Also so hatte er sich das ganz bestimmt nicht vorgestellt, seine Entführung! Klar, er hatte sie sich selbst gewünscht. Es war schon immer sein Traum gewesen, einmal von zwei solch strengen, dominanten und dabei doch attraktiven Ladys entführt zu werden. Aber hatten sie es nicht ein wenig übertrieben mit dem Realismus, mit dem sie die Entführung versehen hatten? Es war natürlich alles abgesprochen gewesen.
Sie drei hatten sich, nachdem sie sich auf der SM Party getroffen und sich gleich sympathisch gefunden hatten – nun ja, da war auch noch ein bisschen mehr gewesen als Sympathie, zumindest auf seiner Seite, eine unwiderstehliche erotische Anziehungskraft … – mehrfach getroffen und alles genau geplant. Es war Zufall gewesen, dass auf der Sadomaso Party ausgerechnet eine Autorin aus einem ihrer neuesten SM Bücher vorlesen sollte, in dem es um die Entführung und Erziehung eines Sklaven durch zwei Herrinnen ging. Das heißt, von seiner Seite her war es kein Zufall gewesen, sondern der einzige Grund, warum er sich als Single Mann auf diese Sexparty gewagt hatte. Er wusste ja, wie das war. Zuerst einmal zahlte er mehr Eintritt als die Paare oder gar die Solo Damen, die alle kostenlos hineinkamen, dann würde er die meiste Zeit dumm herumstehen, und was er auch machte, es war garantiert falsch. Wenn er den anwesenden Damen – wobei ihn vorwiegend die dominante Frauen interessierten, nicht die devoten – nicht genügend Aufmerksamkeit schenkte, dann waren sie beleidigt und ließen ihn das spüren. Schenkte er ihnen jedoch zu viel Aufmerksamkeit, war das natürlich auch wieder nicht recht, denn dann fühlten sie sich belästigt und hielten ihn für aufdringlich. Deshalb hatte er versucht, sich immer am Rand zu halten und möglichst nicht aufzufallen. Ganz so unauffällig war seine Person aber offensichtlich doch nicht gewesen, denn als die Lesung geendet hatte, waren diese beiden erkennbar dominanten Frauen auf ihn zugekommen. Sie hatten sich nicht vorgestellt, keinen Small Talk gemacht, sie waren gleich auf ihr Ziel zugesteuert. „Du hast ausgesehen, als ob dir das gefallen würde, auch mal entführt zu werden„, hatte die eine gesagt, die Blonde, von der er jetzt wusste, sie nannte sich Mistress Regina. Er hatte sehnsüchtig geseufzt und die Frage bejaht. So sehr war er noch befangen in der sinnlichen Stimmung, die die Lesung in ihm hervorgerufen hatte, er hätte nichts anderes tun können als zugeben, was für die beiden Dominas ohnehin offensichtlich war.
Zu dritt hatten sie sich noch lange unterhalten, ohne dass erneut die Sprache auf eine Entführung gekommen wäre. Er hatte eine Weile jegliche Anrede vermieden. Die zwei Damen duzten ihn ganz selbstverständlich, doch für ihn als devoten Mann wäre es empfehlenswert gewesen, sie zu siezen. Er war auch bereit dazu, fürchtete jedoch, es könne ihm wiederum als Zeichen von Aufdringlichkeit angekreidet werden. Doch irgendwann ließ es sich nicht mehr vermeiden, dass er eine von beiden direkt ansprach – es war die Brünette gewesen, Katerina -, und das „Sie“ war ihm ganz selbstverständlich von den Lippen gekommen. Als es passiert war, schauten die beiden sich an, als ob es ein Zeichen gewesen wäre, auf das sie nur gewartet hatten, und sie hatten beide sehr zufrieden gelächelt, wie Katzen, die gerade den Kanarienvogel gemopst haben. Und sofort hatte Mistress Regina ihn gefragt, ob es nur eine Fantasie von ihm wäre, oder ob er bereit sei, eine solche Entführung wirklich einmal real zu erleben; als dominant-devotes Rollenspiel natürlich, und insofern nur gespielt real, aber doch in echt.
Er hatte das sofort begeistert bejaht, ohne sich Gedanken über die Konsequenzen dieser Antwort zu machen. Wieder hatten die zwei Dominas sich angesehen und gelächelt. Dabei war es ihm schon ein wenig unbehaglich geworden. Weiter war es an diesem Abend auf der SM Party nicht gegangen, aber die zwei hatten ihn für drei Tage darauf zu sich eingeladen, oder vielmehr in Katerinas Wohnung, und dabei waren sie dann mit der Sprache herausgerückt. Auch sie träumten von einer Entführung, nur in ihrem Fall als die Aktiven, als die Entführer, und sie hatten schon eine ganze Weile lang Ausschau nach einem geeigneten Opfer gehalten. In ihm glaubten sie es wegen seines träumerischen Ausdrucks bei der Lesung gefunden zu haben – und dieser Eindruck hatte sie ja nun auch nicht getrogen.
Als sie alles besprachen, wie das mit der Entführung ablaufen sollte, hatten die beiden sich gar nicht als dominante, launische Ladys gezeigt. Es war eine durch und durch partnerschaftliche Absprache gewesen; nur dass er die beiden weiterhin gesiezt hatte, während sie ihn durchgehend duzten. Ansonsten jedoch hatte er volles Mitspracherecht besessen, und wenn er etwas abgelehnt hatte, wurde es verworfen, selbst wenn die beiden ihn hätten überstimmen können. Es war also bis in die kleinsten Details sein eigener Wunsch gewesen, der die Umstände der Entführung bestimmt hatte. Und exakt wie es abgesprochen war, war es auch passiert. Er war mit dem Zug bis zu einem kleinen Bahnhof gefahren, der sozusagen mitten in einer fast menschenleeren Pampa stand. Dort hatte ein Wagen gestanden. Als er sich suchend umgesehen hatte, waren die beiden Damen auf ihn zugekommen und hatten so getan, als ob sie ihn nicht kennen würden. Katerina hatte ihn um Feuer gebeten, und als er es ihr gab, hatte Lady Regina von hinten etwas über seinen Kopf geworfen und zugezogen; nicht so, dass er Angst haben musste zu ersticken, aber doch fest.