22. August 2007

Kapitel 11 Fetisch Roman | Telefon – Sichtweise Antje

Wir sind beide so erschöpft, daß wir uns sofort ins Bett verkriechen und einschlafen, die Arme umeinander gelegt. Normalerweise stellt man sich ja die zweite Nacht mit einem Menschen, in den man total verknallt ist, etwas anders vor als so; aber das vertraute Miteinander hat so viel für sich, daß es nicht im geringsten enttäuschend ist.

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Mitten in meinen Tiefschlaf hinein dringt das unangenehme Schrillen des Telefons. Dann höre ich David erst leise fluchen und sich dann ziemlich schlaftrunken melden. Mein Herz hämmert wie verrückt; ein Anruf um diese Zeit kann eigentlich nur bedeuten, daß etwas passiert ist. Dann sagt David: „Sag ‚mal, Birte, spinnst du? Weißt du, wieviel Uhr es ist?“ Ich kann ein entnervtes Stöhnen nicht völlig unterdrücken. Birte ist zwar nicht Davids Freundin, für die ich sie zuerst gehalten habe; beziehungsweise sie ist nicht seine Lebensgefährtin, sondern nur eine gute Freundin. Allerdings eine recht anspruchsvolle, und sie zeigt ein bemerkenswertes Talent, mit ihren Anrufen immer so dazwischenzuplatzen, daß der höchste Störfaktor erreicht wird. Bloß den Zeitpunkt letzte Nacht, als wir miteinander geschlafen haben, den hat sie verpaßt. Ich vermute jedoch, auch eine solche Situation wird sie irgendwann einmal erwischen.

David murmelt etwas, das wie „okay“ klingt und knallt den Hörer auf. „Mußt du zu ihr?“ frage ich mitfühlend. Mißtrauisch sieht David mich an. Nun, nach allem, was er schon innerhalb dieser kurzen Zeit unserer Beziehung an Eifersuchtsausbrüchen von mir erlebt hat, ist es kein Wunder, daß er an Ruhe nicht glaubt. Die ich aber tatsächlich spüre. Angenehm ist es natürlich kaum, mitten in der Nacht aus dem Schlaf geholt zu werden; aber eifersüchtig auf Birte bin ich – momentan … – wirklich nicht. Und Davids mehr als ungewöhnliche Hilfsbereitschaft beeindruckt mich.

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Sie sagt, es ist heute Nacht ganz besonders schlimm, und sie hält es nicht aus alleine,“ erklärt David. Ich springe aus dem Bett. „In Ordnung, ich fahre dich hin.“ Davids ungläubiger Gesichtsausdruck bringt mich zum Lachen. „Keine Angst, David, ich meine das ernst. Du bist mindestens genauso erledigt wie ich, und einfach wird es bestimmt nicht, mit ihr zu reden. Dann kann ich dir wenigstens die Fahrerei abnehmen.

Als ich gerade den Reißverschluß meiner Jeans schließen will, umfaßt David mich von hinten und preßt sich an mich. „Danke,“ murmelt er.

Birte wohnt ziemlich weit draußen; trotz der leeren Straßen brauchen wir fast eine Viertelstunde, bevor ich endlich vor ihrem Haus einparke. Ich habe mir etwas zu lesen mitgebracht, für den Fall, daß ich nicht schlafen kann im Auto. Wird sicher ein interessantes Bild, eine Frau nachts allein im Auto, die im Schein der Innenbeleuchtung in ein Buch vertieft ist.

