05. September 2008

Blind Date mit über 50

Eigentlich sollte man als Frau über 50 keine Blind Dates mehr haben. Blind Dates, das ist etwas für Teen Girls oder für junge Frauen. Die sind noch jung genug, die ganzen Enttäuschungen zu verkraften, die sich aus Blind Dates ergeben können. Andererseits haben gerade junge Girls und Frauen Blind Dates ja wiederum überhaupt nicht nötig, denn sie haben, weil sie jung sind, genügend andere Möglichkeiten für erotische Kontakte. Selbst wenn sie nun nicht unbedingt super hübsch und attraktiv sind – sie sind eben jung. Es sind reife Frauen wie ich, die Probleme haben, private Sexkontakte zu finden. In unserer Gesellschaft geht man einfach davon aus, reife Frauen sind entweder verheiratet, haben also schon einen Partner, oder sie brauchen auch keinen mehr, wenn sie Single sind. Dabei ist das so ein Quatsch – reife Frauen brauchen noch ebenso Erotik und Sex wie Teen Girls, wie junge Frauen und Frauen ab 30. Der Wunsch nach einem heißen Sexabenteuer oder einer liebevollen Beziehung wird ja nun nicht automatisch weniger, bloß weil Frauen ab 50 jetzt in die Wechseljahre kommen.

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Es ist schon richtig, meistens sind reife Frauen ab 50 verheiratet. Ich möchte allerdings die Frau ab 50 sehen, die in ihrer Ehe wirklich noch glücklich ist. Das sind so wenige, die kann man wirklich vernachlässigen. In aller Regel ist eine Ehe in dem Alter nicht mehr gerade berauschend; der Lack ist einfach ab. Von uns reifen Damen ebenso wie von der Ehe. Da wäre es schon ganz praktisch, wenn man erotische Kontakte für eine verschwiegene Affäre, einen diskreten Seitensprung finden könnten. Bloß, wie machen das Frauen ab 50? Und dann gibt es ja noch reife Damen ab 50 wie ich, die Single sind. Manchmal sind es Witwen, meistens aber sind es geschiedene Frauen. Nicht immer, aber oft ist die Ursache die, dass der Mann in seiner Midlife Crisis eine Jüngere gefunden und seine reife Lady verlassen hat, mit der er zehn, 20 Jahre oder mehr verheiratet war. Ja, und dann stehen wir Frauen eben allein da und wissen nicht, wie wir neue Partner finden sollen. Wahlweise für erotische Abenteuer oder für eine feste Beziehung; je nachdem, was wir uns erhoffen. Manchmal haben reife Frauen ja einfach die Nase voll davon, mit einem Mann fest zusammenzuleben, und wollen nur auf die Erotik gelegentlicher Sexabenteuer nicht verzichten. Heutzutage findet die private Partnersuche ja mehr und mehr im Internet statt. Aber gerade Frauen ab 50 gehören zu einer Generation, die eben nicht wie selbstverständlich mit dem Internet aufgewachsen ist und sich oft noch immer etwas schwer damit tut. Klar, wir können mit Computern umgehen, wir nutzen auch das Internet – aber wir fühlen uns oft nicht so richtig wohl damit. Und deshalb kommt das Internet für uns für die Suche nach Sexkontakten irgendwie nicht in Frage, denn das ist ja nun doch etwas sehr Intimes, wo wir uns wohlfühlen wollen.

In der Öffentlichkeit können reife Weiber auch keinen Blumenpott mehr gewinnen. Sie sind einfach unsichtbar, sie fallen nicht auf, da können sie noch so attraktiv sein. Es sind junge Girls und junge Frauen, nach denen sich die Männer umdrehen. Und natürlich könnte man Mitglied in irgendeinem Verein werden, aber ich werde doch nicht Stunden einer Sache opfern, die mich eigentlich überhaupt nicht interessiert, nur um dort vielleicht einen Mann kennenlernen zu können. Da muss es einfach noch andere Wege für Sexkontakte für reife Weiber geben. Einer dieser Wege sind nun einmal Blind Dates mit Single Männern und Solo Herren, wo eine gute Freundin die Verbindung herstellt. Heutzutage gelten als Blind Dates ja auch erste Sextreffen generell, selbst wenn man sich über das Internet in einem Chat oder einer Singlebörse oder so bereits privat kennengelernt hat. Man hat sich vorher noch nie gesehen, also ist das erste Sextreffen ein Blind Date. Das ist aber genaugenommen nicht korrekt; wobei nur reife Frauen meiner Generation diesen Unterschied überhaupt noch kennen. Eigentlich ist ein Blind Date nur ein solches Treffen, wo die zwei Betreffenden vorher überhaupt noch nichts miteinander zu tun hatten, sondern wo ein Dritter oder eine Dritte das Treffen arrangiert hat. Eine Ehefrau hat eine gute Freundin, die Single ist, ihr Mann hat einen guten Freund, der Single ist, und schon steckt man die beiden zum Blind Date zusammen. Kuppelei könnte man es natürlich auch nennen … Allerdings sind die beiden ja im Zweifel voll und ganz damit einverstanden. Wie gut ein solches Blind Date verläuft, das hängt von vielen Faktoren ab. Wie gut die eigene Freundin einen kennt, wie verzweifelt der Mann Sexkontakte sucht, mit dem man verkuppelt werden soll, in welcher Stimmung man gerade ist. Es gibt da jede Menge Stolpersteine. Deshalb werden solche Treffen oft gerade nicht zu einem Sextreffen, weil die zwei vom Blind Date sich einfach nicht riechen können.

