16. Juli 2008

Fetisch Roman – Kapitel 29 – Offenheit – Intrigen und Küsse – Sichtweise David

Ich kann es kaum erwarten, wieder zurück bei Antje zu sein. Beschimpfe mich selbst, daß ich nicht bereits in der Nacht zurückgefahren bin. Meine Mutter ist ganz enttäuscht, daß ich ihr schönes Frühstück kaum anrühre. Hastig erzähle ich etwas von Arbeit. „Aber du hast doch den Vormittag noch frei,“ bemerkt sie verwirrt.

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Ja, das schon, und ich werde Antje erst in der Mittagspause sehen können; schließlich will ich sie ja nicht bei der Arbeit stören. Aber so kurz ist der Weg von meinen Eltern zurück auch nicht, und ich will auf jeden Fall nicht zu spät kommen. Endlich ist auch meine Mutter zufrieden, nachdem ich ihr versprochen habe, bald wiederzukommen. Und vielleicht noch jemanden mitzubringen. Sie horcht deutlich auf, doch taktvoll verzichtet sie darauf, mich auszufragen. Sie weiß, wenn es so weit ist, werde ich ihr ohnehin alles erzählen. Nur nach dem Namen fragt sie. Deine Freundin, das klingt so blöd, sagt sie. Womit sie recht hat.

Beim Abschied werde ich dann doch noch einmal fast sentimental; ebenso wie meine Mutter und meine Schwester. Mein Vater ist es auch, aber er verbirgt das sehr geschickt hinter mürrischen Worten. Auf einmal habe ich eine Eingebung. „Ach, übrigens, das Geschenk für deinen Geburtstag gestern hat auch Antje ausgesucht,“ erkläre ich. Meine Mutter ist hellauf begeistert, und mein Vater ringt sich immerhin ein widerwilliges Lächeln ab.

Sehr gut – sie werden beide Antje mit offenen Armen aufnehmen. Die Angst vor diesem Besuch wird es ihr nicht nehmen; aber ich denke, er wird für sie viel einfacher zu überstehen sein, als sie fürchtet.

Und wieder sitze ich im Wagen, brause irgendwelche endlosen Asphaltstrecken entlang, fluche wegen der Drängler, der riskant-Überholer und der Lahmärsche, und singe laut vor mich hin.

Viel zu früh bin ich bei dem Italiener, in dem ich mit Antje zum Mittagessen verabredet bin. Sie ist nicht pünktlich, und nervös spiele ich mit dem Bierfilz unter meinem Wasser, rutsche auf dem Stuhl hin und her. Ich weiß ja, daß sie in ihrem Job nur selten maurermäßig Pause machen kann. Trotzdem drehe ich fast hohl, als sie eine Viertelstunde nach der Zeit noch immer nicht da ist.

Ob ich sie anrufen soll? Aber wenn sie gerade Streß hat, wäre das das dümmste, was ich machen kann. Und vergessen hat sie die Verabredung bestimmt nicht. Endlich kommt sie. Gott, ist die Frau schön! Und lebendig! Und, ja, verdammt, ich liebe sie!

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Kaum habe ich es in meiner Verzückung geschafft aufzustehen, steht sie auch schon direkt vor mir und fällt mir um den Hals, daß es mir den Atem nimmt. Was für ein schöner Tod wäre es, so zu sterben!

Sie besteht darauf, daß ich zuerst vom Besuch bei meinen Eltern erzähle, von der Feier gestern. „Dein Geschenk war übrigens klasse,“ betone ich. „Mein Vater war total begeistert davon!“ Das freut sie wahnsinnig, und dafür war es ja auch gedacht. Wobei es sogar stimmt. Das hat mir meine Mutter vorhin nochmal am Telefon gesagt, als ich Bescheid gegeben habe, daß ich gut wieder zuhause angekommen bin.

Und jetzt wird es Zeit, daß du von dir erzählst,“ dränge ich dann. „Sag, hat sich wegen Bernd noch was ergeben?

Und dann erzählt sie mir, daß es gerade heute morgen ein Meeting gegeben hat, bei dem sie wieder mit Bernd zusammengetroffen ist. Diese scheinheilige Kuh – der Termin ist doch bestimmt nicht erst heute Morgen festgelegt worden! Davon muß sie bereits gestern Abend gewußt haben, als wir miteinander telefoniert haben. So ist es auch, bestätigt sie mir.

Verdammt, Antje,“ schimpfe ich, „wenn ich das gewußt hätte, ich wäre sofort zurückgefahren!

Genau deswegen habe ich nichts davon gesagt,“ erwidert sie augenzwinkernd. Gut, gut; wenn sie meint, sie muß da alleine durchkommen – meinen Glückwunsch, Antje, gut gemacht!

