Ich hatte meine Frau vorher noch nie betrogen. Ich hatte weder die Absicht zu einem Seitensprung, noch spürte ich vor dieser alles entscheidenden Zugfahrt entsprechende Gelüste aufs Fremdgehen. Ich war ein ganz braver Ehemann; vielleicht ein bisschen langweilig, aber dafür äußerst zuverlässig. Meine Frau konnte sich immer darauf verlassen, dass andere Frauen mich nicht reizten. Sie selbst reizte mich zwar auch schon längst nicht mehr. Das kann auch niemand erwarten und verlangen, nach fast 15 Jahren Ehe. Aber ich war fest entschlossen, dieses nachlassende Feuer des ehelichen Sexlebens nicht in einen Seitensprung ausarten zu lassen und dort das zu suchen, was ich bei meiner Frau nicht mehr fand. Das wäre mir irgendwie billig vorgekommen. Keine Frau ist besser als meine Ehefrau.
Eine andere Frau mochte zwar neu sein, fremdartig und ungewohnt, was alleine schon einen großen Reiz ausmacht gegenüber dem Altgewohnten, und deshalb wusste ich sehr wohl, es konnte irgendwann der Zeitpunkt kommen, an dem ich in Versuchung geriet – aber nachgeben würde ich dem nicht, das hatte ich mir fest vorgenommen. Das hatte meine Frau nicht verdient, dass ich sie betrog, denn sie war mir eine ebenso brave Ehefrau, wie ich ihr ein braver Ehemann war. Sie konnte ja nun auch nichts dafür, dass die ungeduldige Begierde der Menschen sie ständig an immer neue Ufer drängt, ihnen immer das als am begehrenswertesten erscheinen lässt, was sie nicht haben können, und durch die Gewohnheit das entwertet, was man hat, und was man genießen könnte, wenn es nicht so vertraut und dadurch irgendwie schal geworden wäre. Ja, soweit zu den guten Vorsätzen, die ich hatte. Und nun zu der Realität, die mir sämtliche Pläne durchkreuzte. Mein erster und einziger Seitensprung Sex ist zwar jetzt schon viele Jahre her; und seitdem bin ich meiner Frau auch nie mehr untreu geworden. Trotzdem kann ich diesen einen Seitensprung nicht vergessen. Und ich kann auch die Fremde im Zug nicht vergessen, mit der ich fremdgegangen bin. Eine Frau, von der ich nicht einmal den Namen weiß. Eine Frau, von der ich lediglich weiß, dass sie damals, vor vielen Jahren, in einem kleinen Ort an der Eisenbahnstrecke zwischen Heidelberg und Darmstadt wohnte. Das heißt, so ganz sicher weiß ich das auch nicht; ich weiß lediglich, dass sie dort ausgestiegen ist. Aber vielleicht wohnte sie da gar nicht, sondern sie wollte nur eine Freundin besuchen oder so etwas.
