So langsam kam ich mir vor wie ein Klinkenputzer, ein Vertreter, der von Tür zu Tür geht und dabei in 90 % aller Fälle nicht nur Absagen erhält, sondern auch noch Unhöflichkeiten erlebt. Wäre es nicht so wichtig gewesen, ich hätte längst aufgegeben. Aber alle anderen Maßnahmen, die wir ergriffen hatten, Flugblätter, Anschläge an Laternenmasten und Litfaßsäulen in der Nähe, dringende Anfragen in Anzeigen den örtlichen Zeitungen und den Supermärkten, sogar mit einer versprochenen, recht hohen Belohnung, hatten nichts gebracht. Zu allen Leuten in der Straße zu gehen und sie zu fragen, ob sie nicht unseren entflogenen Nymphensittich gesehen hatten, erschien mir als die einzige Möglichkeit, die ich noch hatte, um unseren kleinen – nun ja, nicht ganz so kleinen – Piepmatz wiederzubekommen. Zu Hause herrschte dicke Luft, seit er entflogen war. Mein Mann hatte mir eine richtige Szene gemacht. So von wegen, da bin ich schon nur Hausfrau, und bringe nicht einmal das fertig, während er sich den ganzen Tag im Büro mit den schwierigsten Dingen herumschlagen muss etcetera etcetera …
Die Kinder waren nur traurig, wenigstens ohne mir Vorwürfe zu machen, und der verbleibende Partner des Nymphensittich-Pärchens trauerte ebenfalls. Das war auch schon schlimm genug. Noch schlimmer fand ich aber wirklich das Verhalten meines Mannes. Klar, ich hatte einen Moment lang nicht aufgepasst, hatte die Schiebetür zum Garten geöffnet, ohne daran zu denken, dass unsere zahmen Nymphen gerade Freiflug hatten, und schon war das Männchen entwischt. Aber das hätte doch jedem passieren können! Allerdings war die Tatsache, dass ich mich geweigert hatte, bei drei Kindern und einem großen Haus noch weiter arbeiten zu gehen, sondern wirklich Nur-Hausfrau zu sein, stay-at-home mum, wie man in Englisch sagt, was irgendwie viel netter klingt, schon immer Anlass für jede Menge Auseinandersetzungen bei uns gewesen. Mein Mann sah es einfach nicht ein, dass ich mir da zu Hause einen „lustigen Lenz“ machte, wie er das nannte, während er sich im Büro abrackern musste. Jeder, der einmal drei Kinder und ein Haus versorgt hat, der weiß, das ist alles andere als ein Zuckerschlecken. Ich arbeitete bestimmt nicht weniger als mein Mann; nur tat ich eben andere Dinge. Die alle auch getan werden mussten. Sollte ich etwa arbeiten gehen, nur um von meinem Gehalt dann eine Zugehfrau und ein Kindermädchen bezahlen zu können, um genau diese Arbeit zu erledigen, die ich jetzt tat? Viel mehr als die Kosten für solche Haushaltshilfen hätte ich ohnehin nicht verdienen können, außerdem brachte mein Mann schon ein gutes Gehalt nach hause, wir brauchten da bestimmt kein zweites. Da schien es mir einfach in jeder Hinsicht praktischer, zu Hause zu bleiben. Doch das machte ihn irgendwie sauer.
Seit ich ihm diesen Entschluss vor ein paar Jahren verkündet hatte – vorher hatte ich wenigstens stundenweise noch gearbeitet, aber die ganze Hetze war mir dann irgendwann wirklich zu viel geworden, war es mit unserer Beziehung bergab gegangen. Am meisten merkte man das an unserem Sexleben. Davon war inzwischen schon so gut wie nichts mehr übrig. Höchstens einmal im Monat, wenn überhaupt, entschloss mein Mann sich mal dazu, mich auch erotisch zur Kenntnis zu nehmen. Oder vielmehr meine Muschi; denn etwas anderes brauchte er für die zwei Minuten ehelicher Sex nicht, und ich war mir auch ganz sicher, er dachte währenddessen an andere Frauen. Vielleicht an seine hübsche neue Sekretärin, die ich neulich kennengelernt hatte, als ich ihn in der Firma abholte. Oder eine Kollegin. Oder eine attraktive Nachbarin, von denen wir hier in der Gegend gleich mehrere hatten.