Es scheint alles super verlaufen zu sein, kein böses Wort, keine unverschämte Bemerkung von Bernd. Na also! Schön, daß sie dieses Problem jetzt los ist. Wenn er jetzt auch noch aufhört, sie mit seinen Anrufen zu nerven, kann sie wirklich erleichtert aufatmen. Ich freue mich riesig.

Nachmittags ruft mich Alexander an. Seine Stimme ist ernst. Und was er mir berichtet, ist es auch.

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Dieses fickgeile Weichei von Bernd hat sich zwar anscheinend entschlossen, Antje beruflich nicht mehr auf die Füße zu treten. Dafür hat er sich aber jetzt bei Alexander in seiner Eigenschaft als Leiter des hiesigen SM-Stammtischs offiziell über Antje beschwert und ihren Ausschluß von eben jenem Stammtisch gefordert.

Ich bin ziemlich betroffen. Zwar war Antje ohnehin schon monatelang nicht mehr beim Stammtisch; irgendwie ist das nichts für sie, was ich nur zu gut verstehen kann. So ein richtiger Ausschluß aber ist dann doch eine andere Sache. Es würde sie in der gesamten SM-Gemeinde in der Stadt unmöglich machen.

Alexander will sich kurz mit mir treffen, um die Sache zu besprechen. Mir ist nicht ganz wohl dabei, das hinter Antjes Rücken zu tun. Aber offiziell würde sie es nie erlauben, daß ich mich einmische und ihr helfe. Und ich will das, ihr helfen.

Jetzt muß ich mir nur noch einen Vorwand einfallen lassen, um schon wieder von meinem Rechner zu verschwinden, obwohl ich von gestern Nachmittag bis heute Mittag Urlaub hatte. Nun, irgend etwas an Hard- oder Software brauchen wir eigentlich immer, und so verkünde ich, daß ich mir bei unserem Stammlieferanten die neuen Scanner ansehen gehe. Nach dem Besuch bei Alexander muß ich das dann tatsächlich noch machen, damit ich morgen mein Memo darüber schreiben kann.

Und jetzt ab durch die Mitte und zu Alexander. Zuerst will ich wissen, worüber Bernd sich denn genau beschwert hat. Die Unverschämtheit, sie erst mit astreinem Telefonterror zu belegen und dann den Ankläger zu spielen, geht ja nun wirklich etwas zu weit.

Es ist, erklärt mir Alexander, daß Antje Bernd gedroht hat, seinen Arbeitgeber und seine Kollegen über seine devot-masochistischen Neigungen zu informieren. Also doch; hatte Antje ganz recht mit ihrer Angst, nachdem ihr das beim letzten Telefonat herausgerutscht ist. Mist! Alexander scheint gewaltig sauer zu sein auf Antje.

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Das ist nicht gerecht! Ziemlich empört berichte ich, was zu dieser angeblichen Erpressung geführt hat. Dabei rege ich mich so sehr auf, daß er mich lächelnd bremsen und darauf hinweisen muß, daß er nicht Bernd ist.

Ziemlich belämmert entschuldige ich mich bei ihm. Daraufhin beugt er sich zu mir hinüber und gibt mir einen Kuß auf die Wange. Die Stelle brennt wie Feuer, und die Hitze steigt herab bis in meine Magengrube.

Aber halt, nein, ich bin nicht für Knutschereien hier; es geht um Antje. Etwas sachlicher beende ich meinen Bericht über Bernds berufliches Mobbing und seine ganzen drängelnden Telefonate, obwohl Antje von ihm ganz eindeutig nichts wissen will und ihm das auch gesagt hat.

Nachdenklich nickt Alexander. „Ich dachte mir schon, daß so etwas dahintersteckt. Bernd ist wirklich ein unausstehlicher Mensch. Bloß, formal ist er im Recht. Es darf grundsätzlich solche Erpressungen nicht geben, aus welchem Grund auch immer. Das haben wir schon ganz am Anfang in den Statuten des Stammtischs verankert. Jetzt muß ich sehen, wie ich das hinkriege, daß Antje nicht allzu viel abkriegt.

Moment,“ widerspreche ich. „Wenn man als Frau derart belästigt wird, wie das bei Antje der Fall war, dann muß man sich auch wehren können. Natürlich müssen die SM-ler zusammenhalten; und natürlich darf niemand die Neigungen des anderen aus Jux und Dollerei überall bekanntmachen. Bloß, das hier, das ist ja wohl etwas anderes!

