Ärger gleich weiter, obwohl die Motorradfahrt nun endlich vorbei war. Das Zelt stand trotz aller Anstrengung so schief, dass ich schlimmste Befürchtungen für seine Standfestigkeit hatte, der Boden war so uneben, dass ich durch den dünnen Zeltboden und die Campingmatte hindurch beim Probeliegen die Bodenwellen unter mir und sogar einzelne Steine spürte und so weiter. Es war alles unerfreulich hoch drei.
Noch dazu waren wir so spät angekommen, dass es sich nach dem Zeltaufbau kaum noch lohnte, ein erstes Mal in die Stadt zu gehen. So versuchte mein Freund sich am Campingkocher und unseren mageren Dosenvorräten, während ich schmollend im Zelt auf meinem Schlafsack saß, mein erst durch das Motorradfahren malträtierter Hintern nun gegen den unebenen Boden protestierend. Erst am nächsten Morgen, nach einer ausgiebigen Dusche, machten wir uns auf den Weg nach Florenz hinein, um dort zu frühstücken. Das Frühstück auf dem Campingplatz einzunehmen hatte ich mich geweigert; ich hatte schon kurz nach unserer Ankunft von all der Unbequemlichkeit genug. Meine Laune war nicht sehr gut, obwohl ich mich über diesen ersten Urlaubstag eigentlich hätte freuen müssen. Erst der freundliche Gruß des Italieners, der wieder vor seinem Häuschen an der Schranke saß, verbesserte meine Stimmung. Die meines Freundes hingegen verdüsterte sich, denn der Gruß war ganz eindeutig ausschließlich an mich gerichtet und nicht an uns beide.