20. Januar 2009

Schwarzer Gürtel in Sachen Liebe – Teil 1/2

Diese jungen Leute heutzutage – wie oft ich diesen Spruch schon gehört habe! Und er geht mir echt auf den Keks. Gemeint ist damit ja, dass die jungen Leute heutzutage einfach unmöglich sind und viel schlimmer als früher; auch wenn das nicht dazugesagt wird. Auch wenn ich schon 21 bin und damit nicht mehr so ganz jung, eben kein richtiger Teenager mehr, wenn auch dem Alter als Teeny Girl gerade eben erst entwachsen, irgendwie fühle ich mich dabei schon noch angesprochen, und ich hasse es einfach, wenn man alle Menschen einer Altersgruppe einfach in einen Topf wirft. Genauso gut könnte ich sagen, diese alten Knacker heutzutage, weil es mir schon öfter mal passiert, dass mir auch Männer, die vom Alter her mein Vater oder mein Großvater sein könnten, auf die Beine schauen oder sogar auf die Teen Titten.

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Nicht dass es mich jetzt direkt stört; wenn ich jemandem gefalle, dann bestätigt mich das ja irgendwie; ganz gleich, wie alt der Betreffende ist. Das sehe ich völlig wertfrei und freue mich einfach nur über das Kompliment, das in solchen Blicken liegt. Trotzdem würde ich nie daran denken, mit einem wesentlich älteren Mann ins Bett zu hüpfen. Das reizte mich einfach nicht; anders als viele andere Teen Girls. Oder vielmehr, ich hätte nie daran gedacht, bis … Aber beginnen wir am Beginn und nicht mitten drin. Ich bin selbst noch völlig überrascht von dem, was sich da neulich ergeben hat, so dass ich es gut brauchen kann, das einmal der Reihe nach zu erzählen. Manchmal kann ich es nachvollziehen, warum ältere Leute etwas gegen jüngere haben – und weshalb dieser blöde Spruch mit den jungen Leuten heutzutage kommt.

So auch neulich abends, vor genau einer Woche. Ich war auf dem Weg von der Bushaltestelle zu mir nach Hause. Es war schon spät abends – ich hatte wieder einmal Überstunden machen und danach noch einkaufen müssen – und ich wohne am Stadtrand. Da gibt es erstens keine Läden – deshalb auch das Einkaufen in der Stadt – und zweitens kann es abends, wenn es dunkel ist, manchmal schon ganz schön unheimlich sein. Es sind einfach kaum Leute auf den Straßen unterwegs, und die, die es sind, von denen hat man nicht immer was Gutes zu erwarten. Es ist da auch schon einiges vorgekommen. Deshalb beeile ich mich dann immer, ins Haus zu kommen. Obwohl mir noch nie etwas passiert ist, man kann da doch schon ab und zu Angst kriegen. Letztlich kann es einen jeden Tag dann doch mal erwischen, dass man belästigt oder ausgeraubt wird oder schlimmeres. Vor allem, wenn man im Dunkeln allein als Teeny Girl einer Gruppe von Teen Boys gegenübersteht, die gerade übermütig drauf sind und es darauf anlegen, ihren Mitmenschen – auch den Mit-Teens – auf die Nerven zu gehen, wird es einem ganz anders; dabei sind die meistens nicht diejenigen, die dann wirklich kriminell werden. Da kommen dann auch solche Sprüche wie der eingangs zitierte her … Die aber trotzdem unbegründet sind, denn es sind ja immer nur einzelne, die Blödsinn machen, und nicht die ganzen Teenager, und außerdem, wie ich schon sagte – Unfug, und sei er noch so lästig, ist nicht unbedingt eine Straftat; die Straftaten begehen oft andere, Ältere. Aber auch bei uns in den Wohnblocks gibt es so ein paar Möchtegern-Gangs, die ganz schön unangenehm werden können. Wenn möglich, gehe ich ihnen aus dem Weg. Ich weiß auch nicht, was mich bewogen hat, an diesem Abend nicht einen großen Bogen zu schlagen, als ich eine Ansammlung von ihnen vor mir auf dem Weg bemerkte.

