Eigentlich ist meine Freundin an allem schuld. Sie hat mich überredet, diesen Kurs mitzumachen. Nein, keinen Tenniskurs; obwohl das Objekt meiner momentanen Begierde ganz bestimmt hinter keinem noch so gut aussehenden Tennislehrer zurückstehen muss. Es ist ein Zeichenkurs, genauer gesagt ein Kurs im Aktzeichnen, also im Abzeichnen nackter Modelle. Ich konnte eigentlich schon immer gut zeichnen, habe nur nie etwas daraus gemacht. In Kunst hatte ich in der Schule durchgehend meine eins, und meine damalige Kunstlehrerin hat auch versucht, mich zu überreden, dieses Talent auszubauen. Was auch immer man mir vorsetzt, ich kann es mit Bleistift, Rötel und Kohle verblüffend genau zu Papier bringen. Allerdings hatte ich überhaupt keine Lust, mich der brotlosen Kunst der Malerei und Zeichnerei zu verschreiben. Ich wollte einen Beruf, mit dem ich ganz sicher auch meinen Lebensunterhalt bestreiten kann.
So bin ich eine ganz normale Kauffrau geworden und habe später, nach meiner Schulzeit, nur in meiner Freizeit hin und wieder mal ein wenig gezeichnet. Mein Mann sieht das Zeichnen eher als notwendiges Übel statt als echtes Talent; es stört ihn, wenn ich in meiner Freizeit mit Papier und Stift zugange bin. Er hätte es am liebsten, wenn ich dieses Hobby ganz aufgebe. Dazu bin ich jedoch nicht bereit. Vor allem nicht, weil er ja schließlich auch seine Hobbys hat. Warum darf dann ich als Frau keine haben? Ich bin auch nicht immer damit einverstanden, dass er samstags zum Fußball geht, statt dass wir etwas gemeinsam unternehmen. Dann soll er sich auch nicht daran stören, wenn ich ab und zu lieber zeichne als neben ihm auf dem Sofa zu sitzen, wenn er einen Western anschaut oder einen anderen Film, der mich ohnehin nicht interessiert. Dass mein Mann so massiv gegen meine Zeichnerei ist, hat mich aus Trotz eigentlich eher sogar bewogen, mich dieses Hobbys noch ein wenig intensiver aufzunehmen. Und irgendwann hat meine Freundin ein paar meiner Zeichnungen gesehen. Ich hatte dieses Hobby seit der Schule vor anderen weit gehend verborgen; nicht weil ich mich schämte, sondern weil die Erfahrung mir gesagt hatte, dass kaum ein anderer etwas damit anfangen kann. Aber meine Freundin war total hin und weg von meiner Zeichenkunst. „Ellen„, meinte sie, „dieses Talent musst du fördern!“ Wäre da nicht dieser Trotz meinem Mann gegenüber gewesen, hätte ich das einfach ignoriert. Aber weil ich meinem Mann zeigen wollte, dass ich mir von ihm nicht in das hineinreden lasse, was ich in meiner Freizeit mache, zeigte ich mich interessiert.
Es dauerte nicht lange, bis sie mit einem Prospekt ankam, in dem für einen Kurs an der Kunsthochschule geworben wurde, der für alle offen war, auch für Nicht-Kunststudenten. Es ging um Zeichnen nach Modell. Und zwar, wie vorhin schon erwähnt, nach Akt Modell. Es gab auch andere Kurse, erklärte mir meine Freundin, aber sie sei besonders begeistert von der Zeichnung gewesen, die ich von mir selbst vor dem Spiegel angefertigt hatte, und sie meinte, lebende Modelle zeichnen sei eher etwas für mich als Stillleben. Und Aktmalerei müsse es halt sein, weil ich ja schließlich nicht in der Modebranche arbeiten wolle und der nackte Körper eines Menschen sowieso die größere Herausforderung darstelle. Eigentlich hatte ich ja ehrlich gesagt wenig Lust, jede Woche einen Abend in einem Atelier zu verbringen und irgendein im Zweifel ja weibliches nacktes Modell abzuzeichnen, das in der Mitte der kunstbegeisterten Schüler auf einem Podest eine möglichst bequeme und gleichzeitig ansprechende Haltung annahm.
