27. Juni 2007

Kapitel 8 Fetisch Roman | Alltagsmorgen – Sichtweise Antje

Oh, Scheiße, wo ist dieser dämliche Wecker? Ich taste im Dunklen, aber ich finde die Quelle des entnervenden, immer lauter und heller werdenden Brummens nicht.

Da verstummt endlich das Geräusch, zwei Arme schließen sich um mich, und eine Stimme begrüßt mich mit einem so zärtlichen „guten Morgen“, daß ich heulen könnte. David! Stumm klammere ich mich an ihn, lasse die Erinnerung an gestern abend, heute nacht, hineinströmen in mein so unsanft aus den Träumen herausgeholtes Bewußtsein. Das sehr schnell entscheidet, daß Davids echte Nähe noch viel schöner ist als die bunten Nebelbilder davon während des Schlafens.

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Du kannst noch ein bißchen liegen bleiben,“ flüstert David, „ich gehe jetzt duschen.“ „Willst du heute wieder zur Arbeit?“ frage ich erschrocken. „Du bist doch krank!“ Ein leises Lachen ist die Antwort. „Wenn ich so in mich hineinhorche, scheint deine Anwesenheit das beste Grippemittel zu sein, das es gibt. Ich fühle mich phantastisch!“ „Das ist schön,“ murmele ich und streiche über seine Haare.

Er steht auf. Auf einmal ist mir furchtbar kalt, und mein ganzer Körper schreit nach ihm. Ich rolle mich zusammen, ziehe die Decke über den Kopf. Nebenan im Bad rauscht jetzt das Wasser, und David summt vor sich hin. Das bringt mich zum Lächeln.

Nach einer Weile erhebe ich mich; so müde ich auch noch bin, es zieht mich doch zu David. Er steht vor dem Waschbecken, rasiert sich. Ich schlinge die Arme um seine Taille, lehne mich gegen seinen Rücken. Er läßt die Hand mit dem Rasierer sinken, greift mit der anderen nach mir, drückt sich an mich.

Dann verschwinde ich in der Dusche, werfe mich in die alten Klamotten von gestern, benutze seine Zahnbürste; worum er mich ausdrücklich gebeten hat. Sie ist noch feucht von ihm, und ich genieße diese kleine intime Geste.

In der Küche ist der Tee bereits fertig, und der Tisch ist gedeckt. Vorher gibt es noch einen ausgedehnten Kuß, und für diesen würde ich nur zu gerne notfalls auch auf den Rest des Frühstücks verzichten.

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Schon bald sehe ich ängstlich auf die Uhr; ich muß ja schließlich vor der Arbeit noch in meine Wohnung, mich umziehen. David hat es beobachtet. „Keine Angst, wir haben noch viel Zeit,“ beruhigt er mich.

Gemeinsam räumen wir ab, suchen unsere Sachen zusammen. Als ich in mein Cape schlüpfe, zieht auch er seine Lederjacke an. „Aber du mußt doch noch gar nicht los,“ bemerke ich fragend. Vorwurfsvoll sieht er mich an. „Du glaubst doch wohl nicht, daß ich dich jetzt alleine losfahren lasse! Ich komme natürlich mit!“ Daraufhin muß ich ihm einfach um den Hals fallen, und wieder kommen mir beinahe die Tränen. Ich schimpfe mich eine fürchterlich sentimentale Gans. Aber es ist einfach zu schön, wenn die Gemeinsamkeit der erotischen Stunden des Abends, am Morgen danach, im Alltag nicht zur schemenhaften Erinnerung wird, sondern weiterlebt und sich fortsetzt. Das bin ich nicht gewohnt, und es macht mich hilflos.

Draußen friere ich in der frischen Kühle des Morgens, obwohl es so kalt gar nicht ist. Wir nehmen meinen Wagen, fahren zu mir. In den Türrahmen gelehnt, sieht David mir zu, wie ich mich umkleide, und in seinen Augen steht derselbe Hunger, den ich in mir spüre.

Besorgt mustere ich ihn. „Geht es dir wirklich gut genug, daß du in die Firma mitkommen willst?“ „Ich werde doch nicht den ganzen Tag von dir getrennt verbringen,“ erwidert er grinsend. Eine unglaubliche Wärme breitet sich in mir aus. Natürlich ist dieser Satz ein Scherz; aber es schimmert eine Ernsthaftigkeit hindurch, die mich berauscht.

