Er nahm ein zweites Seil. Kurz streichelte er ihren Nacken und ihre Schultern, dann hob er mit der Hand an ihrer Stirn ihren Kopf, schob es darunter, öffnete sanft mit den Fingern ihre Lippen und brachte es geschickt so an, dass es einerseits ihren Kopf nach oben hielt und andererseits als Knebel diente. Die Enden führte er hinten in ihrem Nacken wieder zusammen, wiederholte das Ganze, so dass nun das Seil doppelt um ihren Kopf herum lag und in ihrem Mund steckte, und verknotete die losen Enden an dem Seil, was er um ihre Handgelenke geschlungen hatte. Anschließend wartete er einen Augenblick, mit seiner Hand leicht auf ihrer Hüfte, damit der körperliche Kontakt ihr half, sich an die ungewohnte Haltung und das ungewohnte Seil zu gewöhnen.
Er spürte an der Anspannung ihrer Muskeln, welchen Aufruhr schon der Beginn der Fesselungen in ihr auslöste. Sie hatte den Kopf zur Seite gedreht, so dass sie ihn anschauen konnte. Langsam und deutlich sagte er: „Und jetzt, Hanna, wenn irgend etwas ist, was dir nicht gefällt, wovon du glaubst, dass du es nicht aushalten kannst, dann zeige es mir, indem du deinen Kopf zu anderen Seite legst. Dann werde ich dich sofort befreien.“ Sie nickte, versuchte dabei, zu ihm hoch zu sehen, ohne Erfolg. Die Seile hielten sie in ihrer Position. Er kniete sich neben das Bett und sah ihr in die Augen. „Alles in Ordnung?“ Sie nickte wieder, und versuchte mit den Lippen ein Lächeln zu formen, aber der Knebel geriet in den Weg. „Zeige mir jetzt, was du zu tun hast, wenn du denkst, du hältst es nicht mehr aus„, forderte er sie auf. Mit einer großen Anstrengung drehte sie ihr Gesicht von ihm weg. „Bereit für mehr?„, fragte er sie. Sie drehte den Kopf zurück und gab ihm ihre Antwort mit ihren Augen.
Ja, sie war bereits für mehr. Das Seil fühlte sich eigenartig und sehr rau an in ihrem Mund, aber anders als ein echter Knebel, mit dem sie schon ihre Erfahrungen gemacht hatte, erlaubt es ihr, weiterhin durch den Mund zu atmen, falls dies nötig sein würde. Außerdem machte dieser Knebel es ihr nicht vollständig unmöglich zu sprechen. An ihrer Wange und um ihre Arme herum fühlten die Seile sich weich ein und schmiegten sich an ihre Muskeln eher als dass sie sie ernsthaft eingeschränkt hätten. Vorsichtig versuchte sie, ihre Arme zu bewegen. Zu ihrem großen Erstaunen stellte sie fest, dass sie keine Chance hatte. So leicht wie Fesselungen bisher auch wirkte, so war sie doch schon effektiv. Nun half er ihr, sich auf die Seite zu legen. Sie genoss die kurzzeitige Entspannung ihrer Gelenke. Er legte ein Seil um ihren Brustkorb herum, zuerst unterhalb, dann oberhalb der Brüste. Sehr geschickt führte er es unter ihrem Körper hindurch. Er war dabei so schnell, als würde sie aufrecht stehen, ihr Brustkorb gut erreichbar. Anschließend drehte er sie zurück auf den Bauch, befestigte das Seil, das nun ihre Brüste sehr fest umschloss, an dem Seil um ihre Handgelenke, holte ein neues Seil, hob ihre Füße an und fesselte die Fußgelenk aneinander. Die losen Enden von der Fesselung ihrer Füße führte er quer über den Rücken nach oben und befestigte sie ebenfalls an ihren Handgelenken. Auf diese Weise hielt das Seil von den Füßen her ihre Arme nach oben gerichtet, und gleichzeitig sorgte diese Fixierung dafür, dass sie auch ihre Unterschenkel nicht zurück aufs Bett legen konnte. Ihr Körper war nun angespannt wie ein Bogen. Noch ein paar geschickte Knoten hier und da, ein weiteres Seil zur Unterstützung dieser Haltung, und die Bondage war perfekt.
