Es war eindeutig ein Fehler, dass mein Freund mich seinem Vater vorgestellt hat. Ich habe es gleich gemerkt, als der Senior mich mit so hungrigen Augen nicht nur angesehen, sondern regelrecht verschlungen hat. Es kam mir so vor, als würde er mich in Gedanken genüsslich ausziehen. Wobei ich sowieso schon nicht allzu viel anhatte. Es war Hochsommer, und ich trug ein Minikleid in Weiß mit orangefarbenen Mustern, dazu weiße Sandaletten, und das war es auch schon. Ich trug keine Strümpfe, keinen BH und kein Höschen, und Lothars Vater sah mich an, als wisse er es.
Mir wurde ganz heiß, obwohl das Haus von Lothars Eltern, mit Klimaanlage ausgestattet, trotz der irren Hitze draußen eigentlich eher zu kühl war. Ich weiß nicht, ob ich es in diesem Augenblick schon geahnt habe, was in der Nacht passieren würde. Auf jeden Fall war mir nicht bewusst, welche leidenschaftliche Ekstase der Körper des Mannes in mir hervorrufen würde, der mir da, reichlich steif und konservativ, selbst im Hochsommer im zwar legeren, aber tadellosen Outfit gegenüber stand, und der genau das war, was ich „kühl“ nennen würde, ganz im Gegensatz zu „cool“, denn diese kühlen Typen finde ich eigentlich ganz und gar nicht cool. Nur durch seine heißen, dunklen Augen verriet er sich. Lothar hatte mir schon berichtet, dass sein Vater einer von den „Unnahbaren“ ist, wie er es nannte. Deshalb hatte es auch viele Monate gedauert, bis er mich endlich einmal mit zu seinen Eltern mitnahm. Wir beide waren damals 19 und 20, frisch gebackene Studenten. Ich hatte mich nicht auf Anhieb in Lothar verliebt – er musste das gesamte erste Semester um mich werben, bevor ich ihn dann endlich erhörte. Die ersten Semesterferien verbrachten wir dann gemeinsam. Wir fuhren nicht weg, wir unternahmen fast nichts und wir vernachlässigten sogar das, was wir in den Ferien fürs Studium zu machen hatten – wir kamen einfach aus dem Bett nicht mehr heraus.
Lothar hatte mehr Ahnung von Sex als alle anderen jungen Männer, mit denen ich bis dahin zu tun gehabt hatte, und das genoss ich unsagbar. Er gehörte zum Beispiel auch zu den wenigen Boys, die schon im Teenager Alter wissen, dass man eine Frau, auch wenn sie aufs Vögeln keineswegs verzichten möchte, mit Muschi lecken weit intensiver und einfacher befriedigen kann. Er liebte es, mit dem Kopf zwischen meinen Beinen zu verschwinden und mich zweimal, dreimal, einmal sogar viermal hintereinander kommen zu lassen. Das war ich nicht gewohnt – und es gefiel mir sehr gut. Am letzten Wochenende der Semesterferien, als für uns beide feststand, das war nicht nur ein Ferienflirt, sondern wir sind nun wirklich ein Paar, nahm ich Lothar mit zu mir nach Hause. Meine Mutter war begeistert von ihm – mein Vater lebt nicht mehr -, und meine jüngere Schwester, gerade 18 geworden, versuchte alles, um ihn mir abspenstig zu machen. Vergebens – er reagierte überhaupt nicht auf ihre Annäherungsversuche. Obwohl es mir für meine Schwester leid tat, war ich doch froh. Es ist doch schon ausgesprochen peinlich, wenn die jüngere Schwester einem den Freund wegschnappt …
Bis ich dann allerdings dann Lothars Familie kennenlernen durfte, darüber verging das gesamte zweite Semester. Er war zwischendurch öfter mal bei seinen Eltern, und jedes Mal rechnete ich damit, er würde mich bitten mitzukommen. Doch er meinte nur, anders als meine warmherzige Mutter würden seine Eltern mich sicherlich nicht so recht willkommen heißen, und die Tortur wollte er mir ersparen. Er malte dabei die Stimmung in seinem Elternhaus in so düsteren, grauen Tönen aus, dass ich bald selbst einen Horror vor diesem Besuch hatte und gar nicht begeistert war, als er sich dann irgendwann nicht mehr weiter hinausschieben ließ und stattfinden sollte, am ersten Wochenende unserer zweiten Semesterferien. Ich hatte ein ganz flaues Gefühl im Magen, schon während der Fahrt, die wir in Lothars Auto hinter uns brachten, zwar ein Kleinwagen, aber dafür fast neu; sein Geschenk zum bestandenen Abitur. Um die Bundeswehr war er wegen irgendeines körperlichen Fehlers herumgekommen, zu dem er sich aber nie näher äußerte; jedenfalls war es wohl nichts Schlimmes. Das Haus von Lothars Eltern ist schon wahnsinnig beeindruckend. Man könnte fast denken, man hat ein kleines Hotel vor sich, so groß ist es, und es wirkt wahnsinnig elegant.
Das verstärkte allerdings nur meine mit Minderwertigkeitsgefühlen vermischte Angst vor Lothars Eltern, die ich nun endlich kennenlernen sollte. Meine Befürchtungen wurden noch übertroffen. Lothars Mutter begrüßte mich, als sei ich etwas, das er auf der Straße aufgelesen hatte. Beschämt sah ich ein, Lothar hatte recht gehabt, als er mir morgens empfohlen hatte, etwas anderes anzuziehen als das luftige Sommerkleid, zu dem ich mich entschlossen hatte. Nur hatte ich es wegen der Hitze nicht eingesehen. Doch jetzt bereute ich es zutiefst, dass ich dieser streng gekleideten reifen Frau in etwas so – nun ja, Hauchdünnem, Durchsichtigen – begegnen musste. Fieberhaft überlegte ich, was ich an Wechselklamotten mitgebracht hatte. Aber da war garantiert nichts dabei, was den Ansprüchen von Lothars Mutter genügen würde. Und schon aus Trotz beschloss ich, das dünne „Fähnchen“ – das war bestimmt der Ausdruck, den sie in Gedanken dafür gebrauchte, wenn sie natürlich auch viel zu vornehm war, es auszusprechen – einfach anzubehalten. Die Atmosphäre war zwar frostig, und ich fröstelte sowieso, wegen der zu hoch eingestellten Klimaanlage, aber dennoch holte ich mir keine Jacke und zog mich auch nicht um. Nun gerade nicht! Sollte diese blöde Kuh doch noch so missbilligend ihre ganz dünn gezupften Augenbrauchen hochziehen und die dezent geschminkten und dennoch welken Lippen schürzen.