19. September 2007

Fetisch Roman – Kapitel 13 – Murphy – Sichtweise Antje

Wenn man die Nacht nicht mit Schlafen verbracht hat, sondern vorwiegend mit anderen Dingen, kommt unweigerlich tagsüber der Zeitpunkt, an dem man dies bereut. Auch wenn diese Dinge noch so wunderschön waren. Jedenfalls ist es mir bisher immer so ergangen.

Heute jedoch ist es ganz anders.

Der weit mehr als zur Hälfte durchwachten Nacht folgt einer dieser Tage, an denen man bereits beim Anziehen merkt, daß Murphy’s Law aus dem Winterschlaf zurück ist und sich hämisch grinsend zum Dienst gemeldet hat.

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Der Reißverschluß meiner Jeans hat sich so verhakt, daß ich ihn nicht zukriege. Der Pullover hat einen Fleck. Und an den Schuhen löst sich die Sohle vom Oberteil. Noch ist das alles kein Beinbruch – ich muß ja ohnehin in meine Wohnung, um mich umzuziehen. Dort hat immerhin dann das vierte Paar Nylons, das ich anziehe, keine Laufmasche. Und als das Bügeleisen nach fünf Minuten noch keinen Ansatz zum Warmwerden zeigt, finde ich hinten im Schrank auch noch eine bereits gebügelte schwarze Bluse.

David hat sich während dieser ganzen Eskapaden in die Küche verzogen. Zuerst ärgert mich das ja fürchterlich, aber als ich fertig angezogen dort erscheine, sehe ich, daß er das Geschirr von Anfang der Woche gespült und ein wenig Ordnung geschaffen hat. Das stimmt mich so sentimental, daß mir doch glatt die Tränen kommen. Tröstend nimmt er mich in den Arm. „Wenn der Tag so anfängt, kann es nur besser werden,“ erklärt er.

Hart ziehe ich seinen Kopf herab für einen Kuß. Dabei bekommt mein Venushügel seinen steifen Schwanz zu spüren, und von einem winzig kleinen Punkt in meinem Bauch aus breitet sich sehr schnell der Steppenbrand in mir aus.

Wir sind beide atemlos, als ich mich kurz darauf wieder von ihm löse; wenn ich schon Enthaltsamkeit bis heute abend verlange, sollte ich ihn nicht zu sehr reizen. „David, du bist großartig,“ sage ich noch, dann machen wir uns gemeinsam auf in die Firma.

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Wir hören unser Musterbild von Chef, von Delten, schon brüllen, noch bevor wir ganz in der Tür sind. Als er mich entdeckt, bekomme ich zuerst einmal meinen Rüffel, weil ich nicht ganz so früh da bin wie sonst. Statt sich schnell und unauffällig aus dem Dunstkreis von Deltens Wut zu verziehen, bleibt David an meiner Seite und sagt in die erste Redepause hinein ganz ruhig: „Herr von Delten, es ist meine Schuld, daß Frau Wagner zu spät kommt. Mein Auto ist heute morgen nicht angesprungen und sie mußte mich abholen.“ Mir bleibt beinahe der Mund offenstehen; diese so mutig-ritterliche Seite von David macht mich ganz schwach.

Sofort geht von Delten auf ihn los. „Mit Ihnen habe ich auch noch ein Hühnchen zu rupfen, Herr Hallinger! Frau Keiser hat mich gerade angerufen und mir berichtet, daß Sie sich geweigert haben, mit ihr gestern noch über die zukünftige Kooperation unserer beiden Firmen zu sprechen. Ich hatte Ihnen doch extra Anweisung gegeben, sich um die Frau ganz besonders zu kümmern – und dann so etwas! Wo Sie genau wissen, wie viel mir an dieser Zusammenarbeit liegt! Das werden Sie schleunigst nachholen! Frau Keiser erwartet Sie im Hotel zum Frühstück.“

Nun mal langsam,“ widerspreche ich wütend. „Das einzige, was Herr Hallinger sich geweigert hat zu tun war, mit dieser Keiser ins Bett zu steigen. Und das gehört ja wohl auch nicht zu seinem Aufgabengebiet laut Arbeitsvertrag!“

Schnell wieder unterdrücktes Kichern ist um uns herum zu hören; denn natürlich haben alle in ihre Arbeit so fürchterlich konzentriert vertieften Kollegen die Ohren weit aufgesperrt und genießen die Szene.

