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27. November 2008

Parkplatztreff in der Mittagspause

Kommst du mit mir Mittagessen?„, fragt mich ein Kollege. Bedauernd – oder vielmehr gespielt bedauernd, denn ich kann ihn nicht ausstehen und meine Pläne für die Mittagspause sind weit aufregender als ein Mittagessen mit diesem langweiligen Typen – schüttele ich den Kopf. „Nein, ich hab schon was vor. Vielleicht morgen.“ Interessiert sieht er mich an. „Was hast du denn vor?„, fragt er mich. Der Herr ist aber auch gar nicht neugierig. Dabei geht ihn das schließlich gar nichts an, was ich in meiner Mittagspause mache! „Ach, irgendwelche lästigen Besorgungen„, weiche ich der Frage aus. Ich kann ihm ja schließlich schlecht sagen, dass ich mich gleich mit einem anderen Kollegen treffe; dann wäre er gleich beleidigt. Und wenn er wüsste, wo das Treffen stattfindet und was dabei abgeht, dann wäre er es noch mehr. Und vielleicht auch ein bisschen entsetzt …

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Als er fort ist, überprüfe ich im Spiegel über dem kleinen Waschbecken in meinem Zimmer noch einmal schnell mein Make-up, bessere Lippenstift, Mascara und Lidstrich sowie den Puder nach, sprühe ein wenig Deo und ein bisschen Parfüm auf Haut und Kleidung, nehme meinen Mantel und meine Tasche, und los geht es. Mein Auto steht in der Tiefgarage der Firma, wo es allerdings für die Mitarbeiter immer viel zu wenig Plätze gibt. Morgens bekomme ich immer einen Platz, weil ich normalerweise sehr früh dran bin. Ich kann nur hoffen, dass ich nach der Mittagspause auch wieder einen Platz bekomme. Am liebsten würde ich das Auto ja stehen lassen, aber dann könnte ich meine Verabredung nicht einhalten. Das Treffen findet nämlich ganz woanders statt. Auf einem kleinen, verschwiegenen Wald-Parkplatz etwas außerhalb der Stadt. Damit uns auch keiner dabei beobachtet, was wir dann tun. Sonst wäre der Klatsch gleich nicht mehr auszuhalten. Wir sind nämlich beide verheiratet; mein Kollege und ich. Bloß nicht miteinander … Das muss ja nicht sein, dass dann über uns getuschelt wird; am Ende erfahren seine Frau und mein Mann sonst noch etwas von unserer Affäre. Dabei tun wir damit niemandem weh; wir haben einfach nur unseren Spaß. Das fördert die Arbeitskraft, so ein Fick in der Mittagspause, und es sorgt auch dafür, dass wir beide abends mit etwas mehr Begeisterung zu unseren Ehepartnern zurückkehren, als das sonst der Fall wäre. Mit denen läuft nämlich in beiden Fällen nicht mehr allzu viel in Richtung Sex …

An der Ecke hätte ich beinahe ein anderes Auto gerammt, so aufgeregt bin ich vor Vorfreude. Ich zwinge mich zur Ruhe und Besonnenheit. An der Ampel staut sich der Verkehr, aber zum Glück geht es dann doch bald weiter. Das ist mir erst einmal passiert, dass ich eine Verabredung nicht einhalten konnte, weil ich die gesamte Mittagspause im Stau gestanden habe, nach einem Unfall mitten auf der Kreuzung, und beinahe sogar noch zu spät zurück zur Arbeit gekommen wäre, ganz ohne das geplante erotische Vergnügen. Aber heute liege ich zum Glück gut in der Zeit. Es sind fast zehn Minuten Fahrt bis zum Parkplatz, und wieder zehn Minuten zurück. Da muss ich mich schon ein wenig beeilen, sonst kommt der eigentliche Grund für das Treffen zu kurz. Der Parkplatzsex nämlich …

Da ist schon der Saum des Waldes, und nun sehe ich das blaue Schild mit dem weißen „P“ für Parkplatz darauf und einem Pfeil nach rechts. Ich biege ab. Mein Auto schaukelt ganz schön; zu dem Parkplatz führt nur ein Waldweg, der nicht asphaltiert ist, und für Waldwege ist mein schicker Stadtflitzer einfach nicht gemacht. Mein Kollege hat es da besser – der fährt einen Geländewagen mit Allrad-Antrieb. Einmal hat er mich mitgenommen, weil mein Auto zur Reparatur war. Das war ein ganz schöner Aufstand, dass das niemand mitbekommt; ich bin zu Fuß los, und er hat mich dann irgendwo aufgelesen, damit niemand uns zusammen sieht. Für sein Auto ist der Weg kaum schlechter als die Landstraße, nur ich werde ordentlich durchgeschüttelt in meinem Wagen. Zu meiner Enttäuschung ist der Parkplatz noch leer; mein Kollege ist noch nicht eingetroffen. Ich steige aus und zünde mir erst einmal eine Zigarette an. Rauchen und Vögeln, das sind zwei Dinge, die bei uns in der Firma nicht erlaubt sind. Dafür muss man sich eben auf einen Parkplatz im Wald verziehen, für die Parkplatz Zigarette und den Parkplatz Sex. Meine Zigarette ist erst halb heruntergebrannt, da höre ich einen anderen Wagen kommen.