Zusammen betreten wir die Büroräume. Als Assistentin des Chefs muß ich regelmäßig früher da sein als die meisten anderen; David allerdings kommt sonst immer erheblich später. Was prompt, als wir einem Kollegen begegnen, den Kommentar auslöst: „Muß Liebe schön sein!“ Ich werde rot. „Sehr originell,“ gibt David lachend zurück.

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Oh, unser kleiner Schürzenjäger ist wieder auf der Pirsch,“ kommt es kurz darauf bissig von einer Sekretärin, einer kleinen Rothaarigen. Das heißt, eigentlich hat sie dunkelbraune Haare, was man an den Ansätzen auch nur zu deutlich erkennen kann, aber sie gefällt sich nun einmal in einem beißenden, knalligen Rotton. Dieser Spruch trifft mich schon mehr, auch wenn ich das lässig mit einem gemurmelten „nur kein Neid!“ zu überdecken suche.

David entgeht es, daß der Giftpfeil getroffen hat. Schnell flüchte ich in mein Kabuff. Mit fliegenden Fingern erstelle ich den Tagesplan für von Delten, da kommt der Chef auch schon. Er scheint heute ausgesprochen schlechte Laune zu haben. Den Morgengruß verkneift er sich ohnehin meistens, aber ganz so unteroffiziersmäßig behandelt er mich dann doch nur selten.

Und heute hat er dann auch noch eine besonders unangenehme Aufgabe für mich; in zwei Stunden wird eine kleine Delegation einer Schweizer Partnerfirma eintreffen, und zuerst muß ich ihm helfen, die Leute in der Firma herumzuführen, dann mich um das Mittagessen kümmern und nachmittags einen kleinen Vortrag über unser neuestes Produkt halten (den ich jetzt gleich noch vorbereiten muß). So weit, so gut – das ist das übliche Programm. Danach aber soll ich denn Herren noch die Stadt zeigen und sie abends irgendwohin begleiten. Wohin, dazu muß ich mir noch etwas einfallen lassen, wie von Delten mir erklärt.

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Das empört mich dann doch etwas. Nichts gegen lange Arbeitszeiten, aber die Abende habe ich schon ganz gerne für mich. Meine Empörung gibt mir den Mut, von Delten spitz zu fragen: „Könnten Sie mir nicht einen kleinen Tip geben, wohin ich die Abordnung führen kann? Im Nachtleben hier kennen Sie sich doch gewiß erheblich besser aus als ich.“

Er bemerkt die Spitze – leider! – nicht. „Herr Hallinger wird Ihnen helfen, etwas passendes zu finden,“ erwidert er völlig neutral. Es klopft, und David kommt herein. Anscheinend hat von Delten ihn auch gleich zu sich bestellt. „Ach, Herr Hallinger, gut, daß Sie kommen,“ freut sich von Delten. „Wir haben heute eine etwas heikle Aufgabe, und da brauche ich Sie. Sie wissen ja, daß gleich der halbe Vorstand unserer Schweizer Partner hier erscheint. Frau Wagner wird sich um die Leute kümmern, aber es muß natürlich auch Frau Keiser, die IT-Chefin, ganz speziell betreut werden, wegen der geplanten Kooperation im IT-Bereich, und da dachte ich natürlich gleich an Sie. Ich habe zwar Ihre ganzen Frauengeschichten nie gerne gesehen, aber eines muß man Ihnen lassen, Sie haben Charme und schaffen es, daß die Weiber Ihnen reihenweise zu Füßen liegen. Versuchen Sie Ihr Bestes bei dieser Keiser!

Ich bin sprachlos und habe Mühe, mein Entsetzen zu verbergen. Dann war also für David alles nur das übliche Spiel; ich bin einfach nur Nummer weißnichtwieviel in der Reihe seiner Eroberungen. Und ich Trottel war noch vor einer halben Stunde fest davon überzeugt, daß wir beide füreinander etwas ganz besonderes sind; daß wir gerade am Anfang einer echten, tiefen Beziehung stehen. Daß wir – ja, daß wir gerade beginnen, uns zu lieben.

Schön blöd!

Und das schlimmste ist, ich hätte es wissen müssen. Während der letzten Wochen habe ich einige Male Anspielungen auf Davids nicht gerade langweiliges Liebesleben gehört, habe mitbekommen, wie man ihn immer wieder mit seinen vielen Affären aufgezogen hat.

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Aber ich habe nicht hingehört.

Ich wollte wohl nicht hinhören.

Nun, jetzt habe ich hingehört. Und verstanden. Und ich werde zwar den Abend mit David verbringen; aber ganz anders, als ich mir das heute morgen beim Aufwachen vorgestellt habe.

Als der Schock nachläßt, beherrscht mich nur ein Gedanke: Rache!

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