Sanft ließ er seine Finger über ihren Rücken wandern. Sie atmete hastig, und er erhöhte den Druck der Berührung. „Wirst du mir nachher erzählen, wie du dich jetzt fühlst?“ Es dauerte eine Weile, bevor sie mit einem langsamen Nicken antwortete. In diesem Moment hätte sie kein Wort herausbringen können, auch ohne den Knebel nicht. Ja, sie war nun das erste Mal in ihrem Leben gefesselt. Aber obwohl die Seile ihren Körper zwangen, in einer bestimmten Haltung zu bleiben, war es mindestens ebenso sehr seine Stimme, die sie dazu zwang, in dieser Haltung zu verharren. Und es war seine Stimme, die dazu führte, die grobe Berührung der Seile von etwas fast sogar unangenehm Merkwürdigem in etwas anderes, Aufregendes zu verwandeln, das etwas in ihrem tiefsten Inneren anrührte. In ihren Händen begann ein leichtes Kribbeln. Sie versuchte, indem sie die Beine höher nahm, den Zug des Seil ein wenig von ihren Armen zu nehmen und ihre Hände so zu entlasten. Es gelang ihr; aber kurz darauf sprang das Kribbeln auf ihre Füße über, und sie hob die Arme wieder an, um nunmehr die Beine zu entlasten. Es war eine Art Schiffschaukel, zu der er sie gemacht hatte mit seiner Fesselung. Vor und zurück, immer wieder veränderte sie ganz leicht ihre Position. Bis es schließlich soweit war, dass sich die Bondage in jeder Haltung nichts als unbequem anführte. Auf einmal nahm er seine Hände von ihr. Ihr wurde schlagartig kalt. Und etwas, was sie bisher nicht gespürt hatte, während er sie gefesselt hatte, flammte in ihr auf. Widerstand! Was mache ich hier eigentlich, fragte sie sich. Es ist doch lächerlich, so gefesselt zu sein! Ihre Bewegungen in den Seilen wurden stärker. Er hatte sie intensiv beobachtet. „Du sollst stillhalten, Hanna„, sagte er streng. Ein wütendes Stöhnen kaum von ihren Lippen.
Andreas hatte es vorher gewusst, wie kritisch genau diese Phase sein würde, wenn er sie nach der Fesselungen endlich sich selbst überließ, ohne die Unterstützung einer physischen Berührung. Aber es war notwendig, das zu tun. Er musste ihre wahre Reaktion gegenüber den Seilen selbst herausfinden, sie musste die Seile selbst lieben lernen und nicht seine Hände. Das und nichts anderes war es schließlich, was sie von ihm erwartete und verlangt hatte, eine Bondage zu erleben, eine Bondage zu genießen. Mit Zärtlichkeit zwischen ihnen beiden hatte dies nichts zu tun. Oder vielleicht doch? Einen Augenblick lang war er unsicher. Sie hatten nie darüber gesprochen, was sie denn beide voneinander erwarteten. Es war nie die Rede von Gefühlen gewesen. So gut sie sich auch verstanden hatten, sie hätten sich sicherlich als Freunde bezeichnet, obwohl sie sich nur über das Internet kannten und vom Telefon her, aber tiefere Gefühle? Nein, da war sicher nichts von da. Schließlich hatte ja auch alles ganz harmlos angefangen. Sie war auf der Suche nach jemandem, der sie die Freuden erleben ließ, gefesselt zu sein. Und er war schließlich immer auf der Suche nach „willigen Opfern„, wie sein Freund es nannte, also nach Modellen, an denen er seine Bondage Künste praktizieren konnte. Manchmal, um nachher mit der Digitalkamera Aufnahmen der gefesselte Frauen zu machen, um die kunstvolle Bondage auf Aktbildern festzuhalten, manchmal einfach nur aus Spaß an der Freude. Er liebte die Bondage auf jeden Fall. Als der Aktive. Und er liebte Frauen, die sich gerne fesseln ließen. Er liebte sie nicht in dem Sinne, dass er sie als Partnerin haben wollte, er liebte es einfach, mit ihnen zu spielen. Es war sozusagen ein Geschäft; ein erotisches Geschäft. Und genau an so etwas hatte er auch bei Hanna gedacht.