Ich bin es gewohnt zu arbeiten; aber heute fällt es mir so schwer wie niemals zuvor. Die Laken und Handtücher sind schon trocken schwer wie Blei, und nass schaffen meine Hände es kaum, sie aus dem Wasser zu heben und über das Waschbrett zu legen. Heute bin ich langsamer als alle anderen Wäscherinnen; dabei bin ich sonst die Schnellste. Ich habe erreicht, was ich wollte – ich habe Horgaris gesehen. Horgaris, den Zauberer des Königs, von dem mir meine Träume schon seit vielen Monden gesagt haben, dass er derjenige sein wird, der das Land aus der Tyrannei erlöst. Horgaris, von dem ein innerer Ruf mir gesagt hat, dass ich ihn finden muss und seine Gefährtin sein bei diesem Kampf. Nun habe ich ihn gefunden. Aber nie, zu keinem Zeitpunkt vorher hatte ich mir überlegt, was danach geschehen würde. Irgendwie bin ich immer davon ausgegangen, er würde mich erkennen. Doch wie sollte er? Er hat mich nie gesehen, nie von mir gehört. Ich hätte es ihm sagen müssen. Doch was? Dass ich ihm helfen will bei seiner großen Aufgabe? Von der niemand etwas wissen darf? Vor all diesen Menschen? Ganz unvermittelt? Ich, für ihn eine völlig fremde Frau? Er hätte mich lediglich erstaunt angesehen und hätte mir nicht einmal dann antworten können, wenn er gewollt hätte, dass ich in Zukunft an seiner Seite arbeite; nicht inmitten dieser Menschenmenge. Und inzwischen zweifle ich auch sehr daran, dass er das wollte, denn was soll er mit meiner Hilfe? Was soll er mit mir? Er braucht mich nicht.
Ich muss mir eine Möglichkeit überlegen, ihm zu helfen, ohne an seiner Seite zu stehen. Noch weiß ich nicht, wie ich das erreichen kann. Aber mir wird, mir muss etwas einfallen. Sobald ich diese niederdrückende, schwarze Schwere überwunden habe, die dieser Fehlschlag in mir ausgelöst hat, den ich mir selbst zuzuschreiben habe. Plötzlich höre ich schrilles Kreischen hinter mir, ärgerliches Schimpfen und höhnisches Lachen. Ich möchte es ausblenden, aber ich kann es nicht; die Stimmen werden immer lauter. Ich drehe mich um. Ein buckliger alter Mann in einem schmutzigen Umhang steht demütig da, den Kopf gesenkt, und die anderen Wäscherinnen stehen um ihn herum, beschimpfen ihn, verspotten ihn. Ich lasse das Laken fallen, das ich gerade in den Händen halte, und gehe dazwischen wie eine Furie. „Was soll das?„, rufe ich zornig. „Lasst den alten Mann in Ruhe! Er hat euch nichts getan!“ „Seltsame Vorlieben hast du, Hamida„, lacht Kimba, die mit 16 die jüngste unter uns ist; und die ausgelassenste, lustigste. „Sieh ihn dir doch an, wie er schon aussieht! Und so einen nimmst du in Schutz!“ Und Sundina, eine ständig mürrische Frau, die sonst kaum ein Wort redet, erklärt: „Dann nimm ihn doch mit aufs Zimmer, wenn er dir so lieb und teuer ist! Er will ohnehin zu dir!“ Ich richte mich auf, und mit lauter, klarer Stimme sage ich: „Ich wünsche euch allen, dass ihr, wenn ihr selbst einmal alt und schwach seid, auf freundlichere Menschen trefft, als ihr selbst es gerade gewesen seid!“ Danach herrscht Stille. Einige der Frauen sehen beschämt zu Boden, andere zucken die Achseln. Aber keine sagt mehr etwas, und nach einer Weile gehen alle wieder an ihre Arbeit.