„Schläfst du schon?â€, hörte Claudine die leise, zärtlich-raue Stimme ganz nah an ihrem Ohr. Sie war nicht mehr weit davon entfernt gewesen endgültig hinüber zu gleiten in einen ersten leichten Schlaf. Selbst das Flackern des fast lautlosen Fernsehers in ihrem Schlafzimmer, das sie durch die geschlossenen Lider hindurch noch immer wahrnehmen konnte, hatte sie nicht abhalten können, sich aus dem Wachsein zu lösen.
Claudine hatte sich wenige Minuten zuvor erst leicht verärgert umgedreht und der anderen Hälfte des breiten Doppelbettes den Rücken zugewandt. Allerdings war ihre Wut beinahe sofort verraucht. Es lohnte sich im Grunde genommen auch wenig, diese kleine Meinungsverschiedenheit mit in den Traum zu nehmen und durch die Nacht zu tragen.
Dennoch antwortete sie nicht auf die leise gestellte Frage, von der sie schlagartig wieder hellwach geworden war. Stattdessen atmete sie ruhig weiter und konzentrierte sich neben dem Aufrechterhalten von Regelmäßigkeit in den flachen Atemzügen darauf, nicht lächelnd die Lippen zu verziehen. Dabei hatte die vibrierende Stimme an ihrem Ohr Claudine spontan einen kleinen Schauer den Rücken hinab gejagt, der mit einem Prickeln an ihrem Steißbein verebbt war. Aber sie war sich sicher, dass ihre unbedeckte Schulter keineswegs verräterisch gezuckt hatte.
Ein vorsichtiger Finger berührte ihren Hals und befreite eine dicke Strähne ihres blonden, langen Haares, die sich zwischen ihrem Nacken und der Pyjamajacke eingezwängt befunden hatte. Claudine konnte ein schnelleres, deutlich hörbares Ausatmen durch die Nase nicht verhindern.
Langsam wanderte der einzelne Finger über ihre rechte Wange, streichelte zurück zu der kleinen Kuhle zwischen Hals und Kieferknochen, die sich direkt unter ihrem Ohr befand, und begann mit dem Haaransatz zu spielen.
„Ich weiß, dass du nicht schläfst, Schatz.â€, flüsterte die vertraute Stimme und eine Bewegung der Matratze unter ihnen beiden ergriff Claudines Körper. Inga hatte sich hinter ihr aufgerichtet und – da war sie sich trotz ihrer noch immer geschlossenen Augen sicher – lächelte auf sie herab.
Ihr Körper spannte sich und endlich ließ sie ihre lange beherrschten Lippen ein breites Grinsen formen. Die durch den streichelnden Finger erzeugte Gänsehaut, die ihren nackten Oberarm über der dünnen Bettdecke überzog, war sowieso allzu verräterisch.
Claudine drehte den Kopf und blinzelte in die Helligkeit des spärlich beleuchteten Zimmers, direkt hinein in Ingas meergrüne Augen, die ein wenig zu sehr im Schatten der beiderseits ihres Gesichtes weit herunterhängenden, schwarzen Haare lagen um die genaue Farbschattierung erkennen zu können. Aber Claudine musste dieses Augenpaar auch gar nicht richtig sehen können um zu wissen, wie tief man in Ingas funkelnden Smaragdaugen versinken konnte.
Sie bemerkte, wie ein feuchter Schimmer ihre eigenen Augen zu überziehen begann, angesichts der so unmittelbaren Nähe ihrer Freundin und dem Blick in ihre Augen. Claudines Herz pochte mit einem mal und das spitzbübische Lächeln, das auf sie herab fiel, begann ihr den Atem zu nehmen. Spätestens jetzt wäre es unmöglich geworden noch länger verärgert zu bleiben.