Dieses Jahr sollte es ein ganz besonderes Weihnachten werden. Und, um das gleich vorweg zu nehmen, das wurde es auch tatsächlich. Unser Freund Christoph hatte sich wirklich alle Mühe gegeben. Weil es sehr viel Arbeit war, diese ganz besondere Weihnachtsfeier zu organisieren, hatte sich Christoph im Kreis der Männer, die davon profitieren sollten, Hilfe geholt; unter anderem bei mir. Ich hätte nie gedacht, was es für ein Heidenaufstand werden könnte, ein solches festliches Wochenende zu organisieren! Grob gesprochen brauchte man ja eigentlich nur drei Dinge; wobei der Begriff „Dinge“ für eine der Zutaten nicht ganz passend ist.
Wir brauchten zunächst eine passende Umgebung, denn wenn wir Weihnachten natürlich auch bei einem von uns zuhause hätten feiern können, es wäre doch irgendwie nicht ganz das Richtige gewesen. Wir hatten uns da schon eine etwas andere Umgebung vorgestellt als die, wo wir uns sonst täglich aufhielten; irgendetwas Besonderes. Da wir alleine sein wollten, nur wir fünf Freunde, kam es nicht in Frage, irgendwo in einem Hotel zu feiern; es musste schon ein Ferienhaus oder so etwas sein. Natürlich schadete es nichts, wenn dieses Ferienhaus eine gewisse exklusive Ausstrahlung besaß und mit einigem Luxus ausgestattet war, aber das war nicht zwingend. So etwas müsste doch recht leicht zu finden sein, dachte ich mir. Ihr werdet gleich noch sehen, dass ich mich damit gründlich geirrt hatte. Die zweite Zutat waren Essen und Trinken. Das mussten wir uns entweder selbst besorgen, inklusive Wein, Sekt und Festtagsmahl sowie süßer Leckereien – die waren besonders für die dritte Zutat gedacht, zu der wir gleich noch kommen -, oder aber uns in das Ferienhaus schicken lassen. Was bedeutete, dass wir dieses erst einmal finden mussten, bevor wir den Verpflegungsnachschub organisieren konnten. Die dritte Zutat, das war eigentlich die alles entscheidende, die wichtigste. Von der ich ursprünglich gedacht hatte, sie sei am schwierigsten zu besorgen. Lasst mich die Spannung noch ein bisschen aufrecht erhalten und einstweilen darüber schweigen, worum es sich denn bei dieser Zutat handelte. Meine Aufgabe war es, mich um die erste Zutat zu kümmern und dabei eng mit Robert zusammenzuarbeiten, der für die zweite Zutat verantwortlich sein sollte. Dass wir unbedingt zusammenarbeiten mussten, war klar; je nachdem, wo wir über das Wochenende untergebracht waren und was für Möglichkeiten es dort gab, mussten wir ja die Form der Verpflegung und die gesamte Logistik entsprechend anpassen.
Angefangen mit der Suche nach einer geeigneten Location hatte ich guten Mutes. Wir hatten mit den Vorbereitungen für unsere ganz spezielle Weihnachtsfeier bereits im September begonnen, und ich war mir sicher, dass man ein Vierteljahr vorher noch alle Möglichkeiten offen hatte. Dem war aber ganz und gar nicht so. Viele der Locations, die ich mir im Internet als in Frage kommend herausgesucht hatte, waren für Weihnachten längst vergeben. Da hätten wir höchstens für Weihnachten im nächsten Jahr etwas buchen können. Aber wer plant denn schon über ein Jahr im Voraus? Wir selbst hatten die Idee für unsere speziellen Weihnachten ja auch gerade erst im August gehabt, als wir uns nach unserem Sommerurlaub, den wir getrennt voneinander verbracht hatte, alle zusammen getroffen hatten, um uns über das auszutauschen, was wir im Urlaub erlebt hatten. Drei Wochen vergingen, und ich hatte uns immer noch kein Ferienhaus sichern können. Ich war schon total hektisch, denn ohne geeignete Location konnten wir alle unsere Pläne so ziemlich vergessen. Also verdoppelte ich meine Anstrengungen. Jeden Tag verbrachte ich mehrere Stunden im Internet bei den Immobilien-Suchmaschinen für Ferienhäuser, ich fragte jeden Bekannten, der mal ein Ferienhaus angemietet hatte, und wandte mich sogar an verschiedene Touristikzentren. Und dann wurde ich endlich fündig; auf eine sehr überraschende Weise bei einem Objekt, von dem ich nie im Traum gedacht hätte, dass wir es uns würden sichern können. Normalerweise hätten wir da auch keine Chance gehabt. Es war nämlich ein Schloss, ein echtes Märchenschloss, mit einem großen Park drum herum, inklusive Brunnen und so weiter, und zwar sogar ganz bei uns in der Nähe. Es war jetzt nicht gerade ein riesiger Landsitz; eher ein kleines Schlösschen. Die Miniaturausgabe eines Schlosses sozusagen, mit insgesamt lediglich etwas über zehn Räumen. Was zwar für eine normale Wohnung riesig, für ein Schloss allerdings dann doch eher klein ist. Trotzdem, es sah schon klasse aus – richtig edel, vornehm und herrschaftlich. Es war wohl früher mal das Zweitschloss von irgendeinem Herzog gewesen oder so etwas. Und dieses Schloss konnte man nun für festliche Veranstaltungen anmieten, sogar über mehrere Tage hinweg. Allerdings war der Preis dafür pro Tag so happig, dass ich schon schlucken musste. Das überstieg eigentlich etwas unseren dafür gedachten Etat. Andererseits – für eine so fürstliche Umgebung, die dem Zweck unserer speziellen Weihnachtsfeier mehr als angemessen war, konnte man eigentlich schon mal etwas mehr ausgeben.