Als ich in Heidelberg in den Zug gestiegen bin, saß sie schon da. Der ganze Zug war ziemlich voll, und ich hatte Mühe, überhaupt einen freien Sitzplatz zu finden. Dann sah ich auf einem Platz eine Frau sitzen, deren nett ausgedrückt „raumgreifendes“ Benehmen mich wirklich empörte, angesichts der vielen Fahrgäste, die jetzt hektisch herumliefen, um möglichst noch vor dem Anfahren des Zuges einen Platz gefunden zu haben. Ich hatte es wegen eines Abend-Termins nicht vermeiden können, zusammen mit anderen, die täglich um diese Zeit fuhren, ausgerechnet diesen vollen Zug zu nehmen, denn mein Auto war in der Werkstatt. Das hatte mir schon die Laune ziemlich verhagelt. Die Frechheit der Fremden, sich trotz Platznot so sehr auszubreiten, brachte mich jetzt richtig in Wut. Sie saß da auf einer Doppelbank, hatte neben sich eine schwere Tasche stehen, und auf der gegenüber liegenden Bank hatte sie rechts ihren Mantel ausgebreitet – und rechts ihre Füße in Strümpfen. Ihre Schuhe standen, wie ich später sehen konnte, vor ihr auf dem Boden. Noch während ich mich darüber aufregte, wie unverschämt sie da als Einzelperson gleich vier Sitzplätze in Beschlag nahm, wo es doch ohnehin nur so wenige gab in diesem zur üblichen Pendlerstoßzeit vollbesetzten Bummelzug, konnte ich nicht umhin zu bemerken, wie sinnlich das hautfarbene Nylon im Licht der Nachmittagssonne schimmerte; mit einem hinreißenden silbernen Glanz. So seidig sahen die Strümpfe aus, ich spürte unwillkürlich den ganz starken Wunsch, mit den Händen darüber zu streichen. Das lässt sich vielleicht auch damit erklären, dass Nylons für mich ein ganz ungewohnter Genuss waren. Meine Frau ist eher der burschikose, lässige Typ. Sie trägt fast nur Hosen und höchstens im Sommer mal einen Rock oder ein Kleid, wenn sie auf Nylons verzichten kann und ihre nackten Beine zeigen, die sie immer mit Selbstbräunungs-Lotion braun färbt. Im Winter kann es zwar schon mal sein, dass sie dann doch eine Nylonstrumpfhose trägt; aber immer nur als zusätzlichen Schutz gegen die Kälte unter der Hose – und also nicht sichtbar. Außerdem sind das sowieso eher nützliche Stützstrümpfe als schicke Nylons. Das Ungewohnte der glänzenden Nylonstrümpfe war es, was mich zuerst an dieser Frau faszinierte.
Nicht dass ich sie diese Faszination hätte spüren lassen; oh nein. Sehr zielstrebig und mit einem reichlich bösen Gesicht ging ich auf sie zu und fragte sie sehr spitz, ob sie für vier Sitzplätze bezahlt hätte, weil wenn nicht, sollte sie die zusätzlichen drei bitte umgehend für die anderen Fahrgäste räumen. Ich hatte damit gerechnet, dass sie nun ganz erschrocken eine Entschuldigung murmeln und die drei zusätzlichen Plätze räumen würde. Letzteres tat sie auch; allerdings in aller Seelenruhe und ohne ein Wort, auch ohne schlechtes Gewissen, mit einem amüsierten Lächeln auf den schön geschwungenen und sehr rot geschminkten Lippen. Diese Lippen waren es, die mich als nächstes faszinierten. Sie waren so rot … so voll … Wie es wohl wäre, sie zu küssen? Ärgerlich auf mich selbst, wegen dieser erotischen Gedanken, die sie nun schon zum zweiten Mal in mir auslöste, nahm ich ihr gegenüber Platz. Nachdem ich ihr brummig geholfen hatte, ihre Tasche im Gepäcknetz zu verstauen. Wozu sie mich nicht etwa mit Worten aufforderte, sondern indem sie mir die Tasche einfach hinhielt. Kaum saß ich, lehnte ich mich zurück und schloss die Augen. Ich musste mich gedanklich dringend auf den bevorstehenden Termin einstellen, von dem einiges abhing. Aber die ganze Zeit hatte ich das Gefühl, beobachtet zu werden. Ungehalten öffnete ich die Augen – und tatsächlich ruhten die der Fremden auf mir, die von einem ganz erstaunlichen Blaugrau waren, das mich fast an Türkis erinnerte. Ihre Schuhe, sehr schicke Sommerpumps mit Stickerei auf der Schuhspitze und einem Keilabsatz, hatte sie inzwischen wieder angezogen, die Beine übereinander geschlagen – dadurch war ihr der Rock bis über die Knie hochgerutscht -, und mit einem Bein wippte sie ständig.