Lange sagt Alexander kein Wort. Er sieht ziemlich unglücklich aus. Das kann nicht allein mit Antje zusammenhängen. Plötzlich kommt mir die Erkenntnis. „Es ist dir selbst schon einmal passiert, daß solche Indiskretionen dir Ärger gemacht haben,“ konstatiere ich. Verwundert sieht Alexander mich an. Er kämpft mit sich, und schließlich gibt er sich einen Ruck. Erzählt mir, daß ich es getroffen habe. Er hat nach einem ähnlichen Vorfall nicht nur den Arbeitgeber gewechselt, sondern sogar seinen alten Beruf ganz an den Nagel gehängt.

Das erklärt natürlich einiges. Trotzdem – in Alexanders Fall hat sich eine blöde Gans mit einem so radikalen Mittel an ihm bloß rächen wollen. Antje mußte zu ihrem eigenen Schutz so handeln. Äußerlich mag es das gleiche sein; aber bei so unterschiedlichen Beweggründen kann man, darf man es einfach nicht über einen Kamm scheren.

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So leicht läßt sich Alexander nicht überzeugen, aber ich bleibe hartnäckig. Ich sehe es einfach nicht ein. Es tut mir richtig weh, wenn ich mir überlege, was ihm da zugestoßen ist. Aber das ist kein Grund, Antje dafür zu bestrafen. Schließlich gibt er mir wenigstens insoweit recht, als er sich die Sache mit Antje noch einmal ganz genau durch den Kopf gehen lassen muß, bevor er etwas unternimmt. Und er wird auch mit Antje so schnell wie möglich zunächst unter vier Augen reden, verspricht er mir.

Damit ist der Grund eigentlich abgehandelt, aus dem wir uns getroffen habe. Ganz ersichtlich jedoch hat Alexander genauso wenig Lust wie ich, das Gespräch zu beenden. Obwohl er in seinem SM-Laden vorne sicher längst vermißt und gebraucht wird.

Mir ist heiß, und der Gedanke daran, was irgendsoeine hirnamputierte Zicke mit ihm gemacht hat, bohrt in mir. Ob ich wohl …

Kurz entschlossen rutsche ich von meinem Sessel, knie mich vor ihn. Ganz sanft streichele ich seine Oberschenkel, nehme seine Hände, küsse sie. Ein bißchen albern komme ich mir dabei ja vor, einem Mann die Hand zu küssen. Andererseits – warum nicht? Irgendwie will ich ihm meine Zuneigung schon zeigen. Und ein schönes Gefühl ist es, vor allem, als er die Augen schließt, sich zurücklehnt, sich meinen Berührungen überläßt.

Rauh werden wir beide in unserer Versunkenheit ineinander unterbrochen; die Verkäuferin ruft nach ihm.

Seufzend erhebt er sich, reicht mir die Hand, zieht mich hoch. Und preßt sich dann an mich, daß ich seinen ganzen Körper gegen meinen spüre, die Beule in seiner Hose gegen ihr Pendant bei mir.

Flüchtig küßt er mich auf den Mund, bevor er sich wieder von mir löst.

Der Geschmack seiner Lippen begleitet mich den ganzen restlichen Nachmittag. Zusammen mit der Sorge um Antje.

Die kein Wort sagt, als ich mich um sechs von ihr verabschiede. Obwohl Alexander sie inzwischen mit Sicherheit angerufen hat wegen dieser ärgerlichen Angelegenheit. Nur ziemlich bedrückt sieht sie aus. Ja, inzwischen weiß sie wohl, was ihr droht. Mir wird ganz mulmig.

Aber wenn sie es mir nicht erzählen mag, kann ich ja schlecht berichten, daß ich schon Bescheid weiß. Steinigen würde sie mich!

Mir bleibt nichts anderes übrig, als mich für einen ziemlich unbehaglichen Abend in ihre Wohnung zu begeben und auf sie zu warten. Es könne spät werden, hat sie mich vorgewarnt. Aha; also findet das Gespräch mit Alexander wahrscheinlich schon heute statt.

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Scheiße – hoffentlich ist Alexander vorsichtig mit ihr!

Schon im Auto kann ich kaum stillsitzen; und zuhause laufe ich wie ein Tiger im Käfig herum, kann nichts essen, nicht fernsehen, nichts lesen. Starre immer wieder aus dem Fenster.

Sie kommt nicht.

Irgendwann klingelt es an der Tür. Hoffnungsfroh renne ich hin. Aber es ist nicht Antje, die ihren Schlüssel vergessen hat. Es ist ihre Freundin Susanne.

Oh nein, auch das noch! Na, wenigstens wird es mich von meinen düsteren Gedanken ablenken!

Hätte ich gewußt, was danach passiert – keine zehn Pferde hätten mich dazu gebracht, sie reinzulassen!

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