Oh je, oh je, heute ist bei Antje aber wirklich der Wurm drin! Erst klemmt der Reißverschluß ihrer Jeans, dann entdeckt sie einen Fleck auf dem Pulli, und ihre Schuhe fallen beinahe auseinander. Drei Paar Nylons haben Laufmaschinen. Das Bügeleisen, mit dem sie die zerknitterte Bluse bearbeiten will, wird nicht warm.
Sie wird so hektisch, daß ich mich verziehe. Meine Anwesenheit würde sie höchstens noch nervöser machen. Da mache ich mich lieber nützlich und räume die Küche auf.
Sie wirft mir einen bösen Blick zu, als ich verschwinde. Denkt wohl, ich wollte mich auf die faule Haut legen, während sie den Streß hat. Ich muß in mich hineingrinsen. So, und jetzt schnell Ordnung schaffen, bevor sie kommt.
Ihr bleibt beinahe der Mund offenstehen, und irgendwie glitzern ihre Augen feucht. Na, na, ist es denn etwas so besonderes, Mädel, daß jemand was für dich tut? Tröstend nehme ich sie in den Arm. „Wenn der Tag so anfängt, kann es nur besser werden!“
Ihre Hände fassen mich bei den Haaren, ziehen meinen Kopf herab, und sie küßt mich. Hmmmm! Aber mit ihrem Gerubbel gegen mein bestes Stück sollte sie jetzt langsam aufhören, sonst ist es unmöglich, mit dem abspritzen bis heute abend zu warten.
„David, du bist großartig,“ sagt sie, und nun ist es an mir, verlegen zu werden. So großartig finde ich mich gar nicht; eigentlich bin ich nur ein ganz normaler Mann. Tut trotzdem gut, das zu hören.
Meine Vorhersage trifft nicht ein. Der Tag wird noch schlimmer.
Unser Chef fällt über uns beide her, kaum, daß wir im Büro angekommen sind. Zuerst ist Antje dran, weil sie heute ein paar Minuten später da ist als sonst. Dieses blöde Arschloch! Verlangen, daß wir uns für die Firma die Nächte um die Ohren schlagen, und dann meckern, wenn man am nächsten Morgen nicht ganz so pünktlich ist wie sonst! Aber das kann ich ihm kaum ins Gesicht sagen. Statt dessen versuche ich es mit etwas anderem, um Antje vor seinem Zorn in Schutz zu nehmen: „Herr von Delten, es ist meine Schuld, daß Frau Wagner zu spät kommt. Mein Auto ist heute morgen nicht angesprungen und sie mußte mich abholen.“ Das ist ja nicht einmal gelogen. Meine Klapperkiste ist heute morgen tatsächlich nicht angesprungen. Nicht, daß ich es versucht hätte, ob sie es täte …
Immerhin ist mir damit eines gelungen – von Delten läßt von Antje ab. Und geht dafür auf mich los. „Mit Ihnen habe ich auch noch ein Hühnchen zu rupfen, Herr Hallinger! Frau Keiser hat mich gerade angerufen und mir berichtet, daß Sie sich geweigert haben, mit ihr gestern noch über die zukünftige Kooperation unserer beiden Firmen zu sprechen. Ich hatte Ihnen doch extra Anweisung gegeben, sich um die Frau ganz besonders zu kümmern – und dann so etwas! Wo Sie genau wissen, wie viel mir an dieser Zusammenarbeit liegt! Das werden Sie schleunigst nachholen! Frau Keiser erwartet Sie im Hotel zum Frühstück.“
Oh jemine, was wird das denn? Ich habe für die Keiser alles getan, was sie wollte; bis auf eines. Anfassen wollte ich sie nun wirklich nicht. Arbeitsvertragliche Verpflichtung zum Vögeln, oder was? Kann er ja gerne beim Arbeitsgericht einklagen; wird bestimmt ein interessanter Prozeß. Gerade will ich etwas mildes als Entgegnung von mir geben, da legt Antje los.