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Die Kälte von draußen wird bereits spürbar hinter der sich schnell verflüchtigenden Wärme der Heizung, und noch immer rührt David sich nicht. Ich nehme seine Hand. „Je eher du gehst, desto eher bist du auch wieder zurück,“ sage ich leise. Abrupt dreht er sich zu mir. „Antje, kommst du mit nach oben?“ Erschrocken gehe ich in Abwehrhaltung. „Bitte,“ ergänzt er. Meine Gedanken wirbeln als wildes Fadenknäuel durcheinander, und es dauert eine Weile, bis ich den Anfang zu fassen bekomme. Wenn Birte wirklich nur Hilfe braucht, und wenn sie in David tatsächlich bloß einen – platonischen – Freund sieht, dürfte es ihr wenig ausmachen, wenn ich mich still in eine Ecke setze. Obwohl sie auch dann sicherlich nicht begeistert sein wird, daß eine völlig Unbekannte unangekündigt mit bei ihr auftaucht. Aber ich kann ja zumindest einmal mit hochgehen und abwarten, wie sie reagiert. Falls ich das Gefühl habe, daß es völlig unpassend ist, kann ich immer noch wieder ins Auto zurück. Daß David ihr nicht alleine gegenüberstehen will, verstehe ich. Jemandem über Wochen hinweg so intensiv zu helfen, ist mehr als anstrengend. Und ein bißchen denkt er sich meine Anwesenheit bestimmt auch als zusätzlichen Schutz davor, sich nicht allzu sehr einwickeln zu lassen.

Ein ganz klein wenig Neugier meinerseits ist natürlich auch dabei, und so nicke ich und löse den Sicherheitsgurt.

Die Tür unten ist offen, und bald stehen wir vor Birtes Wohnung. Als wisse er um mein ängstliches Zittern in Anbetracht der bevorstehenden Begegnung, legt David mir noch einmal beruhigend den Arm um die Schulter, bevor er klingelt.

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Und dann lerne ich endlich Birte kennen, die meine Gedanken schon so massiv beschäftigt hat. Sie ist klein, blond und hübsch. Konventionell und unbemerkenswert hübsch zwar, aber doch.

David stellt uns einander vor. Ihre innere Reaktion kann ich nicht lesen; äußerlich benimmt sie sich, als sei es völlig normal und ihr sogar willkommen, daß ich da bin.

Für einen Menschen, der so verzweifelt ist, daß er einen anderen nachts aus dem Bett holen muß, wirkt sie ziemlich fröhlich und aufgekratzt. Aber vielleicht ist das ja nur eine Fassade. Auf dem Tisch im Wohnzimmer stehen eine Flasche Sekt und zwei schon gefüllte Gläser. Birte will ein drittes holen, aber ich stoppe sie, denn ich muß ja später noch fahren. Auch David lehnt dankend ab, und so trinkt sie schließlich allein einen Schluck. Ich flüchte mich auf eines der beiden geblümten Sofas. David will sich zu mir setzen, aber mit einer Handbewegung hält Birte ihn auf und zieht ihn neben sich auf das andere. „David, ich brauche dich jetzt einfach neben mir,“ erklärt sie dabei kategorisch. „Anke hat dich ja die ganze Zeit.“ „Antje,“ verbessert David sie.

Und jetzt erzähle, was ist denn los?“ drängt er dann.

Sie lehnt sich zurück, läßt den Kopf auf Davids Schulter fallen. „Ach, mein Ex-Freund hat mich heute abend angerufen. Er will sich unbedingt mit mir treffen. Und jetzt überlege ich die ganze Zeit, was er wohl von mir will.“ „Hast du ihn denn nicht gefragt?“ entgegnet David, und man kann es ihm anhören, daß ihn das ganze ziemlich nervt. „Das habe ich mich nicht getraut,“ antwortet Birte mit Kleinmädchenstimme.

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Oh Gott, wieder eine dieser kleinen, angeblich ach, so schwachen Frauen, die gegen die böse, böse Welt den Schutz der großen starken Männer brauchen! Halb ärgerlich, halb amüsiert warte ich auf Davids Reaktion.

Wirst du dich mit ihm treffen?“ will er wissen. „Ich habe ihm gesagt, ja,“ erklärt Birte. „Aber jetzt weiß ich nicht mehr so genau, ob ich das wirklich tun soll.“ „Dann ruf ihn an und sag ihm, daß das Treffen nicht stattfinden wird,“ erwidert David. „Aber eigentlich sollte ich schon hingehen,“ protestiert sie. „Gut, also wirst du ihn sehen,“ konstatiert David. „Dabei erfährst du ja dann, was er von dir will. Und wenn dir nicht wohl ist dabei, sagst du einfach nein und gehst.

