Als Hausfrau freut man sich ja über jede Abwechslung. Und wenn sich dann sozusagen Besuch von früher ansagt, also jemand, mit dem zusammen man zur Schule gegangen ist, dann ist die Freude umso größer. Sie hatte schon Jahre, nein, Jahrzehnte nichts mehr von Nils gehört, der damals an der Schule und auch später beim Studium der umschwärmte Liebling aller Girls gewesen war. Ja, auch sie war in ihn verknallt gewesen. Und auch sie war in den Genuss seiner wirklich beachtlichen erotischen Künste gekommen. Während die meisten anderen jungen Männer genug damit zu tun hatten, das Vögeln zu lernen, und dabei nicht unbedingt mit großen Fortschritten prahlen konnten, beherrschte er längst die Kunst des Oralsex.
Für die damalige Zeit unerhört; die damalige Zeit: 1968; damals, als die sexuelle Revolution in Deutschland erst anfing. Die meisten ihrer Generation hielten Zungenküsse bereits für gewagt, aber Nils setzte seine Zunge an ganz anderen Stellen ein. Besonders gerne zwischen den Beinen einer Frau. Es war für sie ein derart intensives Erlebnis gewesen, dass sie es nie vergessen hatte. Später hatte nie wieder jemand so geschickt ihre Muschi geleckt wie damals Nils. Das konnte sie mit Fug und Recht behaupten, obwohl sie dann doch noch in den vollen Genuss der Sex Revolution gekommen und ihren Anteil an Sexabenteuern erlebt hatte. Später war der Oralsex dann auch fast normal gewesen; bei gutem Sex war er eigentlich regelmäßig einbegriffen, und guter Sex war etwas, was jeder vom Leben erwartete. Trotzdem war es nie wieder so gut geworden wie damals mit Nils. Wobei sie sich durchaus einbildete, dass sie mit ihrer Zunge im Laufe der Zeit erheblich geschickter worden war. Ihr erster Blowjob, bei Nils, war nicht so der große Erfolg gewesen. Sie hatte keine Ahnung gehabt, was sie mit dem riesigen, samtigen Stab in ihrem Mund anfangen sollte. Aber Nils hatte es ihr erklärt, wie die Männer es beim Schwanz Blasen gerne haben, und sie hatte schnell dazugelernt. Bevor sie mit 26 ihren jetzigen Mann getroffen hatte, hatte sie die Kunst der Fellatio bereits vervollkommnet; und ihr Mann hatte das immer sehr genossen. Wobei er nicht ganz so schnell dabei war, wenn es um die passende Revanche ging, das Muschilecken. Er ermüdete dabei sehr schnell, und so hatte sie es sich irgendwann abgewöhnt, es zu initiieren oder darum zu bitten. Und ihre allerliebste Sexstellung, die 69er Stellung, war dann so gut wie gar nicht mehr vorgekommen. Obwohl es ja zu ihnen beiden als 68ern irgendwie schon gut gepasst hätte …
Überhaupt war der Sex in ihrer Ehe mit der Zeit immer schlechter geworden. Aber nun, das war normal; Ähnliches konnte sie bei allen Paaren aus ihrer Bekanntschaft beobachten, und so bedauerte sie es zwar, hatte aber jetzt nicht unbedingt das Gefühl, sie würde etwas versäumen. Vermissen, ja, das schon; aber das Leben spielte nun einmal nicht immer so mit, wie man das sich wünschte. Besser ohne guten Sex leben als ganz ohne Partner, hatte sie sich immer getröstet. Immerhin hatte ihre Ehe anders als viele andere gehalten. Anscheinend war die 68er Generation, der sie entstammte, nicht dafür geschaffen, wie die Älteren bei nur einem Partner ein Leben lang auszuharren. Doch ihr Mann war bei ihr geblieben; bis zum Schluss, bis er mit 54 an einem Herzinfarkt gestorben war. Nicht dass es da nicht ab und zu einmal eine Affäre gegeben hatte, doch die hatte ihre Position als unangefochtene Ehefrau und Partnerin nie berühren können, und sie hatte zwar ab und an mit ihrer Eifersucht zu kämpfen gehabt, es ihrem Mann aber eigentlich gegönnt, dass er wenigstens beim Fremdgehen ein wenig von dem fand, was in ihrem ehelichen Sexleben fehlte. Jetzt war sie 59 und allein. Sie arbeitete nicht, sie war nur Hausfrau. Sie war ihr Leben lang nur Hausfrau gewesen, trotz abgeschlossenen Studiums, was für die 68er ja schon etwas ungewöhnlich war. Aber die Kinder waren ihr einfach dazwischen gekommen, und als die aus dem Haus waren, da verdiente ihr Mann genug und es erschien ihr einfach nicht nötig, sich mit etwas so Undankbarem wie der Jobsuche als reife Frau ab 50 herumzuschlagen. Auch jetzt hatte sie es nicht nötig zu arbeiten; ihr Mann hatte sie gut versorgt zurückgelassen.