Aber nun war es eigentlich zu spät, noch einen Rückzieher zu machen; dann wer meine Freundin sofort beleidigt gewesen. Ich bewarb mich also für den Kurs, musste auch ein paar Proben meiner Kunst einschicken – und wurde angenommen. Die Kosten für den Kurs bezahlte ich aus meiner heimlichen Kasse; ich hatte meinem Mann vor ein paar Monaten eine Gehaltserhöhung verschwiegen und hatte mir das Extra-Geld für genau solche Fälle auf ein gesondertes Konto zahlen lassen. In so einer kleinen Firma wie unserer geht das, solche Sonderwünsche durchsetzen. Mit einer großen Buchhaltung wäre es natürlich nicht machbar gewesen, die Gehaltsüberweisung in zwei teile aufzuteilen. So aber hatte ich mir inzwischen schon eine stattliche Summe erspart, von der mein Mann nichts wusste. Er fand es schlimm genug, dass ich diesen Kurs unbedingt machen wollte; hätte ich von ihm verlangt, dass er auch noch aus der gemeinsamen Kasse bezahlt wird, wäre das für ihn nur die beste Gelegenheit gewesen, ihn mir zu verbieten. Selbst ohne die finanziellen Verwicklungen gab es einige Szenen, weil ich diesen Kurs in Aktzeichnen unbedingt machen wollte. Ich würde den Haushalt und ihn vernachlässigen, meinte mein Mann, aber das war ja alles Blödsinn.
Ich merkte allerdings auch, er war schlichtweg eifersüchtig, weil ich in diesem Kurs sicherlich andere Männer treffen würde; wenn auch nicht nackt, denn die Akt Modelle waren gewiss ausschließlich Frauen, so vermutete ich. Dass er den Vergleich mit anderen Männern scheute, war nur allzu verständlich. Von der großen Liebe, die uns einmal zusammengeführt hatte, war nicht mehr viel zu spüren. Vor allem nicht im Bett. Falls da überhaupt noch etwas stattfand bei uns, dann war es reine Routine. Klar, inzwischen verband uns eine im Laufe der Jahre gewachsene wirklich gute Freundschaft. Wir waren sehr vertraut miteinander und das glich Einiges wieder aus. Aber mein Blut in Wallung brachte mein Mann schon lange nicht mehr. Und umgekehrt war es nicht anders. Trotzdem war ich ihm bisher treu gewesen. Ein Seitensprung hätte alles gefährdet, und das wollte ich nicht. Deshalb kam Fremdgehen für mich auch nicht in Frage. Ich versuchte meinem Mann zu erklären, dass ich ja schließlich nicht in diesen Kurs ginge, um zu flirten, sondern um zu zeichnen, und irgendwann hatte ich ihn dann soweit überzeugt, dass er mich zwar murrend aber doch gehen ließ. Zuerst sah es ganz so aus, als ob ich genau richtig damit gelegen hätte, meinem Mann zu erklären, dieser Kurs sei keinerlei Grund zur Eifersucht. Da war wirklich weit und breit kein Mann zu sehen, der mich an einen Seitensprung auch nur hätte denken lassen, geschweige denn mich hätte in Versuchung führen können.
Unser Lehrer an der Kunsthochschule war ein vertrocknetes altes Männchen. Er konnte sehr nett sein, aber er war ein deprimierend unerbittlicher Kritiker und reduzierte diverse andere Frauen im Kurs gleich am ersten Abend mehrfach zu Tränen. Er hatte, sagen wir es mal so, eine sehr direkte und schonungslose Art, Kritik zu äußern. Dass er dabei meistens ins Schwarze traf, machte es nur noch schlimmer. Die Damen, die er herunterputzte, hatten auch meiner Meinung nach nichts in einem Zeichenkurs zu suchen – trotzdem hatte ich Mitleid mit ihnen, als er sie so scharf anging. Mich putzte er nicht herunter; meine Zeichnungen schienen seinen hohen Anforderungen zu entsprechen, und es wäre für mich auch kein Weltuntergang gewesen, hätte er sie nicht gut gefunden. Vor dem Typen würde ich bestimmt nicht heulen, das hatte ich mir gleich vorgenommen, als er uns mit seiner knarrigen Stimme erklärte, dass wir ja garantiert alles Hobbyzeichner mit völlig überzogenen Erwartungen an unser Talent seien.