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Lässig lehne ich mich gegen mein Auto und tue so, als wäre ich ausschließlich zum Rauchen und nicht zum Vögeln hergekommen. Seit man in den Gebäuden fast nirgendwo mehr rauchen darf, muss man sich ja in die freie Natur verziehen, wenn man seiner Sucht nachgeben will. Also wirkt Rauchen auf einem Parkplatz ziemlich harmlos. Schließlich weiß ich ja nicht, wer da kommt; es kann ja auch mal jemand anderes sein als mein Kollege. Einmal sind wir beim Parkplatzsex hier schon beinahe überrascht worden. Wir waren gerade mitten beim wilden Vögeln, da kam ein anderes Auto. Das hat auch noch direkt neben uns geparkt, und die Frau, die ausgestiegen ist, hat ganz neugierig zu uns herübergesehen und hat sich partout auch nicht vom Parkplatz entfernt. Da mussten wir uns ganz hastig auf dem engen Rücksitz die Klamotten wieder anziehen und so tun, als wollten wir nur spazieren gehen. Wobei sie es bestimmt geahnt hat, dass wir eigentlich nur zum Poppen da waren. Im Sommer machen wir es oft so, dass er eine Decke mitbringt und wir uns ein Stück in den Wald verziehen. Wer dann auf den Parkplatz kommt, der sieht nur zwei geparkte Fahrzeuge, das ist ja nun nicht sehr auffällig. Aber im Herbst, wenn es kälter wird, da ist der Parkplatzsex ja nur im Auto möglich – der Geländewagen meines Kollegen hat zum Glück eine Standheizung! -, und da leben wir immer mit der Angst, beim Vögeln im Auto erwischt zu werden. Wobei gerade diese Gefahr unseren Sextreffen auch immer einen ganz besonderen Kick gibt, das muss ich zugeben. Ich meine, was soll denn schon groß passieren, selbst wenn uns jemand beim Parkplatzsex sieht? Eine echte Gefahr ist es also nicht; aber trotzdem wäre es ja ziemlich peinlich. Und mit dieser harmlosen Gefahr zu spielen, das macht schon Spaß.

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23. November 2008

Von Yoga zum Sex

Mein Mann interessiert sich überhaupt nicht für Kunst. Das war bereits so, als wir vor sechs Jahren geheiratet haben; und es wäre für mich beinahe ein Grund gewesen, ihn doch nicht zu ehelichen … Er stöhnt schon, wenn ich nur etwas erwähne, was auch nur ganz entfernt etwas mit Kunst zu tun hat. Selbst wenn ich nur etwas von einem „Pinsel“ sage, winkt er schon total genervt ab – auch wenn ich damit seinen eigenen Rasierpinsel meine. Oder einen Backpinsel; obwohl er gerne Kuchen ist, den ich selbst gebacken habe. Aber es könnte ja schließlich etwas mit Malerei zu tun haben, wenn von einem Pinsel die Rede ist …

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Nie bekäme ich meinen Mann dazu, mit mir in eine Kunstausstellung zu gehen. Für ihn ist Kunst dasselbe wie Kultur, nämlich etwas, das durchweg anstrengend und unangenehm ist. Da muss ich dann immer schon alleine hin, wenn ich in der Richtung etwas unternehmen will. Das hat mich früher immer gestört. Ich meine, wozu ist man denn verheiratet und mit einem Mann zusammen, wenn man in seiner Freizeit dann doch alle möglichen Dinge allein unternehmen muss? Ich bin immer sehr gerne in Kunstausstellungen oder Museen gegangen. Vor der heirat und nachher. Nicht dass ich von der Malerei jetzt allzu viel verstehen würde; ich bin da schon mehr ein echter Laie, der gerade mal ein paar der bekanntesten Gemälde erkennt und den Maler nennen kann. Trotzdem, ich liebe es, mir Bilder anzuschauen. Und zwar echte Bilder; die Abbildungen in Kunstbänden oder auch im Internet reichen mir da einfach nicht aus. Sie besitzen keine Ausstrahlung. Zumal bei einer Kunstausstellung ja noch das gesamte Flair der Umgebung hinzukommt; lauter kunstbegeisterte Menschen, vielleicht ist sogar der Künstler selbst anwesend, faszinierende Räume und faszinierende Bilder, perfekt beleuchtet, und anschließend kann man sich vielleicht bei einem Glas Sekt oder am kalten Büffet noch mit jemandem unterhalten und seine Erfahrungen austauschen – das ist richtig Balsam für die Seele. Deshalb bin ich in unserer Stadt auch im Kunstverein. Wir unterstützen die Künstler, die in unserer Stadt wohnen, versuchen ab und zu auch einmal, berühmtere Maler zu einer Ausstellung in unserer Stadthalle zu bewegen, oder organisieren Fahrten zu Ausstellungen anderswo. Und bei alledem bin ich immer allein, weil mein Mann nicht mitkommt.