„Nun mal langsam,“ faucht sie. „Das einzige, was Herr Hallinger sich geweigert hat zu tun war, mit dieser Keiser ins Bett zu steigen. Und das gehört ja wohl auch nicht zu seinem Aufgabengebiet laut Arbeitsvertrag!“
Um Himmelswillen, Antje, bist du jetzt völlig verrückt geworden? Die Frau ist doch unmöglich – riskiert meinetwegen den Zorn unseres Chefs, und das in der Probezeit! Ich muß sie stoppen, sonst redet sie sich um Kopf und Kragen!
Von Deltens Gesicht ist knallrot, und er zischt sie an, was sie sich erlaubt. Ich setze zum Sprechen an. Doch Antje ist schneller; und lauter. Einen Knebel verpassen kann ich ihr ja leider nicht, und meine verzweifelten Handbewegungen ignoriert sie. So muß ich mir hilflos alles anhören, was sie von sich gibt: „Ich erlaube mir nur, die Wahrheit zu sagen. Während Sie mit anderen Dingen beschäftigt waren, haben Herr Hallinger und ich die Delegation der Schweizer Firma betreut, den ganzen Nachmittag, den ganzen Abend lang, und bis weit nach Mitternacht. Und gerade mit Frau Keiser hat sich Herr Hallinger dabei ganz besondere Mühe gegeben, hat ihr sogar für ein langes Gespräch unter vier Augen zur Verfügung gestanden. Wenn Ihnen das nicht genug ist, dann sollten Sie alles weitere selbst erledigen. Statt beim ersten Pieps der Dame gleich so freizügig Tadel zu verteilen; und sich über ein paar Minuten Verspätung aufzuregen, nach den ganzen Überstunden gestern!“
Und das vor der halben Belegschaft – das verzeiht er ihr nie!
Mir ist schlecht vor Angst. Von Delten ist gefährlich; der schmeißt sie raus, ohne mit der Wimper zu zucken, für das, was sie ihm gerade an den Kopf geworfen hat. Inhaltlich hat sie ja recht – aber kann sie nicht wenigstens ein bißchen diplomatischer sein? Dann könnte sie das gleiche rüberbringen, ohne dabei so viel zu riskieren. Und mehr erreichen würde sie damit auch noch. Schließlich kenne ich unseren Chef lange genug; wenn man es auf die sanfte Tour macht, ist er erstaunlich einsichtig. Den Angriff allerdings, den kann er ihr gar nicht durchgehen lassen!
Aber eines weiß ich – wenn sie fliegt, gehe ich mit! Ich finde überall einen neuen Job.
„In mein Zimmer, Frau Wagner,“ befiehlt jetzt von Delten. Ganz leise. Was bedeutet, daß er kurz vor einem Mord steht. Nur ein lahmes „laß dich nicht unterkriegen,“ kann ich Antje gerade noch zuflüstern.
Eine Viertelstunde später kommt sie wieder aus dem Chefzimmer. Ich lungere extra die ganze Zeit in der Nähe herum. Ihre Augen blitzen, und sie sieht nicht sehr geknickt aus. Ganze Alpenzüge fallen mir vom Herzen. Und schon stürzen die neugierigen Aasgeier unter den Kollegen über sie her, um sie auszuquetschen; da verziehe ich mich lieber.
Von dem Schock erhole ich mich den ganzen Morgen nicht. Dazu kommt, daß es mich wahnsinnig geil gemacht hat, sie so mit dem inneren, ja, fast Siegerstrahlen nachher zu sehen. Mein steifer Schwanz macht mir das Sitzen unbequem. In dieser dämlichen engen Jeans hat er die Angewohnheit, mangels Platz nach oben in verlängertem Zustand ins Hosenbein zu kriechen, und einige Male bin ich kurz davor, ein Schmerzensgeheul hören zu lassen. Die anderen Kollegen im Zimmer denken bei meinem unruhigen Gehampel und Gezappel wahrscheinlich auch, ich habe die laufende Marie.