Die wenigen Männer, die diesen Kurs besuchten, waren kaum interessanter als der Leiter. Als ich sie meiner Freundin schilderte, teilte diese sie sofort in zwei Gruppen auf – die langhaarigen Möchtegern-Künstler und die verklemmten Ausgleichskünstler mit einem langweiligen und unaufregenden Beruf und Leben. Ich gebe zu, es störte mich ein wenig, mit welchen harschen Vorurteilen sie an die Sache heranging, aber ich konnte es nicht leugnen, ihre Analyse hatte tatsächlich etwas für sich. Vor allem hatte ich bei etlichen von ihnen den starken Verdacht, die Aussicht auf nackte Frauen Körper hatte sie noch mehr als alles andere dazu bewogen, diesen Kurs zu belegen … Obwohl man nackte Girls eigentlich ja im Internet an so vielen Stellen anschauen kann, völlig ohne dass man aus dem Haus gehen muss – da müsste so ein Kurs mit Aktzeichnen doch eigentlich völlig uninteressant sein. Andererseits, reale nackte Frauen, das ist halt schon noch einmal etwas anderes als bloß die Sexbilder davon … Jedenfalls war im ganzen Kurs niemand, mit dem ich mich anschließend noch hätte privat unterhalten wollen. Das störte mich jedoch nicht, denn ich war ja nicht hier, um private Kontakte zu knüpfen, sondern um Fortschritte mit meiner Zeichnerei zu machen, und da hatte es dieser verknöcherte Leiter schon am ersten Kursabend geschafft, mir ein paar entscheidende Hinweise zu geben. Am Ende war meine Zeichnung die Beste von allen; selbst dem Akt Modell, einem ganz hübschen jungen Mädchen, gefiel sie ausgesprochen gut; weshalb ich sie ihr schenkte. Es passierte etwas, was ich nie gedacht hätte – am Ende der ersten Stunde freute ich mich schon auf die zweite eine Woche später. Diese zweite Stunde allerdings, die brachte eine ziemliche Überraschung mit sich. Diesmal war das Akt Modell nämlich ein Mann, wie uns der Leiter gleich angekündigte. Er erklärte das noch für eine Folge der Gleichberechtigung der Frauen, dass sie sich jetzt auch so angenehme Tätigkeit wie das Modellsitzen mit den Männern teilen müssten. Es war das erste Mal, dass er so etwas wie einen Scherz machte. Allerdings war ich die Einzige, die lachte. Die Männer machten durchweg lange Gesichter, und die Frauen fühlten sich von seinem Scherz beleidigt.