Und jede einzelne dieser Nachbarinnen war berufstätig, trotz Kindern. Wenn auch viele nur in Teilzeit. Aber immerhin, sie hatten einen Job, waren nicht nur Hausfrauen, und das hielt mein Mann mir vor. Das mit dem Sex störte mich nicht so sehr. Im Bett war mein Mann noch nie eine Kanone gewesen; wer weiß, wäre ich nicht schwanger geworden, ich hätte ihn vielleicht nie geheiratet. Natürlich fehlte mir die erfüllende Erotik – bloß, die hatte er mir ohnehin nie geben können. Und daran sieht man nun, wie viel ich wirklich zu tun hatte, auch wenn ich nur Hausfrau war – ich hatte mir diese Erotik auch noch nie anderswo gesucht. Und wenn ich den Sex auch noch so sehr vermisste, ich fiel abends immer so todmüde ins Bett, dass es höchstens für eine schnelle Selbstbefriedigung reichte, und tagsüber hatte ich erst recht weder Zeit, noch Gelegenheit für Hausfrauen Sex. Von dem hört man ja viel im Internet – aber lasst es euch gesagt sein: Eine echte Hausfrau ist viel zu beschäftigt für Hausfrauensex! Schon die Aufregung, die unser entflohener Sittich verursachte, die ganze Rennerei mit Flugblättern und Anzeigen, hatte bei mir im Haushalt alles durcheinandergebracht. Nichts lief mehr, wie es sollte, ich musste etliche Arbeiten liegen lassen – aber mein Mann und die Kinder merkten das nicht einmal! Das ist das Undankbare an der Arbeit einer Hausfrau – keiner weiß sie zu würdigen. Weder die Tatsache, dass auch Hausfrauen echte Arbeit leisten, noch das Ergebnis ihrer Arbeit. Man kommt sich da manchmal echt vor wie Sisyphus, und einen Stein immer wieder den Berg hoch rollen, ist womöglich noch sinnvoller als Hausarbeit.
Ja, und als dann alles nichts half und sich unser Nymphensittich einfach nicht wieder einfinden wollte, als sich niemand auf unsere Aktionen hin meldete, da hatte ich beschlossen, ich gehe jetzt einfach mal bei uns in der Straße und in den Nachbarstraßen herum, klingele bei jedem und frage ihn, ob er unseren Leo nicht gesehen hat. Wer weiß, womöglich war er jemandem zugeflogen, der von unseren Flugblättern und Anzeigen gar nichts mitbekommen hatte und vielleicht sogar froh war, den zugeflogenen Vogel wieder loszuwerden. Was für ein Zeitaufwand! Aber Leo musste einfach wieder her; schon für seine Gefährtin Nina. Unsere beiden Vögel waren nämlich ein wirklich liebendes Paar, ganz im Gegensatz zu meinem Mann und mir. Ich musste Nina ihren geliebten Partner wiederbeschaffen, unbedingt! Deshalb nahm ich das alles in Kauf, die Lauferei, die Vernachlässigung meiner Hausarbeit, und die ganzen Reaktionen, auf die ich bei meinen endlosen Gängen stieß. Gesehen hatte ohnehin keiner etwas; aber die meisten ließen es nicht genug sein, mir das zu erklären, sondern gaben auch noch ungefragte Ratschläge, dass ich einfach hätte besser aufpassen müssen. Manch eine von den berufstätigen Müttern meinte missbilligend auch etwas in der Art von wegen, auch noch Vögel zu halten, das könnten sie sich bei ihrer Überlastung gar nicht leisten und so etwas.
Es war ja allgemein bekannt, dass ich die einzige Nur-Hausfrau im gesamten Block war. Die Gelegenheit, mir das unter die Nase zu reiben, wie viel weniger ich deshalb zählte als sie, die berufstätigen Mütter, ließen sie sich natürlich nicht entgehen. Da sind die Frauen manchmal noch schlimmer als die Männer, wenn es darum geht, den Nur-Hausfrauen zu zeigen, wie wenig sie wert sind. Trotzdem, für unseren kleinen gefiederten Liebling war ich bereit, das alles auf mich zu nehmen, wenn ich auch nicht viel Hoffnung auf Erfolg hatte. Unseren Block hatte ich dann irgendwann, an einem trübsinnigen Nachmittag, endlich vollständig abgeklappert, bis auf eine einzige Wohnung, in der ich nie jemanden erreicht hatte, obwohl ich schon mindestens ein halbes Dutzend Male an der Tür gewesen war und geklingelt hatte. Ich wusste nicht einmal so genau, wer dort wohnte; bewusst gesehen hatte ich ihn noch nie. Dass es ein „er“ war, wusste ich auch nur, weil auf dem Türschild „Sven B.“ stand.