Besonders fröhlich bin ich also nicht, als ich Antje für das Arbeitsessen mit den Schweizern abhole. „Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, daß ich dein intimes Frühstück zu zweit mit der Keiser verhindert habe,“ triezt sie mich. Schön; über mich lustig machen muß sie sich also auch noch! „Antje, ich bin verrückt vor Sorge um dich,“ gifte ich sie an. „Wenn du von Delten noch einmal eine solche Szene machst, wirft er dich raus! Du mußt wirklich vorsichtiger sein.“
Sie mustert mich forschend. „Und sonst bedrückt dich nichts?“ Ich überlege einen Moment, ob ich über die Frage einfach hinweggehen soll, aber ich mag ehrlich zu ihr sein. „Doch,“ antworte ich, „ich habe echte Schwierigkeiten, bis heute abend durchzuhalten!“
„Wir können den Zeitraum natürlich abkürzen,“ erwidert sie. „Noch ist eine Viertelstunde Zeit!“ Und schon macht ihre Hand an meinen Eiern herum. Unwillkürlich komme ich ihr mit dem Unterkörper entgegen, während ich sie anflehe: „Um Himmelswillen, Antje, wenn du nicht sofort deine Hand wegnimmst, habe ich eine nasse Hose und muß mich erst umziehen, bevor wir hochgehen können!“ „Ich freue mich wahnsinnig auf nachher,“ sagt sie und lacht. Es geht mir durch und durch.
Beim Essen kann ich die Augen nicht von ihr lassen. Sie sieht so wunderschön aus, wenn sie gute Laune hat. Natürlich mag ich sie auch, wenn’s ihr schlecht geht; aber der Zustand jetzt ist schon etwas ganz besonderes.
Die Keiser kann es nicht lassen, mir ihr Patschhändchen auf den Oberschenkel zu legen. Wahrscheinlich mißversteht sie mein breitbeiniges Sitzen. Ich bin froh, daß ich eine Jeans anhabe; auch wenn von Delten die natürlich mit einem vernichtenden Blick kommentiert hat. Ich werd mich grade für gnädige Frau auch noch in Schale schmeißen! Bei einer Jeans sieht man einfach von außen nicht ganz so viel. Auch wenn man von innen viel mehr merkt. Schon wieder tatscht sie mich an. Oh, wenn die Frau wüßte, wie sehr sie mir auf die Nerven geht!
Bei von Deltens Vortrag nachher setze ich mich absichtsvoll nicht neben sie. Sie verzieht den Mund. Sieht ganz knitterig aus, so, das Teil. Reizt nicht gerade dazu, sie zu küssen. Aber das hatte ich ja ohnehin nicht vor.
Unser Chef patzt wieder, und Antje muß ihm aushelfen. Prima, daß er gleich so praktisch merkt, wie sehr er sie braucht! Vielleicht gleicht das in seinen Augen ihre Frechheit von heute morgen ein wenig aus.
Insgesamt scheinen die Schweizer geradezu begeistert von unserer Firma. Hoffen wir mal, daß sie sich dann auch zur engeren Kooperation entschließen können, so wie von Delten das gerne hätte. Vor allem zu den Investitionen in kaum erwähnenswerter Höhe, die wir für das neue Projekt brauchen … So viel Arbeit ich damit auch haben werde – wäre schon ein Riesenerfolg. Ich kann nur hoffen, daß ich nicht zu viel mit der Keiser zu tun habe, wenn’s klappt.
Diese gehirnamputierte Giftschnepfe – als sie sich von Antje verabschiedet, muß sie doch noch ganz arrogant bemerken, daß in der Schweiz die Business-Frauen viel eleganter und besser gekleidet sind als hier. Na warte, denke ich. Und als keiner sonst es hören kann, flüstere ich ihr ins Ohr: „Frau Keiser, Sie sollten sich dringend umziehen – Ihr Stuhl war wohl nicht ganz sauber.“ Errötend greift sie sich ans Hinterteil. Und ich muß mich zusammenreißen, nicht laut herauszuplatzen.
Rache ist süß …
So, Kinder, und jetzt wird’s Zeit, daß Feierabend ist – meine Hose platzt gleich!