Ich war auch die Einzige, die sich gleich mit Feuereifer ans Zeichnen machte, als der junge Mann dann auftauchte, mit einer Art Lendenschurz aus einem Handtuch bekleidet, und sich auf das Podest drapierte. Mir war gleich aufgefallen, wie ungewöhnlich gut aussehend er war. Zuerst weckte dies jedoch nur meinen Wunsch, ihn zu zeichnen, ihn ebenso schön zu Papier zu bringen, wie er war. Doch je öfter ich ihn ansah, das Spiel seiner Muskeln studierte, wenn er sich leicht bewegte, seine glatte, so weich wirkende Haut, seine schlanke und doch stark wirkende Figur, desto mehr rührte das etwas anderes in mir an. Als ich mittendrin einmal aufs Klo musste, merkte ich, wie nass ich war. Ja, ich war erregt. Ein Zustand, den ich schon lange nicht mehr erlebt hatte. Als mir das bewusst wurde, fingen meine Finger an zu zittern. Ich konnte kaum noch zeichnen. Der Leiter bemerkte es. Forschend sah er mich an und stellte sich neben mich. „Was ist los, Ellen?„, fragte er mich. „Ein hervorragender Anfang ist Ihnen da gelungen, jetzt müssen Sie die Zeichnung nur noch beenden.“ Aber genau das konnte ich nicht. Und ich konnte ihm auch nicht erklären warum. Als der Kurs für den Abend vorüber war, war meine Zeichnung noch immer nicht beendet. Stattdessen war ich ein Nervenbündel. Die ganze Zeit hatte ich Szenen im Kopf, wie ich mich, ebenfalls nackt, zu dem schönen jungen Mann aufs Podium begab, wie ich seinen herrlichen Körper streichelte und küsste, wie er seine Arme um mich legte, wie er mich liebte. Ja, ich träumte auch von Sex; ich schwebte wie auf einer erotischen Wolke und konnte an nichts anderes mehr denken. Ich sehnte das Ende des Kurses herbei, um endlich fliehen zu können; fliehen vor diesen verwirrenden Empfindungen, die mich erfasst hatten. Doch das sollte mir so schnell nicht vergönnt sein. Als ich wie die anderen meine Sachen packen wollte, hielt der Leiter mich scharf zurück. „Sie werden Ihre Zeichnung jetzt abschließen„, sagte er, und er schien ziemlich wütend auf mich zu sein. Wahrscheinlich hatte er schon gedacht, eine wirklich begabte Schülerin in mir zu haben – und jetzt ließ ich ihn so im Stich.
Ich war fassungslos. Er wandte sich zum männlichen Modell, erklärte leise etwas, das ich nicht verstand. Der junge Mann sah zu mir herüber und lächelte. Dann nahm er wieder seine Haltung an, die er den ganzen Abend mit nur leichten Bewegungen geschafft hatte, innezuhaben. Nun kehrte der Leiter zu mir zurück. „Ich werde jetzt noch etwa eine Stunde in meinem Büro Papierkram erledigen„, sagte er, und es klang drohend, „und wenn ich zurückkomme, haben Sie die Zeichnung fertig!“ Die letzten der anderen kicherten, als sie hörten, wie endlich ich auch einmal mein Fett weg bekam, und der junge Mann auf dem Podest lachte offen. Ja, und da stand ich nun, mit dem Stift in der Hand und meinen sündigen Gedanken im Kopf, und wusste nicht, was ich tun sollte. Auf einmal, wir waren schon eine Weile alleine miteinander, stand der junge Mann und kam zu mir. Er betrachtete sich meine unvollendete Zeichnung. „So schön bin ich gar nicht„, sagte er unsicher, fuhr mit einem Finger die Umrisse der Bleistiftstriche nach. Ich wünschte mir nichts mehr, als dass er die Linien meines Körpers so nachfahren möge. „Oh doch, das sind Sie!„, sagte ich nachdrücklich. „Finden Sie?„, meinte er, und nun sah er mich an, nicht mehr mein Werk. Ich ließ den Bleistift fallen, machte einen Schritt auf ihn zu, legte ihm meine Hände auf seine Taille. „Oh ja, das sind Sie!„, murmelte ich. Ich schämte mich ein bisschen, denn genaugenommen bot ich mich ihm ja hier geradezu schamlos an; ich, die ich noch nie an einen Seitensprung auch nur gedacht hatte. Ich kam nicht dazu, darüber nachzudenken, was ich machen würde, wenn er mich ablehnte – denn er zog mich an sich, zog mich hin zu dem Podest, auf das er mich hob, und dort nahm er mir sehr langsam, sehr zärtlich meine Kleider und liebte mich. Es dauerte nicht lange, aber es war ungeheuer intensiv. Und anschließend, sehr befriedigt und wahnsinnig glücklich, konnte ich auch in Windeseile meine Zeichnung fertigstellen. Der Leiter war sehr zufrieden damit. Es war aber nicht sein Lob, das mich innerlich erstrahlen ließ … Übrigens habe ich mir von dem männlichen Aktmodell auch die Telefonnummer geben lassen. Ich glaube, ich werde ihn demnächst einmal anrufen. Auch wenn ich genau weiß, das wird zu meinem zweiten Seitensprung führen …