Normalerweise bin ich ein sehr zurückhaltender, beherrschter Mensch. Ich habe mein Leben fest im Griff. Nichts passiert, was ich nicht will. Wie gesagt, normalerweise. Aber manchmal rutscht mir mein Leben auch zwischen den Fingern hindurch und Dinge passieren, die sind nicht nur nicht geplant, sondern eigentlich auch gar nicht richtig gewollt. Auf genau diese Weise ist es auch zu meinem ersten Seitensprung gekommen. Ich bin 38 und seit 13 Jahren verheiratet. Vielleicht stimmt es ja, dass die 13 wirklich eine Unglückszahl ist, wo es ausgerechnet im 13. Ehejahr passiert ist, dass ich meinen Mann das erste Mal betrogen habe. Wo ich doch früher immer im Brustton der Überzeugung verkündet hatte, ein Seitensprung, das sei etwas, was mir garantiert nicht passieren würde! Es war an einem Abend – in einer Nacht -, der/die eigentlich ganz nett angefangen hatte. In meiner Firma war es uns gelungen, rechtzeitig zur vorgegebenen Deadline ein riesiges Projekt abzuschließen. Da war es klar, dass wir anschließend noch gefeiert haben. Zuerst hatte jemand ein paar Flaschen Sekt besorgt, und wir haben uns im großen Konferenzsaal, wo überall noch die Spuren der letzten Abschlussarbeiten für das Projekt zu sehen waren, gegenseitig zugeprostet. Irgendeiner kam dann auf die Idee, wir sollten doch nach Feierabend gemeinsam essen gehen. Ich war sofort mit dabei. Ich liebe meinen Mann noch; ihr dürft mich da nicht falsch verstehen. Aber nach 13 Ehejahren turtelt man halt nicht mehr so miteinander herum wie am Anfang, man ist nicht mehr so geradezu süchtig nach der Gegenwart des anderen. Auch die Gegensätze scheinen sich in einer Ehe im Laufe der Zeit zu verschärfen. So bin ich zum Beispiel recht extrovertiert. Ich gehe gerne mal weg, ich feiere gerne. Aber mein Mann ist ein echter Stubenhocker. Den kriegen normalerweise keine zehn Pferde aus dem Haus. Umso dankbarer war ich für die Gelegenheit von einem aufregenden Abend, zu dem ich ihn nicht mit Gewalt mitschleppen musste. Ich rief ihn gleich an und sagte, ich käme abends später. Weil ein Krimi aus einer Serie an diesem Abend lief, fand er das auch gar nicht schlimm. Das heißt, ich musste auch kein schlechtes Gewissen haben, dass ich nicht gleich zu ihm nach Hause zurückkehrte. Zwar war ich eigentlich für einen solchen Abend nicht schick genug angezogen; ich trug halt die normale Bürokleidung, Kostüm, Bluse, Nylonstrümpfe und Schuhe mit Absatz, aber keinem zu hohen Absatz, aber dadurch würde ich mir die Laune nicht vermiesen lassen.
Wir gingen zu einem Griechen, und zur Feier des Tages gab es reichlich Ouzo, dazu Retsina zum Essen, und das alles oben auf den Sekt drauf. Kein Wunder, dass wir, als wir bezahlten und aufbrachen, alle nicht mehr so ganz nüchtern waren. Martin, ein Kollege, war es, der meinte, dass es doch viel zu schade sei, den Abend jetzt schon zu beenden. Es war auch wirklich erst kurz vor zehn. Er erzählte von einer Bar ganz in der Nähe, wo man tanzen konnte. Sofort spürte ich meinen Körper vor Sehnsucht prickeln. Tanzen war ich schon ewig lange nicht mehr gewesen; dazu konnte ich meinen Mann ja nun erst recht nicht überreden. Deshalb war ich sofort Feuer und Flamme. Kaum waren wir in der Bar angekommen, griff ich mir Martin, der ja schließlich den Vorschlag gemacht hatte, und zerrte ihn zur Tanzfläche. Ich tanzte mich richtig in Ekstase. Nach dem vierten Song hatte Martin zwar genug, aber da war schon ein anderer Mann, der es übernahm, mit mir zu tanzen. Ich wusste seinen Namen nicht; es war ein Fremder. Es war mir auch völlig egal, wie er hieß, denn ich wollte einfach nur tanzen. Und dieser Fremde hatte eindeutig mehr Durchhaltevermögen, als Martin es gezeigt hatte. Irgendwann konnte selbst ich nicht mehr. Ich war schweißüberströmt von der Anstrengung. Meine Bluse klebte mir am Leib – das Jackett hatte ich vorhin zum Glück wenigstens noch einer Kollegin in die Hand gedrückt -, und als ich an mir herabsah, stellte ich erschrocken fest, dass sie dort, wo mein Schweiß sie durchtränkte, total durchsichtig geworden war. Meine Brüste konnte man zwar nicht sehen, denn ich trug einen BH – aber genau den erkannte man nur zu deutlich. Ich schämte mich furchtbar, und hatte nur noch einen Gedanken: ab nach Hause! Ich wollte mich von dem Fremden, der mich durch die letzten Tänze begleitet hatte, verabschieden, schnell mein Jackett holen und mir ein Taxi suchen. Doch der Fremde hielt mich am Arm fest. „Halt, meine Süße – nicht so schnell!“ Unwillig drehte ich mich zu ihm um. Ich fand es eine verdammte Unverschämtheit, dass er es wagte, mich einfach festzuhalten! Ich öffnete den Mund, um ihm ganz deutlich zu sagen, was ich davon hielt, doch dann sah ich sein Gesicht. Seine Augen waren fast flehend auf mich gerichtet, und in seinen Zügen stand die nackte Bewunderung. „Du bist so total sexy!“, murmelte er jetzt. „Darf ich dich wenigstens noch zu einem Drink einladen?“