„Eine interessante Theorie„, bemerkt der Professor sarkastisch, als ich meine Überlegungen vorgetragen habe. „Falls ich mal eine geniale Forensikerin benötige, werde ich sicherlich zu Ihnen kommen. Allerdings sollten Sie sich im Rahmen Ihrer Ausführungen in meiner Vorlesung dann doch lieber an die Erkenntnisse halten, die in Rechtsprechung und Lehre schon längst gefunden wurden, statt sich ein eigenes Wolkenkuckucksheim zu bauen.“ Ich werde glühend rot und spüre, wie in meinem Bauch eine brennend heiße Kugel der Scham entsteht. Ich war so stolz auf mein Gedankengebäude, mit dessen Hilfe ich weitab von den „Erkenntnissen von Rechtsprechung und Lehre“ eine Lösung gefunden zu haben glaubte.
Er hätte ja auch wenigstens meine intellektuelle Leistung würdigen können, statt sich einfach nur über mich lustig zu machen. Meine Kommilitoninnen und Kommilitonen schauen zum Teil peinlich berührt weg, andere lachen unterdrückt. Es ist ja immer schön, wenn der beißende Spott eines Professoren einen anderen trifft als sie selbst. Nur steht bei diesem Prof eines fest – sie kommen auch noch an die Reihe. Denn, so hört man von den Semestern vor uns, er hat noch keinen verschont. Früher oder später macht er sich über jeden Studenten lustig. Und die Studentinnen kommen bei ihm noch schlechter weg. Frauen scheint dieser Herr nicht zu mögen. Er findet ganz offensichtlich, die haben beim deutschen und europäischen Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht nichts zu suchen. Womöglich nicht einmal an der Juristischen Fakultät überhaupt.
Wenn ich bloß wüsste, wie ich diesem Mistkerl seine unerträgliche Arroganz heimzahlen könnte! Aber ich bin eine brave Studentin – ich gehöre nicht zu denen, die meinen, sie müssten alle Naselang bei den Professoren den Mund aufmachen und sich über irgendetwas beschweren. Ich habe keine Lust, derart aggressiv aufzufallen. Ich will einfach so schnell wie möglich mein Jurastudium abschließen. Und das geht am besten, wenn ich mich ganz auf den Stoff konzentriere und mich durch nichts ablenken lasse. Auch nicht durch eingebildete Professoren. Das heißt, eine Ablenkung gibt es schon, die ich mir gestatte, aber erst abends, wenn mein Tagwerk erledigt ist. Tagsüber bin ich Studentin; abends etwas ganz anderes. Eine private Hobbynutte nämlich. Aber das mache ich wirklich nur ganz privat und wenn ich alles andere hinter mir habe, Vorlesungen, Seminare, Lerngruppe, Klausuren und vor allem Lernen, Lernen, Lernen. Das ist auch etwas, worauf ich mich den ganzen Tag freuen kann, wenn ich abends aus meinen braven Studentinnen Klamotten schlüpfe und etwas Schickes, Elegantes, Verführerisches anziehe, um als Hobbynutte die Männer gleich reihenweise zu vernaschen. Wenn ich meinen Professor einmal an einem solchen Abend als Hobbynutte in die Finger kriegen würde, statt ihm als Studentin in die Finger zu fallen …
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Hastig ziehe ich noch schnell meine Maske auf. Ich bin etwas spät dran heute, bei Lady Isabel. In der Unibibliothek war ein Buch nicht zu kriegen, was ich unbedingt für eine Hausarbeit brauche, da musste ich mir die ersten Informationen mühsam aus diversen anderen Büchern und aus dem Internet heraussuchen. Das hat mich mehr Zeit gekostet, als ich eigentlich eingeplant hatte. Beinahe hätte ich den Abend bei Lady Isabel sogar abgesagt, aber ich konnte doch noch alles so abschließen, wie ich es geplant hatte. Nur war die Zeit danach reichlich knapp. Nachdem ich geduscht und mich umgezogen hatte, war es schon fast acht; und um acht Uhr beginnt pünktlich die „Soiree„, die Lady Isabell einmal in der Woche veranstaltet, bei der sie auch neue Gäste empfängt. Die anderen Abende bleiben den Stammgästen vorbehalten. Das mit der Soiree muss man übrigens nicht so ganz wörtlich nehmen. Es ist schon wirklich eine Abendgesellschaft, die Lady Isabel da veranstaltet; aber es ist eine ganz besondere Abendgesellschaft … Warum, das werdet ihr gleich sehen; ich muss jetzt nur schauen, dass ich perfekt gekleidet bin und mich dann rasch unter die Gäste mischen, die größtenteils bereits angekommen sind. Eigentlich hat Lady Isabel es gerne, wenn ihre weiblichen Gäste – sämtlich tagsüber brave, junge Studentinnen und abends verführerische private Hobbynutten wie ich – etwas vor den Männern ankommen. Ich befürchte einen bösen Blick, als sie mich in den geschmückten und hell erleuchteten Saal kommen sieht, doch sie nickt mir nur freundlich zu und sogar anerkennend.
Heute sehe ich aber auch wirklich ganz besonders sexy aus; ein hastiger Blick in den Spiegel hat es mir gezeigt. Ich trage Netzstrümpfe, darüber einen Minirock aus dünnem, absolut weichem Leder und eine Art Zwischenstück zwischen Lederbluse und Lederjacke. Hochgeschlossen, hauteng, bauchfrei. Mitten auf dem Streifen nackter Haut blitzt mein neues Bauchnabelpiercing. Es strahlt und funkelt in vielen bunten Facetten wie ein Diamant, ist allerdings natürlich nur ein Zirkon. Etwas anderes kann sich eine Studentin ja nicht leisten. Nicht einmal eine, die abends private Hobbynutte ist, denn damit verdiene ich mir zwar ein Taschengeld dazu, aber keine Reichtümer. Ich mache das auch nicht wegen des Geldes, als weiblicher Gast auf Lady Isabels Gesellschaften auftauchen, sondern weil es ungeheuer Spaß macht, weil es entspannt, und weil es der perfekte erotische Ausgleiche zum harten Jurastudium ist. Besonders heute habe ich diese Ablenkung nötig, nachdem mein Gesellschaftsrecht-Prof mich so böse zur Schnecke gemacht hat, vor dem gesamten Semester. Das habe ich noch nicht ganz verwunden. Aber die Blicke der anwesenden Herren, die sich zum größten Teil gleich mir zuwenden, tun gut. Ich weiß, ich bin eine der hübschesten unter Lady Isabels Hobbynutten, was mir von Seiten der anderen Hobbynutten auch schon viel Neid und Missgunst eingetragen hat. Aber das stört mich nicht – mir geht es nur um die Bewunderung und das Begehren der Männer, und das bekomme ich, beides, im Übermaß.