Aufatmend schiebe ich ihm das Blatt über den Tisch, reiche ihm den Kugelschreiber zurück, den er mir für meine Unterschrift geliehen hat. Ob ich nun wirklich das Richtige getan habe? Aber ich vertraue ihm voll. Als mein Bankberater wird er mir schon die richtige Geldanlage für meine unerwartete kleine Erbschaft genannt haben. Damit ist die Vermögensberatung nun abgeschlossen, und ich habe noch genau seine leise, etwas heisere Stimme im Ohr, mit der er mich bei unserem ersten Treffen – streng beruflich, in der Bank, für die Vermögensberatung – um ein privates Treffen gebeten hat, sobald die Geldanlage geregelt ist. Tja, und das ist jetzt soweit.
Nun können wir uns anderen, erfreulicheren Dingen zuwenden als dem Geld. Merkwürdigerweise fehlt mir auf einmal der Mut, ihn einfach ganz locker an diese Frage zu erinnern und entweder einen Termin und Ort für unser Treffen selbst vorzuschlagen oder ihm das zu überlassen. Dabei bin ich von uns beiden bei weitem die ältere und reifere. 49 bin ich, also wirklich schon eine reife Frau, die eigentlich wissen sollte, was sie will – und die vor allem wissen sollte, wie sie es bekommt.
Er hingegen ist erst 34, wie ich inzwischen weiß; er hat bei einem Berechnungsbeispiel sein Alter erwähnt. 15 Jahre Altersunterschied liegen also zwischen uns – und das macht mich unsicher. Obwohl reife Frauen eigentlich nicht mehr unsicher sein sollten. Zumal wenn sie etliche Jahre und jede Menge Erfahrung mehr besitzen als der junge Mann, der sie interessiert. Und den sie interessieren. Ich weiß, dass er fasziniert von mir ist. Seine Blicke sind eindeutig. Ich habe mir aber auch besondere Mühe mit Make-up und Outfit gegeben, vor diesem Termin bei der Bank. Ich trage einen Minirock – meine Beine sind noch ebenso schlank und wohlgeformt, wie sie es waren, als ich 18 war; ihrer muss ich mich nicht schämen und kann sie ruhig offen zeigen -, dazu hochhackige Sandaletten und eine kurzärmelige Bluse, die nicht ganz blickdicht ist. Sie ist nun auch nicht gerade durchsichtig; aber man kann zum Beispiel schon ganz eindeutig erkennen, dass ich keinen BH trage … So, wie seine Blicke sich immer wieder zu der Stelle schleichen, hinter der sich meine nackten Brüste verbergen, hat er dies auch sehr wohl bemerkt.
Auf einmal ist er hoch nervös. Hat er mir die ganze Zeit vorher noch ruhig in die Augen geschaut, sich sehr ruhig und selbstbewusst bewegt, atmet er nun hastiger, seine Bewegungen sind fahriger, und nun fällt ihm sogar der Stift aus der Hand, auf den Boden, und er muss ich bücken, um ihn wieder aufzuheben. Anschließend spielt er ausgesprochen angespannt damit wie jemand, der seine Aufregung in einer mündlichen Prüfung kaum bezähmen kann. Es bringt mich zum Lächeln, seine Unsicherheit – und sie gibt auf einmal mir meine Sicherheit zurück. „Nachdem das mit der Vermögensberatung nun vom Tisch ist„, bemerke ich ganz ruhig, „sollten wir vielleicht unsere private Sexberatung ins Auge fassen.“ Er wird zuerst blass und dann rot angesichts meiner Direktheit. Ich sehe schon – in Finanzdingen hat er mir alles voraus, da brauche ich seine Beratung. Aber wenn es um private erotische Kontakte geht, da bin ich diejenige mit dem Wissen und der Erfahrung; genauso, wie ich es formuliert habe. Also sollte ich auch diejenige sein, die die Initiative ergreift. „Haben Sie Lust, morgen Abend zu mir zum Abendessen zu kommen?„, frage ich ihn. „So gegen acht?“
Er nickt, räuspert sich, will antworten, doch ersichtlich versagt ihm die Stimme. „Sehr gerne, ja„, bringt er endlich heiser heraus. Ich stehe auf. „Meine Adresse haben Sie ja„, ergänze ich und reiche ihm die Hand. Hastig erhebt er sich ebenfalls von seinem Stuhl, greift nach meiner Hand. Als er sie erfasst hat, nutze ich das aus, um ihn sanft noch ein wenig näher zu ziehen. Er gibt bereitwillig dem leichten Druck nach, steht mir nun so nahe, dass wir uns fast berühren. Ich lege die freie linke Hand auf seine Schulter; eine kräftige, warme Schulter unter dem knisternden Stoff des Hemdes, strecke mich ein wenig und gebe ihm einen Kuss auf die glatt rasierte Wange. Seine Gesichtsfarbe ähnelt so langsam der einer Tomate. Um ihn an seinem Arbeitsplatz nicht noch weiter in Verlegenheit zu bringen, beende ich meine Annäherungsversuche, lächele ihm noch ein letztes Mal zu und verschwinde dann mit einem beschwingten Schritt nach draußen. Schließlich werde ich ihn ja bald wiedersehen; schon morgen Abend!