Er war wirklich meine letzte Hoffnung. Natürlich hätte ich meine Befragungen räumlich ausdehnen können; aber in welche Richtung? Ich konnte doch nicht die ganze Stadt absuchen! Ja, noch einmal würde ich bei dieser Wohnung vorbeigehen und klingeln, und dann würde ich es aufgeben. Diesmal hatte ich Glück; mir wurde sofort geöffnet, und vor mir stand ein Mann, in etwa in meinem Alter, Ende 30, sehr gut aussehend, mit einem freundlichen Lächeln. Ich erklärte mein Anliegen. Er schüttelte bedauernd den Kopf. „Nein, tut mir leid. Ich habe den Anschlag hier in der Straße gelesen, aber ich habe ihren Leo leider nirgendwo gesehen.“ Damit war meine letzte Hoffnung auch dahin, und irgendwie war mir auf einmal alles zu viel. Der ganze Stress, der Ärger mit meinem Mann, die vielen abweisenden und halb beleidigenden Sätze, die ich unterwegs zu hören bekommen hatte – ich konnte nicht mehr. Mitten vor der Tür dieses mir völlig fremden Mannes brach ich in Tränen aus. Er sah mich ziemlich hilflos an. Männer wissen ja nie, was sie tun sollen, wenn eine Frau weint. Dann entschloss er sich aber doch, mich hineinzubitten. Vielleicht auch nur, weil er keine Lust hatte, durch eine heulende Frau bei ihm entstünde der Eindruck bei den Nachbarn, er hätte vielleicht etwas angestellt. Er führte mich in seine Küche, gab mir einen Stuhl, kochte Kaffee – und stand dann sehr verlegen herum, während meine Tränenströme einfach nicht versiegen wollten. Endlich fasste er sich doch ein Herz und nahm mich in den Arm. Ich griff nach ihm wie ein Ertrinkender nach einem rettenden Stück Holz, klammerte mich an ihn. Zuerst hielt er mich einfach nur fest, so stocksteif, als sei er tatsächlich ein Stück Holz, dann begann er damit, mir den Kopf und den Rücken zu streicheln. Noch fester schmiegte ich mich an ihn. Es war ein Gefühl, das ich schon lange nicht mehr erlebt hatte, einfach so festgehalten zu werden, von einem Mann, und dann auch noch von einem Mann, der so gut aussah. Mir war sehr wohl bewusst, in welche Verlegenheit ich meinen Gastgeber versetzte, aber ich hatte keine Kraft mehr, darauf Rücksicht zu nehmen.
Irgendwann hatte die Wärme seines Körpers ihre Wirkung getan; ich wurde ruhiger, das Schluchzen und Schnüffeln und Schniefen hörte auf. Ja, ich war langsam wieder imstande, mich zusammenzureißen. Entschlossen machte ich meinen Rücken gerade, löste mich von ihm; nur dass seine Arme weiter um mich lagen. Was mich wunderte. Ziemlich verheult entschuldigte ich mich bei ihm dafür, dass ich mich so hatte gehen lassen. „Das – das macht nichts„, sagte er zögernd. „Ich hatte nur ein kleines Problem. Wissen Sie, ich finde Sie nämlich sehr attraktiv. Und da musste ich mich schwer beherrschen, Sie wirklich nur zu trösten und nicht mehr.“ Ich dachte zuerst, ich hätte mich verhört. Dieser hübsche junge Mann fand mich attraktiv? Ich war gekleidet in Jeans und ein Sweatshirt sowie Sneakers, lief ohne Make-up herum, und meine Haare hatte ich einfach zum Pferdeschwanz gebunden. In diesem Augenblick spürte ich etwas, was ich ebenfalls schon viele Jahre lang nicht mehr erlebt hatte, und zwar Lust, echte Lust, die heiß in mir aufstieg, die ein seltsames Flattern in meinem Bauch hervorrief und eine nicht weniger seltsame Nässe zwischen meinen Beinen.
