29. August 2007
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Seit zwei Jahren holte ich meine Brötchen in der Bäckerei auf der Ecke. Gelgentlich war auch die Chefin im Geschäft und bediente die Kunden. Sie war schwarzhaarig, mollig und hatte einen dicke Titten, wirkte ganz wie eine der normalen Hausfrauen, deren Leidenschaften (wenn sie denn je welche hatte) längst vergangen waren. Eines Nachmittags passierte etwas Merkwürdiges, das sie für mich – wenn auch mäßig – interessant machte. Ich ging am Schaufenster in der Maxstraße vorbei und schaute ihr geradeswegs in die Augen, sie stand hinter der Theke und blickte mich an. Dann passierte ich die Eingangstür während ich in die Bergerstraße einbog und blickte in das Schaufenster, das sich in dieser Straße befand. Sie hatte mir ihren Blick immer noch zugewandt und schaute mich auch jetzt noch an. Drei Häuser weiter schloss ich die Eingangstür zu dem Mietshaus auf, in dem ich wohnte. Ihr Blick wollte mir nicht aus dem Kopf. Er war so intensiv gewesen, als hätte sie sich mein Gesicht besonders gut einprägen wollen. Im Laufe der Zeit vergaß ich den Vorfall. Ich kaufte weiterhin meine Brötchen dort und manchmal bediente mich die Chefin, wie gewohnt. Sie war, wie immer, freundlich-neutral und verhielt sich so routiniert, wie jede andere Geschäftsfrau.
Einige Wochen später wiederholte sich das Spiel mit dem Blickkontakt. Diesmal schien mir der Blick aus ihren dunklen Augen noch intensiver zu sein. Sie folgte mir auch diesmal mit den Augen als ich um die Ecke bog. War sie etwa an mir interessiert? Ich jedenfalls dachte manchmal an sie. Warum nicht mal ein Spiel daraus machen? Bei nächster Gelegenheit, blieb ich abrupt vor dem Schaufenster stehen und fasste mich ans Kinn, als ob mir gerade etwas Wichtiges eingefallen sei und blickte sie an. Hoffentlich war meine kleine schauspielerische Einlage gut genug und mein Blick überzeugend abwesend. Das war offensichtlich der Fall, denn sie schaute mir umverwandt ins Gesicht und hielt das Wechselgeld für ihre Kundin in der Hand, ohne es auf dem Zahlteller abzulegen. Um die Sache glaubhaft zu halten, drehte ich mich um und ging den Weg wieder zurück. Nachdem ich das Spiel begonnen hatte, wollte ich auch weiterspielen. Also nächste Runde.
Völlig unerwartet war sie am Abend allein in der Bäckerei. Sie grüßte freundlich, sogar ein wenig erschrocken, wie mir schien und sagte: „Hallo, guten Abend.“ Das „Hallo“ war neu. Ich konnte mich nicht erinnern, dass sie jemals zu einem Kunden hallo gesagt hätte. Ich verlangte ein Stück Obsttorte und sagte: „Backen Sie die Torten hier im Haus?“ „Nein, wir bekommen sie von unserer Zentral-Backstube. Die leitet mein Mann. Ein Mitarbeiter bringt die Ware zweimal am Tag hierhin.“ Während sie sprach, schaute sie mich nicht an. Sie beschäftigte sich auffallend intensiv mit der Torte. „Ach, dann haben Sie gar keine Backstube hier?“ „Doch, die ist stillgelegt aber noch voll eingerichtet. Wenn ich gleich schließe, kann ich sie Ihnen gern zeigen, wenn Sie daran interessiert sind.“ „Ja, gern. Ich habe noch nie eine Backstube gesehen.“ Dann betrat eine Kundin das Geschäft und sie sagte hastig im Flüsterton: „Klingeln Sie in zwanzig Minuten an der Haustür.“ Und dann in normaler Lautstärke: „Guten Abend Frau Schmitz.“ Zu Haus aß ich das Tortenstück und trank eine Tasse Kaffee, rieb mir Rasierwasser hinter die Ohren und ging zur Ecke. Die Bäckerei war schon geschlossen und die Lichtreklame erloschen. An der untersten Klingel der Haustür stand „Bäckerei Fiebig“. Nach dem Klingeln ging das Licht im Flur an und die Bäckersfrau öffnete mir. Sie ging vor mir durch den langen Flur und ich konnte ihren schönen runden Hintern bewundern. Die Backstube im Tiefgeschoß war groß und hell beleuchtet. Sie erklärte die Maschinen und öffnete die Ofenklappen, ging zu dem großen Tisch in der Mitte des Raumes und sagte: „Da liegt noch ein bisschen Mehl drauf. Hier werden die Brote geformt und für den Ofen zurecht gemacht. Früher war es gemütlicher in unserem Geschäft. Die Zentral-Backstube ist ein richtiger Fabrikbetrieb. Wir haben vier Bäckereien. Mein Mann ist praktisch Tag und Nacht unterwegs.“ „Ihre Kinder werden den Betrieb sicher eines Tages übernehmen?“ Sie schüttelte den Kopf und seufzte: „Das ist ein Problem. Wir haben keine Kinder. Mein Mann ist gesundheitlich schlecht dran. Wir werden wohl bald verkaufen müssen.“ „Dann können Sie sich endlich Ihr Leben genießen.“ Sie lächelte traurig. „Kaum. Mein Mann ist sehr krank, er schafft die Arbeit nicht mehr allein. Ich fürchte, er wird ein Pflegefall – wenn nicht ein Wunder geschieht.“ „Das tut mir leid. Sie haben schließlich noch viele Jahre vor sich.“ „Sagen Sie das nicht, ich bin immerhin schon achtundvierzig… Wenn ich so jung wäre wie Sie, dann… Wie alt sind Sie?“ „Zweiunddreissig.“ Tatsächlich war ich neunundzwanzig. „Mein Mann ist fünfzehn Jahre älter als ich.“ Sie lächelte aber ihre schwarzen Augen waren traurig.
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