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Er ist pünktlich. Und natürlich hat er mir auch einen Blumenstrauß besorgt und eine Flasche Wein mitgebracht, so wie sich das für einen höflichen jungen Mann gehört. „Ich hoffe, der Wein passt zum Essen„, stammelt er, sehr verlegen, als er mir die Flasche überreicht. „Zu dem Essen, was zuerst auf dem Speiseplan steht, passt der Wein bestimmt„, erkläre ich vielsagend. „Und was die weiteren Gänge nach der Vorspeise angeht, so werden wir schon sehen.“ Wieder wird er ganz entzückend rot. Dabei hat er meine Kleidung, speziell für ihn angelegt, noch nicht einmal richtig wahrgenommen. Das geschieht erst später, als ich auf dem Tisch in der Küche seine übrigens wunderhübschen Blumen – es ist ein frischer, fröhlicher Sommerstrauß, den er mir mitgebracht hat – in einer Vase arrangiere. Ich sehe es förmlich, wie es langsam durchdringt zu seinem Gehirn, in welcher Aufmachung ich ihn empfange. Es ist ein schwarz glänzender Seidenkimono mit einem riesigen Drachen, in rot und grün eingestickt, auf dem Rücken, und einem kleinen Drachen, ebenso gestickt, auf der linken Brusthälfte. Dass ich unter dem Kimono nichts anhabe, kann er natürlich nicht sehen, denn ich habe den Kimono Gürtel fest geschlossen.
Allerdings ist das seidige Material nicht sonderlich geneigt, auf nackter Haut dort zu bleiben, wo es zuerst anliegt. Mein Ausschnitt rutscht verdächtig und wird immer tiefer, und bei jedem Schritt erweitert sich der Schlitz im unteren teil und zeigt mehr von meinen nackten Beinen, die in Flip-Flops stecken; in chinesischen Flip-Flops, natürlich, ganz stilecht. Er steht neben mir und muss hörbar schlucken. Es wird Zeit, ihm die Verlegenheit zu nehmen. Ich zeige auf eine Schranktür. „Dahinter sind Gläser, und in der Schublade darunter ist der Korkenzieher. Schenkst du uns bitte ein Glas von deinem Wein ein?“ Er gehorcht, nur zu froh, eine Beschäftigung zu haben. Seine Hand zittert allerdings sichtbar, als er uns, nachdem er den Korken allerdings sehr gekonnt entfernt hat, zwei Gläser Rotwein eingießt. „Und nun sollten wir Brüderschaft trinken„, erkläre ich, reiche ihm eines der Gläser und nehme mir das zweite. „Ich heiße übrigens Iris.“ Was er natürlich längst aus meinen Unterlagen weiß. „Und ich Alexander„, erwidert er. Das wusste ich nun vorher noch nicht; ein Vermögensberater bei der Bank stellt sich ja meist nur mit seinem Nachnamen vor. Aber sein Name gefällt mir; Alexander – das besitzt einen guten Klang.