Seit ich mit meinem Mann in die Großstadt gezogen bin, fühle ich mich oft sehr einsam. Zumal wir in einem anonymen Hochhaus wohnen, wo sich die Bewohner, wenn überhaupt, nur brummig und kurz angebunden grüßen. Und zumal wir wegen des neuen Jobs meines Mannes umgezogen sind, der ihn mehr und mehr in Anspruch nimmt. Vor neun Uhr abends ist er kaum mehr zu Hause.
Und ich, die ich meinen Job in der Bücherei der Kleinstadt, in der ich geboren bin und alle meine Freunde hatte, sitze den ganzen Tag zu Hause und langweile mich. Ich langweile mich extrem.
Für mich war bisher hier kein Job zu finden.
„Das macht doch nichts„, hat mein Mann gesagt, „ich verdiene genug für uns beide.“ Als ob es bei einem Job nur ums Geld ginge!
„Was soll ich denn deiner Meinung nach den ganzen Tag machen?„, habe ich ihn ziemlich empört gefragt.
Hilflos hat er mit den Achseln gezuckt. „Mach dir einen schönen Tag„, war seine Antwort. „Genieße das Leben – und freu dich, dass du anders als ich nicht den ganzen Tag in einem muffigen Büro herumhängen musst.“
Genieße das Leben – ja, prima …
Ohne Job, ohne Freunde oder auch nur Bekannte – was soll ich denn da genießen? Die Einsamkeit?
Vor kurzem habe ich damit begonnen, jeden Tag einen langen Spaziergang am Nachmittag zu machen. So geht wenigstens die Zeit herum. Meistens bin ich in dem kleinen Park bei uns um die Ecke spazieren gegangen, aber gestern war ich das erste Mal in dem großen Park direkt neben der Fußgängerzone.
Er ist so riesig, dass man sich darin verlaufen kann. Und ich habe mich tatsächlich verlaufen; nachdem ich eine Stunde herumgewandert war zwischen Wiesen, Bäumen und Blumenbeeten, kam ich an einen See – und wusste auf einmal, ich finde den Weg zurück nicht mehr.