Die Sonne hat den ganzen Tag geschienen. Andrea liegt auf ihrer Liege. Sie trägt eine kurze Hose und knappes Top. Einen Bikini besitzt sie nicht. »So etwas steht mir nicht«, antwortet sie stets, wenn Harald sie danach fragt. Vielmehr hat sie sich einen braven Einteiler zugelegt. Daß Harald sie gern knackiger verpackt sehen möchte, stört sie nicht. Und sich oben ohne sonnen – also nein: »Was sollen denn bloß die Nachbarn denken…?« Dabei ist die Terrasse vor dem großen Wohnzimmerfenster fast zugewuchert. »Da kann niemand zu uns hereingucken«, sagt Andrea immer, wenn Harald am Abend die Rollos herunterläßt. »Ich mag nicht auf dem Präsentierteller sitzen«, sagt er.
Daß es im Wohnzimmer auch für den angestrengtesten Gucker nichts zu spannen gibt, verschweigt er lieber. Schmusen und Kuscheln sind schon o.k. und auch beim Sex ist Andrea lustvoller geworden. Aber alles zu seiner Zeit und an seinem Ort. Soll heißen: Liebe gibt es vor dem Einschlafen – manchmal jedenfalls. Und dann nur im Ehebett. Und dann ist ein Auge immer auf die Tür gerichtet, damit die lieben Kleinen nicht mitbekommen, daß Mama und Papa heute wilder kuscheln als sonst.
Doch die Kinder schlafen schon. Andrea geht ins Wohnzimmer. Dort liegt ihr Mann. Er ist auf seinem Sofa eingenickt. Im Fernsehen läuft ein Fußballspiel. Andrea nimmt sich das Programm vor. Da läuft ein Grusel-Krimi. Sie schaltet um, dann langt sie nach der Wohn-Illustrierten und schmökert ein wenig. Von dem Film bekommt sie nur den Ton mit. Das reicht ihr auch schon. Viel spannender findet sie Bauanleitungen, Einrichtungstips und Vorschläge, wie der Garten schöner wird.
Harald wacht gegen 10 Uhr auf. Er blinzelt ein wenig, guckt zu seiner Liebsten, die immer noch in der Zeitschrift blättert. Er steht auf, dreht sich an der Tür um – und schlurft ein bißchen enttäuscht nach oben. Ruckzuck ist er im Bett verschwunden, guckt noch kurz in eine ältere Ausgabe des Stern, erfreut sich an dem Anblick leicht bekleideter Models, seufzt kurz, löscht das Licht und schläft schnell ein. Sein Schlaf ist tief und traumlos. Andrea kommt erst gegen Mitternacht. Sie wäscht sich, geht ins Schlafzimmer, läßt den Bademantel fallen und huscht nackt ins Bett. Sie liest noch eine halbe Stunde, dann macht auch sie das Licht aus und schläft ein. Am nächsten Morgen bringt Andrea die Kinder zum Kindergarten.
Harald steigt in die Badewanne. Ein heißes Bad entspannt. Er spürt, wie die Wärme von seinem Körper Besitz ergreift. Eine angenehme Müdigkeit macht sich breit. Doch er wäscht sich die Haare. Dann steht er auf, nimmt das Duschgel zur Hand und massiert die blaue zähflüssige Mixtur ein. Beide Hände fahren die Brust herab bis zum Beinansatz. Dann verreibt er das Gel unter den Achseln. Mit kreisenden Bewegungen geht es dann herunter. Schließlich wird auch das Schamhaar gereinigt. Er nimmt seinen Penis in die Hand, streift die Vorhaut zurück und verreibt die Creme auch dort. Als er den Körper vollkommen eingeseift hat, setzt er sich wieder hin. Das warme Wasser spült das Gel wieder von der Haut. Harald trocknet sich ab, dabei bildet sich schon wieder ein zarter Schweißfilm auf der Haut. Es ist sehr warm. Er öffnet das Kippfenster im Badezimmer. Selbstkritisch nimmt er seinen Körper unter die Lupe. Der Speckansatz über den Hüften ist zwar nicht dicker geworden, aber auch nicht dünner. Der Rest findet unter seinen Augen Gnade. »Für einen 41jährigen ist das wohl so in Ordnung«, seuzt er in sich hinein. Vorbei die Zeiten, in denen sich höchstens Muskeln unter der Haut abzeichneten, wo jetzt eine schwabblige Masse dem Selbstbewußtsein schmerzhafte Piekser versetzt.