Wenn man eine Weile lang arbeitslos war, dann wird man irgendwann total verzweifelt und ist zu allem bereit, nur um endlich wieder einen Job zu bekommen. Da wird man sogar zur Hobbyhure und verkauft seinen Körper statt seiner sonstigen Leistungen, von denen man ja ohnehin bereits gemerkt hat, dass sie keinen Arbeitgeber so richtig interessieren.
Anfangs hatte ich zu den Vorstellungsgesprächen – wenn ich bei meinen zahlreichen Bewerbungen überhaupt so weit kam, dass ich zu einem solchen Gespräch eingeladen wurde und nicht bereits vorher eine Absage erhielt oder aber nie wieder etwas hörte, nachdem ich meine Bewerbungsmappe losgeschickt hatte – immer auf genau das geachtet, was ich gelernt hatte: dezente, nicht zu auffällige Kleidung, auf keinen Fall offenherzig, wenig Schmuck, alles seriös. Ich war in Blusen und knielangen Röcken aufgetaucht, mit hautfarbenen Nylons, mit lediglich zwei dezenten Schmuckstücken, und in Outfits, wie ich sie auch meiner Großmutter als anständig hätte verkaufen können. Der Erfolg war gleich null; kein einziger Betrieb wollte mich einstellen. Nach knapp einem halben Jahr ergebnisloser Versuche, eine Stelle zu ergattern, beschloss ich, alle Vorsicht und alles, was ich über Kleidung und Auftreten bei einem Vorstellungsgespräch gelernt hatte, in den Wind zu schießen und mich so zu kleiden, dass ich das ganz eindeutig sexuelle Interesse der Männer wecken konnte. Zu verlieren hatte ich nichts.
Bisher hatte man mich nicht genommen – und jetzt konnte mir auch nichts Schlimmeres passieren, als dass ich nach einem solchen Vorstellungsgespräch eine Absage bekam. Da konnte ich mit meiner frechen Kleidung auch keinen Schaden anrichten. Natürlich war mir klar, dass meine geplanten neuen Outfits bei weiblichen Personalchefs sicherlich nicht allzu gut ankommen würden; aber die gibt es ja kaum. Vorher hatte ich es eigentlich fast immer nur ausschließlich mit Männern zu tun gehabt, und ich ging nicht davon aus, dass sich das ändern würde. Meinen Entschluss, statt meiner Seriosität nunmehr meine Qualitäten als attraktive Frau vorzuführen, wenn eine Firma mich einlud, konnte ich gleich eine Woche später in die Tat umsetzen. Ganz überraschend erhielt ich von einer Firma, wo ich mich vor Wochen beworben und schon längst nicht mehr mit einer Antwort gerechnet hatte, geschweige denn mit einem relativen Erfolg wie der Einladung zum Interview, ein Schreiben, dass ich mich dann und dann in Zimmer so und so bei einem Herrn Wächter einzufinden hatte, der sich gerne mit mir über meine mögliche Anstellung unterhalten würde.
Herr Wächter, nicht Frau Wächter – das beruhigte mich sehr. Ich wusste zwar nichts über diesen Herrn Wächter; aber er war ein Mann, und das genügte mir. Ich wusste, wie ich mich zu kleiden hatte. Als ich mich anschließend im Spiegel betrachtete, nachdem ich mich für das Interview herausgeputzt hatte, musste ich lachen; ich sah tatsächlich eher wie eine Hobbynutte aus, als wie eine junge Frau ab 30, die sich um einen seriösen Arbeitsplatz bemühte. Mein Rock war nicht knielang, sondern oberschenkelkurz, meine Bluse stand sehr weit offen und gab flüchtige Einblicke auf meinen Busen frei, wenn ich mich auf die richtige Art bewegte, meine Nylons waren schwarz und gemustert, und meine Schuhe waren hochhackige Sandaletten in Rot, gehalten lediglich von einem Riemen um den Fuß vorne sowie einem Riemen um die Fußgelenke, der in einer Schleife endete. Noch dazu waren es Schuhe mit Plateausohlen, die mich gleich erheblich größer erscheinen ließen, selbst ohne die hohen Absätze. Dazu verpasste ich mir noch auffällige Creolen in einem roten Metall und einen Anhänger in Silber, besetzt mit Zirkonia, der ganz verlockend zwischen meinen Brüsten ruhte und bei richtigem Licht nur ab und zu im Ausschnitt der Bluse aufblitzte.
Über all das schlang ich einen kurzen Swingermantel aus rotem Lack. Das Einzige, was ich an meinem Hobbyhuren Outfit schwer bedauerte, das war, dass dieser Herr Wächter meinen schicken kurzen Lackmantel sicherlich gar nicht zu sehen bekommen würde, denn normalerweise zieht man bei einem Vorstellungsgespräch seinen Mantel vorher aus, irgendwo in einem Vorraum oder bei der Sekretärin oder so. Damit ich keinen Ärger mit irgendeiner Parkplatznot haben würde, der mich womöglich meine Pünktlichkeit bei diesem wichtigen Anlass kosten konnte, fuhr ich mit dem Bus zur Firma. Ich wohne mitten in der Stadt. Unser öffentliches Verkehrsnetz ist hervorragend; da kommt man zu jeder Zeit überall hin. Außerdem hatte das Busfahren den großen Vorteil, dass ich schon einmal die Reaktionen anderer Männer auf mein Huren Outfit testen konnte. Dieser Test war ein voller Erfolg. Schon der Busfahrer, an dem ich beim Einsteigen vorbeilief, schaute zuerst, wie üblich, flüchtig und gelangweilt auf die einsteigenden Fahrgäste, doch als er mich erblickte, war es, als ob ihn ein Schlag getroffen hätte. Er richtete sich auf, starrte mich fasziniert an, und in seinen Augen stand geschrieben, dass er aktuell ganz bestimmt gerade Probleme mit dem Platz in seiner Hose bekam. Ich lächelte in mich hinein und suchte mir einen Platz. Die Männer, an denen ich zu diesem Zweck vorbeilief, reagierten ähnlich wie der Busfahrer. Falls das ein Indikator war, dann würde ich diesen Herrn Wächter im Sturm erobern können.