Okay, ich hab gleich gesehen, sie hatten einen älteren Mann in die Mitte genommen und waren dabei, ihn zu triezen; mit Worten zum Glück nur, aber ganz schön fies, und auch das kann ja schon ganz schön unangenehm sein. Normalerweise würde ich bei so was einfach denken, soll er doch selber sehen, wie er da wieder raus kommt, aber irgendwie konnte ich das an diesem Abend nicht. Ich war maßlos empört. Und das gab mir den Antrieb, unter Missachtung sämtlicher Vorsichtsmaßregeln einfach auf die Gruppe junger Männer zwischen, wie ich schätzte, 18 und 25 zuzumarschieren, mich vor ihnen in meiner gesamten beeindruckenden Größe von 1,78 aufzubauen und mit lauter, sicherer Stimme zu fordern, dass sie den Mann in Ruhe lassen. Anschließend herrschte erst einmal verblüfftes Schweigen bei den Rowdys. Das gab mir die Gelegenheit, ihr Opfer näher zu betrachten. Er war höchstens so groß wie ich, sehr kräftig gebaut, mit einem trotz langem Mantel deutlich sichtbaren Bauchansatz. Von hinten hatte ich ihn zunächst für 50 oder sogar älter gehalten, weil er eine Halbglatze mit einem Kranz kurzer grauer Haare darum herum hatte, aber als er sich umdrehte und ich sein Gesicht sehen konnte, merkte ich, er konnte höchstens Mitte 40 sein, war eher noch jünger. Der äußere Anschein täuscht eben manchmal … Mich halten auch viele für Mitte oder Ende 20, weil ich angeblich relativ reif und abgeklärt wirke, dabei bin ich, wie erwähnt, erst 21. Länger Zeit hatte ich nicht zum Überlegen, denn nun meldete der Anführer der Boys sich zu Wort. „Was willst du denn, du kleine Kröte?„, fragte er lässig. „Ich will, dass ihr ihn in Ruhe lasst„, wiederholte ich. „Und damit ihr es wisst„, fügte ich hinzu, „ich habe vorhin schon per Handy die Polizei informiert. Die werden gleich da sein.“ Dabei klopfte mein Herz einen irregulären Trommelwirbel. Erstens war das nur ein Bluff, denn an so etwas, was sehr viel vernünftiger gewesen wäre, hatte ich in meiner Empörung vorhin gar nicht gedacht. Was ich jetzt bitter bereute. Außerdem wurde es mir jetzt das erste Mal bewusst, in welcher heiklen Situation ich mich befand. Als junge Frau war ich den Jungs womöglich sogar ein willkommeneres Opfer, und wenn die sich dazu entschlossen, auf mich loszugehen, hatte ich dem nicht das Geringste entgegenzusetzen. Wie hatte ich nur so dumm sein können, mich hier einzumischen! Ich hätte einfach weitergehen sollen, auf einem Seitenweg!

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Der Anführer zeigte sich von meiner Drohung nicht sehr abgeschreckt. „Nun, Mäuschen, das mag ja sein, dass die Bullen kommen„, erwiderte er, „aber bis sie da sind, können wir uns ja noch ein wenig mit dir amüsieren! Der alte Mann kann gehen.“ Mit einer Kopfbewegung verlieh er dieser Aufforderung Nachdruck. Es war genau das eingetreten, was ich befürchtet hatte. Nun konzentrierte man sich auf mich. Ich begann zu zittern; teils vor Kälte, teils vor Furcht. Nun musste nur noch der Mann verschwinden, dem ich mit meiner Dummheit hatte helfen wollen, und ich war aufgeschmissen. Doch der rührte sich nicht. „Wenn du sie anrührst„, sagte er, ganz ruhig, und seine Stimme, dunkel und selbstbewusst, wirkte so tröstlich, als ob er den Arm um mich gelegt hätte. Was allerdings gegen die Gefahr auch nicht geholfen hätte … Der Anführer lachte nur, kam ein paar Schritte näher, bis er direkt vor mir stand, und fasste mich am Arm. Typisch, dass eine Drohung ihn natürlich dazu bewegen musste, genau das zu tun, wovor er gewarnt worden war. Ich war fast ein bisschen sauer auf mein Mit-Opfer, dass er das nicht vorausgesehen hatte. Dann geschah alles sehr schnell. Ich sah kaum, wie der Mann sich bewegte, da war es auch schon passiert – der Anführer lag auf dem Boden, und der Mann kniete auf ihm, sein Unterarm quer über seinem Hals. „Wenn ihr jetzt alle ganz brav verschwindet, passiert ihm nichts„, sagte er, noch immer so ruhig wie vorhin und überhaupt nicht außer Atem. Was auch immer für eine wahrscheinlich asiatische Kampfkunst er beherrschte – er musste wirklich gut sein! Auch wenn das Überraschungsmoment ihm geholfen hatte, das war wirklich ein durchschlagender Erfolg. Mit dem ich nie gerechnet hätte. Die anderen waren zuerst wie gelähmt, sichtlich ebenso erstaunt über die unerwartete Wendung wie ich, dann bildeten sie einen geschlossenen Kreis um uns. Wenn ich vorher Angst gehabt hatte, war ich nun in Panik. Der Anführer würgte und spuckte, dann zog der andere ihn ein wenig hoch. „Sag es ihnen„, meinte er absolut cool. Ich konnte nicht sehen, was er genau tat, aber nach einem Schmerzenslaut befahl der Anführer den anderen tatsächlich, zu verschwinden. Sie sahen sich unsicher an – und gehorchten.

Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Nun ließ der Mann den Anführer aufstehen, der ohne weitere Aufforderung das Weite suchte; hinkend und stöhnend. Nun nahm der Mann meine Hand. „Kommen Sie, ich bringe Sie schnell nach Hause„, drängte er. „Wir sollten hier verschwinden, bevor sie es sich anders überlegen. Wo wohnen Sie?“ Ich nannte ihm meine Adresse. Er zog mich mit sich, und er ging dabei so schnell, dass ich außer Puste geriet, während ihm das Tempo überhaupt nichts auszumachen schien. An meiner Haustür wartete er, bis ich aufgeschlossen hatte, nahm dann noch einmal meine Hand, gab mir einen Handkuss und sagte: „Ich danke Ihnen. Manche mögen Ihre Tat dumm und übereilt nennen, ich nenne es mutig.“ Dann wandte er sich zum Gehen. „Warten Sie!„, rief ich. So wollte ich ihn nicht gehen lassen. Erstens bestand die Gefahr, dass er den anderen nochmals in die Arme lief. Und wer weiß, ob er sich wieder so erfolgreich würde wehren können. Außerdem, ich gebe es zu, dieser Mann interessierte mich. Brennend. Und – ich wollte jetzt nicht alleine sein; ich musste es erst einmal verdauen, was da gerade geschehen war. Ich überlegte schnell. „Nachdem Sie mich ja eher gerettet haben als ich Sie – darf ich Ihnen dann wenigstens einen Kaffee anbieten auf den Schreck?„, fragte ich. Er zögerte kurz und nickte dann. „Gerne. Ich glaube, das habe ich nötig.“ Stumm gingen wir hinein, zum Aufzug, fuhren in den elften Stock, begaben uns in meine Wohnung. Ich hatte es schon begonnen zu bereuen, ihn mitgenommen zu haben, denn schließlich kannte ich ihn ja nicht. Außerdem, so fasziniert ich auch von ihm war, mir wollte nichts einfallen, worüber ich mit ihm reden sollte. Das Schweigen lastete auf mir wie eine überschwere Decke.

Er beendete die Peinlichkeit, mir in der Küche auf einem Stuhl gegenübersitzend, trotz seiner nicht gerade überragenden Größe irgendwie viel zu präsent, viel zu massig für den kleinen Raum, indem er mich über mich ausfragte, während ich Kaffee kochte. Durch geschickte Fragen machte er mich regelrecht gesprächig. Es machte Spaß, mich mit ihm zu unterhalten, und als ich es wagte, ihm Fragen zu stellen, beantwortete er sie ohne zögern. Ich erfuhr, dass er Ingo Jakob heißt, dass er Bühnentechniker ist und in seiner Freizeit Karate macht, wo er den schwarzen Gürtel fünften Grades hat. Jetzt wunderte mich sein Erfolg vorhin nicht mehr. „Ich hätte Ihnen also gar nicht helfen müsste„, stellte ich fest. Er lachte. „Nicht unbedingt. Aber ich fand es toll von Ihnen, dass Sie es getan haben.“ Sein Lachen verwandelte sein ganzes Gesicht. Es bestand plötzlich nur noch aus einem warmen, mitreißenden Strahlen. Ja, der Mann gefiel mir. Ich hätte es nie gedacht, dass ich als junge Frau mit einem doch eindeutig älteren Mann so ungeheuer wohlfühlen könnte. Den ich unter anderen Umständen sicherlich keines zweiten Blickes gewürdigt hätte. Er war eben nicht im gewöhnlichen Sinne gut aussehend, er besaß nur Ausstrahlung. Die man leider oft nicht sofort so bemerkt; wir sind eben oft viel zu sehr auf Äußerlichkeiten eingestellt. Und er war – ja, ich bin versucht, es gütig zu nennen. Er hatte mir keine Sekunde das Gefühl gegeben, eine Dummheit gemacht zu haben vorhin. Obwohl es ganz eindeutig eine war. Er hatte zuerst daran gedacht, mich in Sicherheit zu bringen vor einer etwaigen Rückkehr der Gang, statt selbst abzuhauen. Und er hatte mit dem entscheidenden Schlag, mit dem er den „Kampf“ hatte entscheiden können, kein bisschen geprahlt. Außerdem konnte man sich supergut mit ihm unterhalten. Das waren alles Eigenschaften, wie ich sie außerordentlich schätze; nur findet man sie eben selten bei jungen Männern in meinem Alter, denn sie setzen offensichtlich eine gewisse Reife voraus. Und als ich so in mich hinein horchte, stellte ich noch etwas anderes fest: Ich fühlte mich körperlich zu ihm hingezogen. Es war ganz merkwürdig, aber ich spürte immer wieder den Wunsch, ihm die Hand auf den Arm zu legen oder auf seine Schulter, wenn ich aufstand, um neuen Kaffee zu kochen, oder sonst seine Nähe ganz unmittelbar zu spüren. Und als ich diesem Wunsch die ersten Male nachgegeben hatte, da wurde er nicht schwächer, weil er erfüllt worden war, sondern er wurde im Gegenteil immer stärker. Und er wurde noch viel stärker … Wie ihr bald bemerken werdet.

+++ Fortsetzung folgt +++

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