Trotzdem war ich mir sicher, wir würden hier gleich ebenso wie bisher überall sonst eine Abfuhr kriegen, weil das Schloss über Weihnachten bereits vermietet war. Trotzdem machte ich mir die Mühe und rief einmal bei der Telefonnummer an, die man dort als Kontakt angegeben hatte; wozu hat man denn beim Telefon eine Flatrate! Und da passierte nun etwas ganz Erstaunliches. Es war eine junge Dame, die ich da am Telefon hatte, und als ich, wenig hoffnungsvoll, mein Anliegen vorgebracht hatte, fing sie auf einmal an zu lachen. Was mich schon ein wenig verunsicherte. „Sie kommen genau richtig“, meinte sie dann. „Natürlich war das Schloss für Weihnachten eigentlich schon vergeben, aber vor einer halben Stunde habe ich die Absage bekommen. Es sollte eine Goldene Hochzeit dort gefeiert werden, aber leider ist überraschend die Jubilarin verschieden. Ein trauriger Anlass. Wir haben gleich alles storniert – das Schloss ist also wieder frei. Und wenn Sie sich alles selbst zurechtmachen, mit Putzen und so, kann ich Ihnen sogar 10 % Rabatt einräumen. Das hätten wir für die Goldene Hochzeit eigentlich noch organisieren müssen, da sparen wir enorm was ein.“ Na, das klang doch perfekt! Nicht dass ich jetzt wirklich vorgehabt hätte, mich selbst auf die Knie zu begeben und alte Steinfußböden zu scheuern – aber dafür hatten wir ja die dritte Zutat, zu der wir nun gleich kommen. Auf jeden Fall hatten wir jetzt die perfekte Location, und Robert konnte sich ans Organisieren des Weihnachtsessens und all der Dinge machen, die man sonst noch so an Verpflegung braucht. In dem Schloss war eine perfekt ausgerichtete Küche, von daher mussten wir uns beim Kochen keinen Zwang antun. Auf einer Zweierkochplatte in einer Ferienwohnung oder so hätte man ja ganz anders planen müssen. Mein Teil der Vorbereitungen war damit abgeschlossen. Ich erstattete Christoph Bericht, der für die dritte und wichtigste Aufgabe zuständig war; das Besorgen der dritten Zutat. Dafür muss ich nun ein wenig weiter ausholen. Wir fünf, Christoph, Robert, ich und dann noch Martin und Ingo, wir waren alle dominant. Und mit dominant meine ich in diesem Zusammenhang nicht einfach etwas forsch und bestimmend, sondern wirklich dominant, im BDSM Sinn. Diese Leidenschaft hatte uns erst zusammengeführt, denn davon abgesehen waren wir so unterschiedlich, wie man es überhaupt nur sein konnte. Christoph ist Journalist, Robert Professor an der Universität, ich Elektriker, Martin hat ein eigenes Geschäft für Outdoor-Ausrüstung, und Ingo ist unser Künstler; ein brotloser Schriftsteller, der sich mithilfe kleiner Jobs und einer großen Erbschaft über Wasser hält. So gesehen bilden wir beinahe einen repräsentativen Querschnitt der männlichen Bevölkerung …