Ich nahm meine Arme, die ich hatte nach unten fallen lassen, wieder hoch, legte sie um seine Hüften. Dann lehnte ich ganz selbstverständlich meine Wange gegen seinen Bauch, machte mich ganz klein in seinen Armen, die mich nicht losgelassen hatten, und flüsterte: „Wissen Sie, ich hätte nichts dagegen, wenn es mehr werden würde.“ Ich schämte mich zwar ein bisschen, das so offen zu sagen. Am Ende dachte er jetzt, ich sei eine dieser notgeilen Schlampen, die herumlaufen und es mit jedem Mann treiben, der nicht schnell genug entkommen kann. Aber er hatte mir ja etwas Ähnliches gesagt; warum sollte ich dann nicht zugeben, dass es mir genauso ging wie ihm? Ich hatte den Gedanken noch nicht zu Ende geführt, da griff er auch schon nach unten und zog mir mein Sweatshirt aus, öffnete die Häkchen an meinem BH, und dann kniete er sich vor mich, zwischen meine Beine, nahm meine nunmehr nackten beiden Brüste nacheinander in die Hände, küsste die Nippel, leckte die empfindliche Unterseite, presste die beiden schweren Kugeln fest zusammen, und ich sah an seinem Gesicht und hörte an seinem Stöhnen, wie sehr ihn das entzückte.
Plötzlich spürte ich eine derart wahnsinnige Gier auf einen harten Schwanz, auf seinen harten Schwanz, dass ich nun ebenfalls nach unten griff, aber nicht an den Bund seines Pullis, sondern gleich an seine Hose. Während er sich weiter mit meinem Busen befasste, konnte ich den glatten Stab herausholen, und ihn so massieren, wie ich es tatsächlich nicht verlernt hatte; so, dass die Bewegungen seines Beckens und sein Seufzen mir zeigten, er wollte mehr davon. Irgendwann stand ich auf, zog ihn mit hoch. Ich schlängelte mich in Windeseile aus meinen Sneakers und Jeans sowie meinen Pantys heraus, schwang mich auf den Küchentisch, der genau die richtige Höhe hatte. Er ließ sich nicht lange bitten, folgte mir, und ohne dass er erst seine Hose richtig auszog, fand sein kräftiger Stab schon blind den Weg zu mir, in mich hinein. Es wurde ein leidenschaftlicher Quickie, dort auf dem Küchentisch. Wir waren beide schon zu weit, um uns noch lange Zeit zu lassen. Aber wir werden das oder etwas Ähnliches wiederholen, und diesmal werden wir uns nicht so sehr beeilen.
Tja, Leo hatte ich ja nun nicht gefunden – aber dafür etwas anderes, und das war überwältigend, umwerfend, atemberaubend. Und am nächsten Tag hockte dann auch noch ein etwas zerrupft und sehr hungrig aussehender Leo bei uns auf der Terrasse und schien richtig froh zu sein, sein Zuhause wiedergefunden zu haben. Anscheinend kommt manchmal das Glück dann gleich im Doppelpack. Erst dieser wundervolle Nachmittag mit meinem neuen Liebhaber und Hausfreund, den ich in Zukunft bestimmt öfter sehen werde, Hausarbeit hin oder her, und dann noch die Rückkehr unseres Vogels. Dafür hatte sich doch die ganze Mühe gelohnt, dass ich mir die Hacken abgelaufen hatte. Und sollte ich noch ansatzweise etwas wie ein schlechtes Gewissen gehabt haben, meinen Mann betrogen zu haben, dann hat er selbst höchstpersönlich dafür gesorgt, es schnell wieder in der Versenkung verschwinden zu lassen. Er merkte nicht einmal, wie glücklich und ausgeglichen ich auf einmal war, weil ich endlich wieder die erfüllende Erotik gefunden hatte, die mir so lange fehlte. Und wenn ein Mann seine Frau nicht einmal wichtig genug nimmt, bei einem so deutlichen Anzeichen eines stattgefundenen Seitensprung misstrauisch zu werden, dann hat er das Fremdgehen auch verdient. Finde ich wenigstens.