Aber die Tätigkeit als Hausfrau füllte sie schon lange nicht mehr aus. Sie fühlte sich einsam, und sie fühlte sich überflüssig. An den Rand gestellt; so, als ob das eigentliche Leben an ihr vorbeiziehe. Sie kannte dieses Gefühl so gut, dass sie sich schon beinahe daran gewöhnt hatte. Doch in den letzten Monaten war etwas Neues dazu gekommen; eine unglaubliche Sehnsucht nach Liebe, Zärtlichkeit, Sehnsucht. Nach Erotik. Oder sprechen wir es ruhig aus – nach Sex. Manchmal schämte sie sich, dass sie als Frau über 50 noch solche erotischen Gelüste hatte. Dass ihre Muschi, die schon längst keine Monatsblutung mehr kannte, dennoch wieder und wieder feucht wurde und vor Gier und Hunger brannte und kribbelte, so sehr, dass ihre Finger oder selbst ein Vibrator nur unzureichend Abhilfe schaffen konnte. Wenn sie ganz ehrlich mit sich war, musste sie zugeben, dass sie sich nach Oralsex nannte, wie sie ihn zuletzt und ausschließlich bei Nils gekannt hatte. Wie ungehörig für eine Frau über 50! Dann wieder sagte sie sich trotzig, dass sie ja schließlich damals, als Teil der 68er Generation, nicht umsonst für die sexuelle Freiheit gekämpft hatte. Diese Freiheit musste einfach auch das beinhalten, dass selbst reife Hausfrauen wie sie, mit über 50, ja, beinahe schon 60 noch Sex hatten. Sofern sie Lust darauf hatten. Und sofern sie einen passenden Partner hatte.
Genau daran haperte es jedoch. Junge Männer reizten sie nicht. Sie wollte nicht mit jemandem zusammen sein, der so wenig von ihr und der Zeit damals wusste, dem sie alles erst mühsam erklären musste. Sie hatte kein Interesse an einem Mann in einem Alter, für den die sexuelle Freiheit nichts war, das er sich hatte kämpfen, sondern nur etwas war, das er sein ganzes Leben lang genossen hatte. Und von den Männern in ihrem Alter waren erschreckend viele schon nicht mehr da. Die restlichen waren entweder verheiratet – meistens zum zweiten oder sogar schon zum dritten Mal -, und die anderen waren wahlweise nicht mehr anziehend, nicht interessiert oder beides. Immer öfter musste sie an Nils denken. Und weil sie trotz ihres reifen Alters immerhin modern genug war, bei der modernen Technik mit der zeit zu gehen, einen Computer mit Internetanschluss besaß und sogar damit umgehen konnte, begann sie irgendwann damit, nach Nils zu suchen. Sein Nachname war noch ungewöhnlicher als sein Vorname; und so wurde sie bald fündig. Er wohnte gar nicht einmal soweit weg von ihr; es waren nur knapp 300 Kilometer. Wochenlang schwankte sie, ob sie sich bei ihm melden sollte. Sie wusste nichts über ihn; das Internet hatte nicht viel mehr als seine aktuelle Adresse hergegeben. War er verheiratet? Was hatte er für einen Beruf? Sie grübelte darüber nach und schob den geplanten Anruf bei ihm immer weiter hinaus. Endlich entschloss sie sich dazu, ihm ein Mail zu schreiben. Sie hatte nicht ernsthaft mit einer Antwort gerechnet, doch sie kam, und sogar sehr schnell. Statt über sein Leben zu berichten, fragte Nils sie jedoch nur, ob sie am kommenden Wochenende Zeit hätte; er wolle sie besuchen. Diese Ankündigung löste eine echte Panik bei ihr aus. Die sie zuerst, typische Hausfrau, in einen gründlichen Hausputz umsetzte. Dann besuchte sie nacheinander Friseur, Kosmetikerin und Fußpflegerin und kaufte sich ein paar neue Outfits. Inklusive einiger sündhaft teurer, aber extrem verführerischer Nachthemden und Unterwäsche. Erst dann schrieb sie ihm zurück, sie freue sich auf seinen Besuch – und bereute das schon, als das mail noch übertragen wurde, doch da war es zu spät. Er würde kommen; er, Nils, ihre Jugendliebe. Der Mann mit der geschickten Zunge …