28. Mai 2008

Fetisch Roman – Kapitel 26 – Telefonterror – Die Unfähigkeit, nein zu sagen – Sichtweise David

Endlich kommt sie die Treppe hoch. Und kaum ist sie da, ist sie auch schon so sehr da, daß daneben erst einmal nichts anderes mehr Platz hat.

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Lang und breit und haarklein erzählt sie mir, wie toll Alexander war, und daß er es, wie man hoffen kann, geschafft hat, das Problem mit Bernd aus der Welt zu räumen. Es freut mich wahnsinnig, daß alles so gut hingehauen hat. Ansonsten höre ich vor allem eines aus ihren ganzen Worten heraus. „Dieser Alexander hat dich aber ganz schön durcheinander gebracht,“ stelle ich grinsend fest.

Erst ist sie empört, aber schließlich lacht sie und gibt mir recht. Wobei sie sich natürlich den Seitenhieb nicht verkneifen kann, daß es mir schließlich ebenso geht.

Dazu will ich mich ja nun nicht näher äußern. „Deinen Konflikt mit Bernd scheint er jedenfalls hervorragend in den Griff bekommen zu haben,“ lenke ich ab.

Merkwürdigerweise scheint sie aber gar nicht erleichtert zu sein, daß sie die Sorge wegen Bernd los ist. Irgend etwas befürchtet sie. Was, damit rückt sie nicht heraus. Auch nicht, als ich sie damit provoziere, daß sie doch sicher Gespenster sieht.

Erst denke ich, sie spinnt, aber sehr schnell färbt ihre Unkenstimmung auf mich ab.

Dann klingelt das Telefon. Sie geht ran, erschrickt sichtlich, schaltet den Lautsprecher ein und wirft mir einen hilfesuchenden Blick zu. Sofort bin ich bei ihr, streichele sanft ihre Schultern, um Unterstützung damit zu symbolisieren, und höre nun das erste Mal Bernds Stimme.

Gott, einer von der Sorte! Seine Stimme knatscht und knarrt, und man kann ihr anhören, daß er nicht in der Lage ist, irgend etwas wahrzunehmen, was nicht in sein Konzept paßt. Nörgel, nörgel, mecker, mecker, so lange, bis die anderen völlig entnervt nachgeben. Abwehren kann man ihn kaum; er ist hartnäckig, registriert weder Ablehnung noch Nackenschläge, wenn er wie ein Bulle auf das rote Tuch auf sein Ziel zustürzt.

Ein privates Treffen mit Antje will er haben.

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Wie solche Leute die Welt sehen, ist überaus faszinierend. Große Teile der Wirklichkeit existieren für sie gar nicht. Dadurch wird alles schief. Über solche schleimigen Drängler habe ich mich schon oft geärgert. Und über die Frauen, die ihnen eifrig zuhören, statt gleich machtvoll die Klappe fallen zu lassen – ihnen direkt auf die Finger.

In gewisser Weise verstehe ich Antjes Zurückhaltung. Sie hat vielleicht mit Bernd in nächster Zeit beruflich sehr oft zu tun. Und er kann ihr gewaltig schaden. Andererseits: Er wird ihr auf jeden Fall schaden. Da kann sie sich wenigstens Ruhe vor solchen Anrufen verschaffen.

Warum erklärt sie ihm so viel? Er wird es nicht verstehen. Ich werde ganz nervös beim Zuhören. Einfach nur nein sagen, muß sie, und zwar eisenhart. Unmißverständlich. Dann den Hörer auflegen, nicht mehr abnehmen.

Oh nein, jetzt verspricht sie ihm auch noch, sich die Sache in aller Ruhe durch den Kopf gehen zu lassen, und sich wieder bei ihm zu melden. Völlig verkehrt! Das ermutigt ihn nur. Etwas viel Dümmeres hätte sie kaum sagen können.

Er wird wieder anrufen, wahrscheinlich sogar sehr bald. Wenn ich ihr doch bloß per Gedankenübertragung andere Sätze in den Mund legen könnte!

Ah, endlich hat er einen Nerv getroffen, und sie richtet sich auf, wütend, faucht ihn an. Aber das ist nun auch wieder nicht ganz das wahre. Wenn er wirklich devot ist, erfüllt sie ihm damit nur einen seiner geheimsten Träume. Tatsächlich, schon wird er demütig, entschuldigt sich. Und hat ein Band mehr, das ihn zu Antje hinzieht.

Ruhig hättest du bleiben müssen, Mädel – ganz ruhig und neutral. Und gleichgültig. Und ohnehin überhaupt nicht so lange mit ihm reden.

Endlich packt sie es, ihn zu verabschieden. Ist danach in allergalligster Laune. Als ich versuche, ihr auseinanderzusetzen, wie sie meiner Meinung nach hätte reagieren müssen und wie sie sich bei den zu befürchtenden weiteren Anrufen verhalten sollte, geht sie auf mich los.

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Der Abend ist versaut. Später entschuldigt sie sich, aber das hilft dann auch nichts mehr. Dieses miese Arschloch von Bernd!

Am nächsten Morgen meldet er sich wieder. Drei Tage ruft er abends an, morgens, und dann noch ein-, zweimal bei der Arbeit.

Antje ist mit den Nerven völlig runter, und langsam verliere ich die Geduld. Auch mit ihr. Jedesmal, wenn ich rangehen will, kommt sie mir zuvor. Auf meine Ratschläge hört sie nicht. Noch immer hat sie ihm kein klares nein um die Ohren gehauen, und sie will weder das Telefon einfach klingeln lassen, noch mit Alexander oder notfalls auch mit unserem Chef reden.

