Meine Güte, bin ich aufgeregt! Über zwei Monate haben wir uns jetzt schon gemailt. Meistens ging es jeden Tag mehrfach hin und her. Am Telefon sprechen wir auch wenigstens alle zwei Tage miteinander. Er hat eine wunderschöne Stimme; ganz dunkel, mit so einer kleinen Vibration drin, wenn die Gefühle mit ihm durchgehen. Das macht mich immer ganz kribbelig.
Es war nie schwierig, ein Thema zu finden. Nie peinlich. Im Gegenteil; meistens hatten wir eher das Problem, dass wir kein Ende gefunden haben, obwohl wir beide beruflich ganz schön unter Stress stehen. Aber nach so einem Gespräch lief es ja auch immer gleich viel besser mit der Arbeit.
Eine wunderschöne Zeit war es.
Und morgen soll sie jetzt ihr Ende finden. Ab morgen Abend ist es vorbei mit den ganzen Träumereien, wie toll er wohl sein mag. Wie leidenschaftlich, zärtlich, lieb, sanft, tolerant, großartig. Denn morgen werde ich erfahren, wie er wirklich ist.
Ungefähr weiß ich, wie er aussieht; schließlich habe ich mehrere Bilder von ihm. Aber wenn er als lebendiger Mensch vor mir steht, sitzt, neben mir liegt vielleicht sogar – ich weiß nicht, wie weit wir gehen werden morgen -, das ist doch etwas ganz anderes als ein totes Bild.
Vielleicht hat er Schweißfüße? Mundgeruch? Oder gehört zu den Tollpatschen, die erst einmal drei Vasen und vier Tassen zertrümmern, bevor sie sich einmal umgedreht haben?
Langsam gerate ich in Panik.
Abgesehen davon, dass mir so viele unangenehme Überraschungen bevorstehen können, gibt es ja noch ein ganz anderes Problem. Wenn ich alleine daran denke, was ich morgen früh noch alles machen muss, ehe ich ihn gegen zwölf am Bahnhof abhole; duschen, rasieren, eincremen, schminken, anziehen.
Himmel, noch immer bin ich nicht sicher, ob ich einfach Jeans und T-Shirt nehme oder das schwarze, enge Kleid. Oder vielleicht etwas noch Verführerischeres? Nein; doch nicht für den Bahnhof. Später kann ich mich ja immer noch umziehen – wenn die Stimmung danach ist.
Die Wohnung ist einigermaßen in Ordnung, eingekauft habe ich auch schon. Ob meine Kochkünste ihm wohl reichen werden? Pah, wenn nicht, soll er einfach selbst den Kochlöffel schwingen! Oder wir gehen in ein Lokal.