Einfach nein sagen – ich glaube, da verlangt David etwas Unmögliches von Birte. Sie wird sich sicher nicht mit einer klaren Aussage einen Weg verbauen, der ihr vielleicht später doch noch einmal angenehm sein könnte.

Sie richtet sich auf und bricht in ein wohlplaziertes silberhelles Lachen aus. „David, ich kann nicht gehen, wenn es mir nicht gefällt – er kommt hierher.

Diese nette Karikatur einer Lektion in weiblicher Logik könnte man eigentlich auch zu einer passenderen Stunde erteilt bekommen, denke ich bei mir. Wenn ich ein Mann wäre, diese Frau würde mich innerhalb kürzester Zeit zum Schwulsein bekehren. Das Dumme ist nur, daß unglaublich viele Männer genau auf diese reizend-hilflose Art stehen. Wahrscheinlich deshalb, weil das Verhalten dieser Weibchen so offensichtlich undurchschaubar ist, daß man sich gar nicht erst Mühe geben muß, es zu verstehen. Das macht es ja irgendwie einfacher.

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Sag mal, Birte, können wir das nicht alles morgen diskutieren?“ schlägt David nun vor. Dieser Bitte kann ich mich nur anschließen. Jetzt ein warmes Bett, und Davids Arme um mich. Oder vielleicht doch lieber über seinem Kopf ausgestreckt, die Handgelenke ans Bett gefesselt, und sein Körper offen und weich, mir dargeboten in seiner verletzlichen Nacktheit, neugierig, ein wenig ängstlich und voller Vertrauen. Mir wird ganz warm und schmerzhaft schwer zumute, und ich spüre die Feuchtigkeit sich bilden.

In meiner Träumerei habe ich nicht darauf geachtet, was Birte gerade gesagt hat, registriere nur, daß David aufspringt und brüllt: „Verdammt, Birte, du hast dich doch schon entschieden! Wofür holst du mich denn aus dem Bett? Dafür, daß ich dir bestätige, was du hören willst? Das kann ich nicht, und das werde ich nicht! Ich finde es falsch, daß du ihn wiedersiehst. Aber du willst es unbedingt – also, dann mach es. Bloß, verschone mich damit, und übernimm endlich auch einmal die Verantwortung für das, was du tust, und versuch nicht dauernd, sie mir zuzuschieben!

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Davids Heftigkeit erschreckt mich beinahe; obwohl ich inhaltlich voll und ganz seiner Meinung bin. Aber ich habe ja auch nicht bereits seit Wochen mit dieser manipulativen Entscheidungslosigkeit zu kämpfen. Und selbst ich bin schon nach diesen wenigen Minuten kurz davor, die Geduld zu verlieren. Es ist nur, so kenne ich ihn noch nicht. Fasziniert nehme ich dieses unvermutete Aufblitzen von Temperament in mich auf.

Auch ich erhebe mich.

Birte steht ebenfalls auf, hebt bittend die Hände. „David, was habe ich dir denn getan? Sei doch nicht so sauer – ich brauche deine Hilfe!“ Dann dreht sie sich in meine Richtung. „Findest du nicht auch, Anke, daß David manchmal schrecklich ungerecht und ein richtiger kleiner Choleriker ist?

Ihre leichtfüßige Art, David unter dem Mantel der Solidarität unter Frauen zu demütigen, empört mich. Nichts gegen Demut im Rahmen erotischer Spiele der Sinnlichen Magie – aber selbst das gehört nicht vor andere Ohren. „Nein, das finde ich ganz und gar nicht,“ bemerke ich bissig. „Und im übrigen heiße ich Antje.

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David steht schon an der Tür. Eine Minute später sitzen wir wieder zusammen im Auto, und eine halbe Stunde darauf in seiner Wohnung über einem Tee. Schlafen kann ohnehin keiner mehr von uns. Und ich bin am überlegen, ob ich uns beiden nicht noch schnell vor der Arbeit den Traum erfüllen soll, den ich vorhin hatte …

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