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Von Delten sieht aus, als sei er einem Herzinfarkt nahe. „Was erlauben Sie sich,“ zischt er. Er will noch mehr sagen, aber ich lasse ihn nicht zu Wort kommen, und ignoriere auch Davids warnende Handbewegung. „Ich erlaube mir nur, die Wahrheit zu sagen. Während Sie mit anderen Dingen beschäftigt waren, haben Herr Hallinger und ich die Delegation der Schweizer Firma betreut, den ganzen Nachmittag, den ganzen Abend lang, und bis weit nach Mitternacht. Und gerade mit Frau Keiser hat sich Herr Hallinger dabei ganz besondere Mühe gegeben, hat ihr sogar für ein langes Gespräch unter vier Augen zur Verfügung gestanden. Wenn Ihnen das nicht genug ist, dann sollten Sie alles weitere selbst erledigen. Statt beim ersten Pieps der Dame gleich so freizügig Tadel zu verteilen; und sich über ein paar Minuten Verspätung aufzuregen, nach den ganzen Überstunden gestern!“

Noch während ich das alles hervorsprudele, wird mir abwechselnd heiß und kalt aus Angst vor den Konsequenzen. Aber auch die kann mich nicht stoppen. Zu lange habe ich mir von Deltens Launen stumm gefallen lassen. Und daß er nun auf David losgeht, der wirklich alles Zumutbare getan hat, um die Keiser zufriedenzustellen, ärgert mich maßlos. Ihre Einladung zum Hotelfrühstück ist doch nur ein Vorwand, um wieder ausgiebigst mit ihm zu flirten. So intelligent müßte selbst von Delten sein, daß er das durchschaut. Wahrscheinlich jedoch wäre ihm auch das recht, um die Unterstützung der Schweizer Firma für sein neuestes Projekt zu sichern.

Einige Sekunden lang singt das auf meine lange Rede folgende brummende und sirrende Schweigen unangenehm in meinen Ohren. Und ich bin sicher nicht die einzige, die den Atem anhält. „In mein Zimmer, Frau Wagner,“ sagt von Delten dann, gefährlich leise, dreht sich um und verschwindet. Viele entsetzte Blicke treffen mich. David sieht ziemlich bleich aus. Ich höre noch sein aufmunterndes „laß dich nicht unterkriegen,“ bevor ich von Delten folge.

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Breiten wir den Mantel des vornehmen Schweigens über die nächste Viertelstunde. Das Ergebnis ist, daß ich mich bei von Delten entschuldige. Ich tue das nicht, weil er mich dezent darauf hingewiesen hat, daß meine Probezeit noch nicht vorbei ist. Sondern aus einem anderen Grund. Meine kleinen Hinweise, daß die Keiser bei David mehr sucht als geschäftliche Gespräche, haben anscheinend seine Eifersucht geweckt (tja, diese blöde Kuh hat es gestern innerhalb weniger Minuten geschafft, daß ihr praktisch alle Männer in unserer Firma zu Füßen liegen!), und er hat beschlossen, sie höchstselbst im Hotel aufzusuchen. Damit habe ich erreicht, was ich wollte.

Kaum sitze ich wieder an meinem Platz vor seinem Zimmer, und er ist davongerauscht mit Zielortbestimmung Keiser, tauchen die ersten Neugierigen auf. Was war denn, was wollte er denn, was hat er gesagt, war es schlimm, undsoweiter.

Ich gebe ein paar nichtssagende Erklärungen darüber ab, wie furchtbar er mich zur Schnecke gemacht hat, und setze mich an die Vorbereitungen zum Geschäftsessen um zwölf. Dann soll es nämlich endlich zur Sache gehen, und dabei oder vielmehr danach will von Delten den Abgesandten des Managements der Schweizer Firma den Business-Plan für sein neues Projekt vorstellen, einen Standard Web Service. In den sie kräftig investieren sollen.

Der Plan ist noch einmal durchzugehen, die Kommentare aus der Sales-Abteilung einzuarbeiten, und dann muß ich dafür sorgen, daß ich ihn in- und auswendig kenne. Natürlich wird von Delten selbst ihn erläutern. Bloß bereitet er sich auf solche Dinge normalerweise so unzureichend vor, daß ich ständig Souffleuse spielen muß. Damit es nicht langweilig wird, sorgen alle möglichen Leute für an passender Stelle eingestreute Telefonate.