Statt dessen wird sie immer dünnhäutiger, blafft mich wegen jeder Kleinigkeit an. Und langsam geht das bei mir an die Substanz, auch wenn sie nachher meistens tränenreich versucht, alles wieder in Ordnung zu bringen.

Am dritten Abend reicht es mir. Ich postiere mich in unmittelbare Nähe des Telefons, und diesmal bin ich schneller. Barsch melde ich mich.

Das war aber nun nicht so geschickt, denn diesmal will eine Frau Wagner ihre Tochter sprechen.

Schnell reiche ich Antje den Hörer.

Wenn ich nicht wüßte, daß sie mit ihrer Mutter telefoniert, würde ich darauf tippen, daß ein Kind von höchstens acht Jahren am anderen Ende ist. So kenne ich Antje gar nicht.

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Aus ihren Antworten schließe ich, daß ihre Mutter sie nach Strich und Faden über mich, über uns ausfragt. Ja, und? Ist doch verständlich, oder?

Sie klingt betont neutral. Ach, ich sei gar nicht so wichtig. Nein, wir seien noch nicht lange zusammen, und kein Mensch könne wissen, was daraus wird.

Na, prima! Macht richtig Spaß, sich das anzuhören!

Ich bin ernstlich beleidigt. Nachdem sie das Telefonat beendet hat, versucht sie mir zu erklären, daß man ihre Mutter heraushalten muß, weil sie sich sonst gleich in alles einmischt. Ach, Quatsch! In was soll sie sich denn einmischen? So weit weg, wie sie ist. Und selbst wenn – soll Antje sich das einfach verbitten, wenn es ihr nicht paßt. Warum muß sie bloß aus allem so ein Riesentheater machen?

Irgendwann brüllt sie mich an. „Verdammt nochmal, willst du dich unbedingt gleich mit lauter Fragen löchern lassen, wann wir zusammenziehen, wann wir heiraten und wann das erste Kind kommt?

Ach, das ist es! Das amüsiert mich jetzt. Sie meint, ihre Mutter hört gleich die Hochzeitsglocken läuten, wenn sie mitkriegt, daß es uns beiden ernst ist. Gut, das wäre mir allerdings auch noch ein wenig früh. „Also, mit den beiden letzten Dingen sollten wir uns unter Umständen noch ein wenig Zeit lassen,“ sage ich lachend. „Aber was das Zusammenziehen angeht, dagegen hätte ich nicht das geringste einzuwenden!

Das haut sie total um, ihre Augen werden feucht.

Mensch, Himmel, warum sagt sie es denn nicht, daß sie es für an der Zeit hält, den nächsten Schritt zu tun? Ständig hat sie Angst, unsere Beziehung sei mir nicht wirklich wichtig. Selbst kann sie mir aber auch kein Zeichen geben, wie es in ihr aussieht. Wenn sie eine gemeinsame Wohnung möchte – warum nicht? Wir hängen ohnehin die ganze Zeit zusammen. Das würde eine Menge Miete sparen. Und den ganzen Aufstand, den wir jetzt haben, wann immer etwas, das wir ganz dringend brauchen, natürlich ausgerechnet in der anderen Wohnung ist.

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Also, ziehen wir zusammen!

Aber nur unter der Voraussetzung, daß wir Deine Mutter zur Einweihungsfete einladen,“ schränke ich den Satz provozierend ein.

Sie greift sich meinen Arm und beißt zu. Sehr fest. Au! Ich drücke mich an sie. Gegen ein wenig gerne auch handfestere Zärtlichkeiten hätte ich nicht das geringste einzuwenden. Nach Bernds Anrufen war sie nie in Stimmung, und ich kann nicht wichsen, wenn ich keine Ruhe habe und sie dauernd um mich herum ist. Selbst wenn sie schläft, rückt sie mir so dicht auf die Pelle, daß es nicht ginge, ohne sie zu wecken. Und langsam wird es schon Zeit …

Wieder klingelt das Telefon. Dieser Mistkerl! Wenn er nicht bald aufhört, ständig in unser Leben einzudringen, werde ich ihm einmal einen netten kleinen Besuch abstatten.

Antje grabscht nach dem Hörer, noch bevor ich reagieren kann. Sie läßt ihn gar nicht erst groß zu Wort kommen. „Mein lieber Bernd,“ bemerkt sie, völlig ruhig, „ich will mit dir nichts zu tun haben. Ich werde äußerst höflich zu dir sein, wenn wir uns beruflich treffen, und ich hoffe, daß ich dasselbe auch von dir erwarten kann. Aber darüber hinaus möchte ich dich weder sehen, noch von dir hören. Und ich möchte dich dringend bitten, mich nicht mehr anzurufen.“ Dann knallt sie den Hörer auf. Sofort schrillt es erneut. Sie hebt den Hörer, läßt ihn zurückfallen, legt ihn dann zur Seite, daß die Leitung blockiert ist.

Bravo, Antje!

So, und nur so wird sie ihn los. Hätte sie gleich so reagiert, gäbe es das Problem schon längst nicht mehr. Inzwischen hat er sich allerdings bestimmt so an sie gewöhnt, daß er noch einige Male nachsetzen wird. Was könnte man denn noch …

Antje unterbricht meine Gedanken.

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Ich glaube, wir sind gerade bei etwas gestört worden, das ich unbedingt fortsetzen möchte,“ schnurrt sie und greift nach meinem obersten Hemdenknopf.

Einverstanden – werde ich einfach morgen weiter über Bernd nachdenken!

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