Das Geld brauche ich eigentlich nicht, aber ich liebe es, Klavierunterricht zu geben. Ich liebe die Musik. Und ich liebe es, anderen Menschen etwas beizubringen. Dabei blühe ich richtig auf. Früher wollte ich immer eine richtige Musiklehrerin werden, aber dann ist doch die Buchhaltung mein Beruf geworden, weil ich zu einem Studium keine Lust hatte. Da brauche ich einfach einen künstlerischen Ausgleich, zu den ganzen stupiden, langweiligen Zahlen, mit denen ich es täglich zu tun habe. Ich habe also die Musik als Hobby sozusagen, nicht als Beruf. Deshalb kann ich es mir leisten, mit meinen Preisen für Klavierstunden weit unterhalb dessen zu liegen, was auf dem Markt normal ist. Ich verdiene ja schließlich als Buchhalterin genug. Ich gebe allerdings zu, ich habe noch einen anderen Grund dafür, dass ich Klavierlehrerin bin. Als reife Frau ist man nicht immer gerade üppig versorgt, was private Kontakte angeht.
Und mit meinen Preisen und an den Stellen, wo ich Werbung für meinen Klavierunterricht mache, erreiche ich sehr viele Erwachsene, die ihre Kenntnisse im Klavierspielen auffrischen wollen oder manchmal auch noch im reiferen Alter neu damit anfangen. Klavierunterricht für Kinder, das bieten andere an. Da würde man mich nie nehmen, denn irgendwo steckt in den Leuten noch der Glaube drin, was nicht wirklich teuer ist, das kann einfach nicht gut sein. Wenigstens wenn es um die eigenen Kinder geht. Bei Erwachsenen ist das anders. Für die ist Klavierunterricht reiner Luxus, denn sie wissen alle, wer nicht ganz früh mit Klavierspielen anfängt und kontinuierlich spielt, der kann ohnehin nicht viel erreichen. Und da freuen sie sich einfach, wenn sie diesen Luxus mal zu erschwinglichen Preisen bekommen können. Meine Spezialität ist deshalb der Klavierunterricht für Erwachsene. Tja, und unter den Erwachsenen, die bei mir Klavierunterricht nehmen, sind halt nun einmal ab und zu auch Männer. Manchmal sogar recht interessante Männer. Da hat sich schon die eine oder andere Gelegenheit zum Flirten ergeben. Oder für ein Sexabenteuer; was mir immer noch lieber ist. Wobei ich ja nun, reife Frau hin oder her, durchaus wählerisch bin. Einfach nur Flirten, darum geht es mir nicht. Es sollen schon erotische Kontakte mit Niveau sein, die über bloße zärtliche Blicke hinausgehen. Dafür muss der betreffende Mann etwas haben, das mich reizt und anzieht. Das gewisse Etwas halt.
Das Süßeste, was mir da jemals an Mann untergekommen ist, das ist mein neuester Klavierschüler. Niklas heißt er, und ist erst Anfang 20. Er hat sehr große, verträumte Augen mit langen Wimpern, und er ist noch so linkisch in seinen Bewegungen, wie man es eigentlich nur von einem Teenager erwartet. Er hat wohl früher mal viele Jahre Klavier gespielt und muss dabei auch ganz gut gewesen sein, hat das Klavierspiel aber mit 14 wieder aufgegeben. Und nun kam er zu mir, weil er ein bestimmtes Musikstück spielen wollte, die Wanderer Fantasie von Schubert. Nach so vielen Jahren ohne Übung traute er sich das wohl nicht zu, sich das Stück allein zu erarbeiten, obwohl er es früher sogar schon einmal spielen konnte. Das kam mir alles etwas merkwürdig vor. Ich dachte mir gleich, dass eine Frau dahinter steckt. Weshalb sonst will wohl ein junger Mann auf einmal ein bestimmtes Musikstück beherrschen können? Er wollte es zuerst nicht zugeben, aber ich habe so lange gebohrt, bis er schließlich damit herausgerückt ist. Ja, er wollte die Wanderer Fantasie für eine Nachbarin spielen können, ein 18-jähriges Mädchen, die ihm gesagt hatte, sie lässt sich nur dann auf ein Date mit ihm ein, wenn er ihr das vorspielt. Nach außen hin zeigte ich mich sehr verständnisvoll und versprach, ihm dabei zu helfen, dass er zu seinem Treffen kommen kann. Innerlich allerdings habe ich mich schon ziemlich amüsiert.
Auf was für Ideen die Teen Girls heutzutage so alles kommen! Eine Verabredung erst, wenn der Verehrer gut genug Klavier spielen kann … Was bildete diese junge Göre sich eigentlich ein? Irgendwie weckte das auch meinen Ehrgeiz. Ein junger Mann, der bereit ist, für ein Teeny Girl so viel zu investieren, um zu einem Date zu kommen, wie hingebungsvoll musste der erst sein, wenn ihm eine Frau freiwillig und ohne solche blödsinnigen Bedingungen bereit war, ihm ihren Körper und vielleicht sogar ihr Herz zu schenken! Ja, ich wollte mir beweisen, dass ich eine Chance gegen dieses junge Ding hatte. Auch wenn für reife Frauen wie mich, mit Anfang 40, junge Männer von Anfang 20 eigentlich viel zu jung sind … Aber wen schert das denn schon?