Ab und zu fragt er mich auch mal ganz brummig, ob das denn wirklich sein muss, dass ich soviel Zeit mit „fremden Männern“ verbringe; so nennt er die Künstler immer, obwohl das bei weitem nicht nur Männer sind. Es gibt schließlich auch genügend Malerinnen und Bildhauerinnen; und bei den Malerinnen muss man nicht einmal unbedingt an Seidenmalerei denken, dieser Möchtegern-Kunst für frustrierte Hausfrauen, wie mein Mann immer sagt. Letztlich ist er allerdings gar nicht richtig eifersüchtig. Und es ist ihm auch viel lieber, ich gehe allein zu einer Vernissage, als dass er mitkommen muss. Ich hatte es ihm ja schon einmal angeboten, dass ich auf einen Teil meines Engagements in Sachen Malerei und Kunst verzichte, wenn er dafür verspricht, mich ab und zu einmal zu begleiten. Da war aber mit ihm überhaupt nicht zu reden.

Deshalb gehe ich jetzt aus Trotz erst recht auf so viele Ausstellungen, wie ich nur kann. Und als einer der Künstler, die wir vom Kunstverein sozusagen ein bisschen betreuen, seine erste Ausstellung bei uns hatte, und zwar nicht in der Stadthalle, sondern in einigen Räumen des Museums, die noch weit mehr Ausstrahlung besitzen, da gehörte es sich ohnehin, dass da auch ich anwesend war, und zwar schon auf der Vernissage, auf der Ausstellungseröffnung, mit der sich der Kunstverein sehr viel Mühe gegeben hatte. Da durfte ich wirklich nicht fehlen; zumal ich auch mit für die Bewirtung der Gäste zuständig war. Außerdem war ich verdammt neugierig auf den Künstler, den ich bisher noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Er war erst kürzlich in unsere Stadt gezogen und schien recht menschenscheu zu sein. Alles, was mit dem Verein beredet werden musste, organisierte seine Frau; er selbst tauchte nie auf und war auch nicht zu Telefonaten zu bewegen. Auch ein Bild von sich für den Ausstellungskatalog wollte er nicht zur Verfügung stellen, berichtete seine Frau. Seine Bilder gefielen mir aber unheimlich gut, und deshalb war ich schon riesig gespannt.

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Weil ich noch einiges vorzubereiten hatte, war ich schon lange vor der Eröffnung da. Ich kümmerte mich um die Getränke und Erfrischungen und unterhielt mich ein bisschen mit meinen Freundinnen aus dem Verein. Als alles geregelt war, was geregelt werden musste, war es noch immer über eine halbe Stunde Zeit bis zur richtigen Eröffnung. Deshalb beschloss ich, dass ich es mir in dem kleinen Büro, das man uns vom Museum aus für die Organisation zur Verfügung gestellt hatte, noch ein wenig gemütlich machen würde. Einfach noch einmal die Füße hochlegen, denn auf denen würde ich während der Vernissage noch lange genug stehen. Ich öffnete die Tür ohne anzuklopfen, denn schließlich kennen wir uns alle untereinander – und stand dann plötzlich total überrascht und höchst peinlich berührt in einem ganz anderen Raum. Da hatte ich wohl die Türen verwechselt! Nun wäre das allein ja noch nicht so schlimm gewesen, aber mitten in diesem Raum saß ein Mann auf dem Fußboden, halb nackt bis auf eine kurze Sporthose, im Schneidersitz auf einem Teppich, und machte, wenigstens vermutete ich das, ein paar Yoga Übungen. Dabei hatte ich ihn nun gründlich gestört, was mir auch sehr unangenehm war. Ich murmelte eine Entschuldigung und wollte mich hastig wieder zurückziehen, da sagte er, mit einer sehr sonoren Stimme: „Bitte bleiben Sie doch!“ Ich war schon ganz schön überrascht, das muss ich sagen. Ich meine, wir kannten uns ja nicht, ich hatte ihn bei seinen Entspannungsübungen gestört – da war es schon erstaunlich, dass er mich zum Bleiben aufforderte. Nun deutete er auf den Platz neben sich auf dem Boden. „Setzen Sie sich zu mir, bitte„, erklärte er. „Das wird mir helfen.“ Nun, wenn ein Mensch Hilfe braucht, dann muss man ihm ja helfen, nicht wahr? Auch wenn es ein völlig Fremder ist.

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