Ich bremste scharf. Was machte der Typ denn wohl nachts im Wald? Das heißt, er war nicht im Wald, sondern er stand an der Straße, auf der ich gerade von einem langen, anstrengenden Termin nach Hause fahren wollte, aber hinter dieser Straße beginnt gleich der Wald. Er hielt nicht den Daumen nach oben, er war also kein Anhalter oder so etwas – er stand einfach nur da. Trotzdem, ein einsamer Mann abends um weit nach Mitternacht auf einer einsamen, dunklen Landstraße, da musste ich einfach anhalten und fragen, ob bei ihm alles in Ordnung war. Ein paar Meter hinter ihm brachte ich mein Auto zum Stehen. Er kam sofort angerannt. „Kann ich dich mitnehmen?“, fragte ich aus dem Seitenfenster heraus, über meinen Freund hinweg, der bei mir auf dem Beifahrersitz saß. Ohne männliche Begleitung, bei der ich mich sicher fühlte, hätte ich nie angehalten; dazu hätte ich viel zu viel Angst gehabt. „Das wäre nett von dir“, antwortete der Fremde. Wenn er mitgenommen werden wollte, warum hatte er dann nicht den Daumen geschwenkt? Ein komischer Kauz war das! Und wieso war er überhaupt hier unterwegs, um diese schon nachtschlafende Zeit? Na, mir sollte das recht sein. So war er das passende Opfer für meinen Freund, Herbert, und mich. Niemand würde es sehen, wie er zu uns ins Auto stieg, und niemand würde ihn bei uns suchen, wenn wir etwas mit ihm anstellten … Ich stieß Herbert an. „Setz dich nach hinten und lass ihn nach vorne“, zischte ich ihm leise zu. Sofort stieg er aus und ließ den Fremden auf den Beifahrersitz, setzte sich selbst nach hinten auf die Rückbank. Als der Fremde angeschnallt war, fuhr ich los. Ich fragte ihn nach seinem Namen; Joachim lautete der. Was er auf der Landstraße machte, danach fragte ich ihn nicht. Zu viel über ein Opfer zu wissen, ist nie gut. Aber wo er hin wollte, das musste ich noch erfragen. Dummerweise war sein Ziel ziemlich weit von unserer Wohnung entfernt. Das bedeutete, wir mussten recht früh dafür sorgen, dass er nicht protestierte gegen das, was wir mit ihm vorhatten. Ich hatte Herbert jetzt zwar nicht ausdrücklich gefragt, ob er auch Lust hatte, aber ich war mir ziemlich sicher, das war der Fall. Für solche Spiele ist Herbert immer zu haben.
Ich wartete, bis wir an die erste Kreuzung kamen, wo es zu Joachims Wohnung geradeaus weiter ging und ich für Herberts und meine Wohnung links abbiegen musste. Ich ordnete mich auf der Linksabbiegerspur ein, hoffte dabei, Joachim würde es nicht bemerken, dass wir dadurch auf den falschen Weg gerieten. Oder vielmehr, aus Herberts und meiner Sicht, auf den richtigen. Aber Joachim war aufmerksamer, als mir das lieb gewesen wäre. „Hey, zu mir geht es geradeaus“, sagte er. „Ich weiß“, erwiderte ich, „aber ich kenne eine Abkürzung.“ „Das kann nicht sein“, schüttelte Joachim neben mir den Kopf. „Der Weg geradeaus ist der kürzeste zu meiner Wohnung.“ Womit er übrigens recht hatte. Es half alles nichts – wir mussten gleich damit beginnen, uns Joachim gefügig zu machen. „Herbert?“, meinte ich fragend mit leicht nach hinten geneigtem Kopf. „Ich bin bereit“, sagte der nur. „Dann los!“, gab ich den Startbefehl, und schon legte sich ein grobes Tuch um Joachims Gesicht und Hals. Natürlich wehrte er sich. Damit hatte ich gerechnet und gleich aus der Ablage in der Fahrertür meinen Elektroschocker herausgeholt. Als die Ampel gerade auf Grün schaltete, war ich soweit und versetzte ihm einen elektrischen Schlag. Der ihn sofort in sich zusammensinken ließ. Er war nicht bewusstlos; so stark ist der Elektroschocker nicht. Aber er hatte wohl gemerkt, dass wir beide nicht mit uns spaßen ließen, und beschlossen, lieber erst einmal alles geschehen zu lassen. Ich fuhr los, in die nach links abgehende Straße hinein. Recht bald waren wir bei uns angekommen. Ich fuhr in die Tiefgarage und stellte das Auto auf unserem Platz ab. Herbert sprang sofort heraus, öffnete die Beifahrertür und zerrte Joachim aus dem Auto. Dabei fiel das Tuch zu Boden, das Herbert wieder einsteckte. In Windeseile hatte er Joachim die Arme auf den Rücken gedreht und ihm Handschellen angelegt. Er stieß ihn vor sich her, als wir zum Aufzug gingen. Um diese Zeit mussten wir eigentlich nicht mehr damit rechnen, dass uns jemand begegnete. Trotzdem waren wir froh, als wir ohne Zwischenfall in unserer Wohnung angekommen waren.