… dass manche Frauen zu Huren werden? Das kann ich euch so generell natürlich nicht beantworten, aber ich kann euch genau sagen, wie es bei mir dazu gekommen ist. Ich bin eine professionelle Hure – und ich bin stolz darauf. Falls ihr jetzt so eine auf-die-Tränendrüse-drück-Geschichte mit zum Sex gezwungen, wirtschaftlichen Schwierigkeiten und so etwas erwartet, dann seid ihr bei mir falsch. Ich liebe Sex, und ich gehöre gerne zu den Huren.
Natürlich hat auch der Zufall eine Rolle dabei gespielt, dass ich zur Hure geworden bin, aber ich kann diesen Zufall nicht bedauern und schon gar nicht beklagen. Angefangen hat alles damit, dass man mir in meiner Firma gekündigt hat. Aha, werdet ihr jetzt sagen, also doch eine Story von einem schweren Leben mit unerträglichen Umständen, die das Weib zur Hure gemacht haben. Nein, das stimmt nicht. Ich fand es natürlich nicht gerade toll, auf der Straße zu stehen, aber damals sah das mit den Jobs hier noch nicht so mau aus wie heute – ich bin jetzt schon seit ein paar Jahren Hure -, ich wusste, ich werde ganz schnell wieder einen neuen Arbeitsplatz finden, und wenn nicht, dann genieße ich eben eine Weile das ruhige Leben mit Arbeitslosengeld. Deshalb habe ich mir um meine Zukunft keine großen Sorgen gemacht. Ein bisschen traurig war der Abschied von meinen alten Kollegen und Vorgesetzten natürlich schon. Besonders von dem einen Vorgesetzten, von dem man munkelte, er habe sich entschieden gegen meine Entlassung gewehrt, sich aber nicht durchsetzen können.
Kilian Meister hieß dieser Typ übrigens; oder vielmehr, so heißt er noch. Ein schöner Name, nicht wahr? Er war – ist – ein ganz merkwürdiger Kerl. Auf der einen Seite sieht er wirklich nicht schlecht aus, ist sehr schlank und kleidet sich ausgesprochen modisch und schick. Auf der anderen Seite fehlen ihm aber die Muskeln und der selbstbewusste, gerade Gang. Er wirkt sehr zurückhaltend, eher wie ein blasse, dünner Streber. Das wird noch dadurch betont, dass er zwar eine beginnende Glatze hat, die verbleibenden Haare jedoch, sehr fein und dünn und sehr blond, lang genug trägt, dass sie ihm beinahe bis auf die Schultern fallen. Ich mag diesen Typ Mann. Aber ich mag so gut wie jeden Typ Mann und weiß jeden auf seine Weise zu schätzen, von daher will das nichts heißen. Ich weiß auch, dass ein paar meiner Kolleginnen in Kilian Meister richtig verknallt waren, aber er wirkte immer so kühl und abweisend, dass sich keine getraut hat, mit ihm auch nur zu flirten. Ich war nun nicht gerade verliebt in ihn, aber ich empfand ihn schon als sehr attraktiv und auch sehr nett. Ihn nicht mehr jeden Tag sehen zu können, machte mir schon etwas aus. Ihn schien das auch nicht unberührt zu lassen, denn als ich mich von ihm verabschiedete, stand er sogar von seinem Schreibtisch auf, kam zu mir, nahm mich in die Arme und drückte mich fest an sich. Ich weiß nicht, ob er ahnte, was diese Umarmung in mir auslösen würde? Ich bin nun mal in Sachen Erotik ausgesprochen feinfühlig. Schon das kleinste Prickeln reicht aus, und meine rasierte Muschi wird nass. So war es auch bei dieser Umarmung.
Als ich die Firma, zum letzten Mal, verließ, war ich ganz verwirrt, mir war heiß. Kurz – ich war geil. Nun hat das geil Sein, wenn man nicht in einen bestimmten anderen Menschen verliebt ist, einen großen Vorteil – man sehnt sich nicht nach einer bestimmten Person, sondern man sehnt sich schlicht nach Sex, den einem ja auch ein anderer geben kann. Bloß stand um diese Zeit, es war an einem Dienstag Mittag gegen zwölf Uhr, natürlich keiner bereit, der mich hätte vögeln und diese Sehnsucht befriedigen können. Ich bin dann nach Hause gegangen und habe es mir selbst besorgt, aber das war irgendwie nicht so ganz das Wahre. Danach war ich immer noch tierisch erregt und hatte wahnsinnige Lust darauf, den Schwanz eines Mannes in mir zu spüren. Nur, wie sollte ich das anstellen? Um die Zeit waren die meisten Männer ja bei der Arbeit. Außerdem, einen festen Freund hatte ich zu diesem Zeitpunkt nicht – den habe ich heute auch noch nicht, weil ich ihn gar nicht brauche -, und andere Sexkontakte hätte ich ja erst einmal finden müssen. Da habe ich es heute besser – Huren haben immer alle Sexkontakte, die sie brauchen, und müssen sich nicht einmal sehr großartig darum bemühen. Aber damals war ich halt noch ein braves Mädchen, und ich wusste echt nicht, wo und wie ich jetzt einen Mann aufreißen sollte, den ich dringend brauchte.
Statt mich damit abzulenken, dass ich irgendetwas unternahm, bin ich einfach in meiner Wohnung herumgehangen und habe nichts getan. Dadurch wurde meine Laune immer schlechter. Als es dann irgendwann am späten Nachmittag an der Tür klingelte, war ich so heilfroh, endlich Gesellschaft zu bekommen, ich hätte mich wahrscheinlich sogar über die Zeugen Jehovas gefreut und sie hineingebeten. Wobei es bei denen wahrscheinlich sinnlos ist, sie zum Sex überreden zu wollen … Es waren aber nicht die Zeugen Jehovas, die da vor der Tür standen, sondern es war Kilian Meister. Mich traf ja beinahe der Schlag. Was machte der denn hier? Ich war so überrascht, dass ich erst einmal meine guten Manieren vergaß und erst von ihm lächelnd daran erinnert werden musste, ihn hereinzubitten. Ich bot ihm dann auch gleich was zu trinken an. Er nahm an, wollte aber nur Kaffee, keinen Wein. Okay, also ließ ich ihn da im Wohnzimmer sitzen und ging in meine winzige Küche, um Kaffee zu kochen. Zum Glück war meine Wohnung einigermaßen ordentlich, und ich hatte mich nach meiner unbefriedigenden Masturbationsorgie auch wieder zurechtgemacht. Er konnte also nicht den Eindruck bekommen, dass ich eine Schlampe wäre. Während die Kaffeemaschine lief, blieb ich in der Küche. Ich musste mich erst einmal wieder fangen und überlegte fieberhaft, was er wohl von mir wollen könnte. Bestimmt war es keine Mitteilung, ich hätte meinen Job wieder; das wäre schriftlich geschehen oder durch die Geschäftsführer, aber nicht durch einen simplen Abteilungsleiter. Außerdem glaubte ich daran nicht und hoffte auch nicht darauf. Ich hatte mich schon mit dem Verlust des Arbeitsplatzes abgefunden.