Es kam nicht oft vor, dass mich der Meister mit dem anderen Azubi zusammen auf eine Baustelle schickte. Genaugenommen war Torsten schon kein Azubi mehr. In drei Tagen sollte er seinen Gesellenbrief als Maler und Lackierer erhalten. Ich war erst am Ende des ersten Lehrjahres und in unserer Kleinstadt der einzige weibliche Malerlehrling. Torsten hatte schon ganz gute Allüren drauf. Es machte ihm sichtlich Freude, den erfahreneren Fachmann herauszustreichen. Eigentlich juckte mich das gar nicht richtig. Aber einmal, als ich nach seiner Meinung die Wand mal wieder nicht satt genug eingestrichen hatte, sagte ich so dahin: „Du kannst mich mal.“
Wie vom Blitz getroffen war er von der Leiter herunter, nahm mich in seine Arme und hauchte ganz dicht vor meinem Mund: „Auf diese Aufforderung habe ich schon lange gewartet.“
Ich war völlig von der Rolle. Ich wusste gleich gar nicht, was er wollte. Erst meine Abwehr und die Frage, ob er verrückt geworden war, brachte mir die Erleuchtung: „Hast du nicht gerade gesagt, dass ich dich mal kann?!“
Ganz kurz war unser Lachen wie eine Befreiung. Aus seinen Armen konnte ich mich allerdings nicht befreien. Im Gegenteil. Zuerst drückte er seine Lippen nur auf meine. Beim zweiten Kuss schob er mir seine Zunge in den Mund. Merkwürdig, ich hatte in diesem Moment das Gefühl: Heute wird es geschehen, heute wirst du zur Frau gemacht werden. Ich lehnte mich nicht einmal dagegen auf.
Ganz allein waren wir in der Villa. Das ganze Haus hatte wir zu zweit zu renovieren. Er musste also keine Angst haben, von jemand gestört zu werden, wenn er mich verführen wollte.