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Um halb zwölf holt mich David ab. Er sagt kein Wort. Ob er sauer auf mich ist? „Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, daß ich dein intimes Frühstück zu zweit mit der Keiser verhindert habe,“ bemerke ich schließlich leichthin, als ich meinen Wagen in der Hoteltiefgarage parke. Er schüttelt den Kopf. „Antje, ich bin verrückt vor Sorge um dich! Wenn du von Delten noch einmal eine solche Szene machst, wirft er dich raus! Du mußt wirklich vorsichtiger sein.“

Forschend sehe ich ihn an. „Und sonst bedrückt dich nichts?“ „Doch,“ erwidert er leise. Mein Herz macht sich klein wie ein i-Tüpfelchen, um nicht so leicht getroffen zu werden von dem, was er gleich sagen wird. Aber Davids plötzliches strahlendes Grinsen sorgt dafür, daß es sich ganz schnell wieder fröhlich hüpfend in meiner Brust breitmacht. „Ich habe echte Schwierigkeiten, bis heute abend durchzuhalten!“

Wir können den Zeitraum natürlich abkürzen,“ entgegne ich übermütig. „Noch ist eine Viertelstunde Zeit!“ Und schon lasse ich meine Hand in seinen Schritt gleiten und sie sich dort sachte bewegen.

Um Himmelswillen, Antje,“ keucht David, „wenn du nicht sofort deine Hand wegnimmst, habe ich eine nasse Hose und muß mich erst umziehen, bevor wir hochgehen können!“ Sagt er, während er sich gegen meine Hand preßt. „Ich freue mich wahnsinnig auf nachher,“ erkläre ich mit einem triumphierenden Lachen.

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Von Delten wundert sich wahrscheinlich über meine absolut gute Laune, aber da er mich für den Vortrag später braucht, läßt er mich in Ruhe. Die Herren der Delegation bemühen sich erneut eifrig, mir wie gestern den Hof zu machen. Gemeinerweise berührt mich das nicht im geringsten. Wie mit einem unsichtbaren, aber unzerreißbaren Nylonfaden fühle ich mich an mehreren Stellen mit David verbunden, der beim Essen im heimeligen Nebenzimmer am anderen Ende des Tisches sitzt. Und jede zufällige Begegnung unserer Blicke – erstaunlich, wie viele Zufälle es gibt … – löst einen kleinen Zug an diesem Faden aus. Auf diese Weise überstehe ich die Komplimente ebenso gut wie die bissigen Bemerkung, die die Keiser in meine Richtung streut. Und ihre Flirterei mit David, die er – ein heißes Glücksgefühl steigt in meiner Kehle hoch – gleichmütig ignoriert.

Nachher ist von Delten mehrfach kurz davor, seine gesamte Projektvorstellung zu verpatzen. So gravierend, daß ich meine Unterstützung nicht leisten kann, ohne daß es in der Runde auffällt. Was dazu führt, daß zumindest die Herren sich in der darauffolgenden Diskussion hauptsächlich an mich wenden. So werden es überaus anstrengende Stunden. Immerhin verabschieden die Schweizer sich ausgesprochen freundlich – nur die Keiser muß mir beim eiskalt-fischigen Handschlag noch süffisant mitteilen, daß in der Schweiz die Business-Frauen doch viel eleganter und besser gekleidet sind als hier -, und der Termin für ein weiteres Treffen ist auch schon bestimmt.

Wieder zurück in der Firma, muß ich erneut zu von Delten ins Zimmer, bei geschlossener Tür. Natürlich nimmt er es mir fürchterlich übel, daß ich ihn, wie er es nennt, an die Wand gespielt habe. Und ein zweites Mal für diesen Tag brüllt er mich nach Strich und Faden zusammen.

Nur hat er festgestellt, daß er mich zumindest im Moment braucht, und so unterläßt er diesmal die Drohung mit der Kündigung. Und außerdem interessiert mich sein Getobe ohnehin recht wenig; denn gleich ist Feierabend, und danach Wochenende, und ich kann ohnehin schon längst bloß noch an David denken.

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Und, ach so, ja, was ich am Anfang noch sagen wollte: Bisher habe ich weitgehend schlaflose Nächte am nächsten Tag immer auch dann bereut, wenn es eine höchst aufregende Schlaflosigkeit war und der Tag ein angenehmer. Diese weitgehend mit David durchwachten Nacht jedoch hat mir nicht eine Sekunde lang leid getan; obwohl man diesen Tag nun wirklich nicht als angenehm bezeichnen kann. Irgend etwas muß dran sein, an diesem Menschen …

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