Zuerst fand ich es nur richtig süß, wie Daniel sich um mich bemühte. Ich war früher Lehrerin gewesen, dann war ich ausgestiegen, als die Kinder kamen – ich halte nichts davon, sich als Frau im öffentlichen Dienst jahrelang die Stelle warmhalten zu lassen, nur um dann irgendwann nach Jahren zurückzukehren, vollkommen draußen aus allem, was man für die Arbeit braucht. Aber jetzt bin ich 46, meine Kinder sind zwar noch nicht alle aus dem Haus, aber doch schon erwachsen und brauchen mich nicht mehr. Da wird es Zeit, dass ich mir wieder ein anderes Betätigungsfeld suche. In den normalen Schuldienst wollte ich nicht zurück, aber ich sah mich durchaus in der Erwachsenenbildung an der rechten Stelle. Eine Agentur, die alle möglichen Fortbildungskurse absolvierte, unter anderem auch für Englisch – das war als Lehrerin mein Fach gewesen – machte mir auch Hoffnung auf einen Job. Allerdings erst dann, wenn ich mich bei einem Kurs, wo plötzlich der Leiter ausgefallen war, als kompetent erwiesen hatte. Ich hatte also sofort Arbeit; aber der Kurs, den ich kurzfristig übernehmen sollte, hatte mehr mit Betriebswirtschaft als mit Englisch zu tun. Mir war nicht so ganz klar, wie ich das schaffen sollte. Aber ich gab mir große Mühe und kniete mich voll hinein. Trotzdem war ich mehr als unsicher, als ich dann das erste Mal vor den 13 Erwachsenen stand. Das erste, was ich ganz entsetzt feststellte, das war, dass alles Männer waren, und zwar Männer, die erheblich jünger waren als ich. Ich hatte mich mit meinen über 40 eigentlich nie so richtig als reife Frau gefühlt, sondern war mir immer noch jung vorgekommen. Aber die harte Realität der ganzen jungen Männer, alle höchstens Mitte 20, mit ihren straffen, jugendlichen Körpern und ihren faltenlosen und knitterfreien Gesichtern, machte es mir das erste Mal bewusst, dass Frauen über 40 nun doch schon reife Frauen sind; um nicht zu sagen alte Weiber … Es war eine Erkenntnis, die mich noch unsicherer machte, als ich das ohnehin schon war, wo ich schließlich in etwas unterrichten sollte, was nicht so wirklich mein Fach war. Noch dazu schienen diese Kursteilnehmer auch nicht besonders begeistert davon zu sein, es jetzt mit einer Frau zu tun zu haben; und noch dazu einer reifen Frau in meinem Alter. Der frühere Kursleiter war ein Mann Mitte 30 gewesen. Ich hatte es also gleich dreifach schwer – ich musste Dinge lehren, die ich mir vorher selbst erst aneignen musste, ich war eine Frau, und ich war zu alt.
Das einzige freundliche Gesicht in dem Kreis dieser äußerst kritischen jungen Herren der Schöpfung war das von Daniel. Daniel war mir gleich aufgefallen. Zum einen, weil er unheimlich gut aussieht. Er besitzt das markante Gesicht, das man bei einem Schauspieler oder einem Model erwartet, und seine Figur ist erste Sahne. Noch dazu trägt er immer hautenge Jeans, sodass sein knackiger Arsch so richtig gut herauskommt, ebenso wie seine kräftigen, muskulösen, aber durchaus noch schlanken Schenkel. Wäre ich nicht eine reife Frau gewesen, sondern ein junges Ding, ich hätte mich sofort in Daniel verliebt; aber ich war ja nun einmal über 40 und musste mir solche jugendlichen Torheiten endgültig abschminken. Das zweite, was mir an Daniel auffiel, das war eben, dass er als einziger richtig nett und freundlich zu mir war. Er begrüßte mich nicht mit einem mürrischen Brummen, wie die anderen, sondern mit einem freundlichen Lächeln, und schon nach der ersten Stunde kam er zu mir, um mir ein Kompliment über meinen Unterricht zu machen. Mir wäre ein Kompliment über mein Aussehen zwar lieber gewesen, das muss ich offen zugeben, aber das zu erwarten, wäre nun wirklich unrealistisch gewesen. Auch an Daniels Komplimente meine Fähigkeiten als Lehrerin und Kursleiterin betreffend gewöhnte ich mich sehr schnell. Es war das, was es mir möglich machte, das Ganze überhaupt durchzuhalten. Ansonsten war es ein einziger Albtraum. Ich musste mir nachmittags oft erst das beibringen, was ich am nächsten Tag unterrichten sollte, ich geriet bei Fragen außer der Reihe schnell aus dem Konzept, die Teilnehmer wurden nicht freundlicher, sondern eher immer unleidlicher, und ich sehnte schon nach der ersten Woche das Ende des Kurses entgegen. Das allerdings noch fast zwei Monate auf sich warten lassen würde. Da musste ich einfach durch. Und sollten reife Frauen wie ich nicht schließlich am Ende auch das Selbstbewusstsein besitzen, sich durch unhöfliche junge Männer nicht allzu sehr beeindrucken zu lassen? Die Boys sahen es als Nachteil an, dass ich so viel älter war als sie; aber war es nicht eigentlich auch ein Vorteil?