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Als ich deshalb nach über 20 Jahren Ehe mit 51 wieder allein dastand – mein Mann hatte mich zwar nicht wegen einer Jüngeren verlassen, sondern wir hatten uns im gegenseitigen Einvernehmen getrennt, weil wir uns einfach auseinandergelebt hatten, aber an dem Ergebnis, dass ich nun allein war, änderte das ja nichts – war ich deshalb zunächst nicht bereit, mich auf Blind Dates einzulassen. Obwohl meine Freundinnen angeblich jede Menge gut aussehender und in Frage kommender Single Herren in ihrem Bekanntenkreis hatten, die nur zu scharf auf ein Treffen mit mir waren. Auf die Dauer allerdings greift man zu verzweifelten Mitteln, wenn alles andere nichts fruchtet. Nach mehreren Monaten mit allen möglichen vergeblichen Versuchen, anderswo Erotikkontakte zu finden, war ich endlich dann doch bereit, mich auf ein Blind Date einzulassen. Meine Freundin Hannelore hatte mir gerade von einem sehr interessanten Mann erzählt, wie ich seit kurzem geschieden, wie ich kinderlos, und wie ich im Verlagswesen tätig, dem es anscheinend ebenso ging wie mir. Er konnte einfach keine passenden Frauen kennenlernen und fiel deshalb auf diese älteste Methode der Partnersuche zurück. Was mich letztlich bewog, diesmal doch bei der Kuppelei mitzumachen, das war, dass dieser begehrenswerte Junggeselle nicht nur in meinem Alter war, also Anfang 50, sondern auch ganz ausdrücklich eine reife Dame ab 50 suchte. Das war eine angenehme Abwechslung zu den Herren ab 50, die darauf bestanden, unbedingt junge Frauen mit Anfang 20 oder höchstens 30 kennenlernen zu wollen.

Und so erklärte ich mich dann endlich doch mit dem Treffen einverstanden, als Hannelore zum fünften Mal ganz „zufällig“ und „unauffällig“ diesen Herrn erwähnte. Sie regelte alles, obwohl ich ihr gesagt hatte, sie könne mir auch einfach nur seine Telefonnummer gegen, wenn er einverstanden war. Mit über 50 sind Frauen durchaus in der Lage, ihre Dates selbst zu vereinbaren. Sie jedoch wollte unbedingt auch das Verabreden übernehmen und teilte mir dann noch am selben Abend mit, ich solle am Freitag Abend um 20 Uhr in einem bestimmten Lokal sein. Das erste Problem bei einem Blind Date ist immer, man weiß nicht, wie man sich erkennen und finden soll, aber das sollte in diesem Fall keine Schwierigkeit sein, denn er hatte auf seinen Namen einen Tisch bestellt, zu dem ich mich einfach nur führen lassen musste. Allerdings war ich natürlich leider viel zu früh zu dieser Verabredung, obwohl ich viele Stunden damit verbracht hatte zu duschen, mich zu schminken und frisieren und das passende Outfit herauszusuchen. Ein Kellner führte mich also an „seinen“ Tisch – aber da war noch niemand, und eine Weile saß ich ziemlich dumm alleine herum. Auf einmal war ich froh, dass ich nach meinen Stunden im Bad und am Kleiderschrank beschlossen hatte, diesem noch immer unbekannten Herrn nichts vorzumachen. Ich würde mich so geben, wie ich war – eine reife Frau, nicht mehr jung, mit den ersten Schwachstellen und Falten des Alters, aber noch immer attraktiv und erfahren. Ich hatte mich letztlich nur ganz dezent geschminkt und einen Hosenanzug gewählt, wie ich ihn auch im Büro öfter trage, statt aufgedonnert und aufgemotzt und auf jung getrimmt aufzutauchen. Wenn er mich nicht so akzeptierte, wie ich war, hatte dieser Kontakt ohnehin keinen Sinn.

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Obwohl ich zu früh war, war ich doch schon reichlich ungeduldig. Ich hatte eigentlich keine Lust, lange auf ihn zu warten. Und als es dann zehn Minuten nach acht war, war ich fest entschlossen, ihm höchstens noch weitere fünf Minuten zu geben und dann wieder aufzubrechen. Ich würde sogar mein Glas Wein selbst bezahlen, statt ihm das aus Rache zu überlassen, wenn er später noch kam. Aus den fünf Minuten wurden 15 – aber kurz vor halb neun stand ich dann doch entschlossen auf und marschierte hinaus. Draußen fuhr gerade ein Taxi an den Straßenrand. Wie praktisch, dann konnte ich mir das gleich schnappen, um nach Hause zu fahren. Hinten stieg ein Herr aus, der es ersichtlich ziemlich eilig hatte und etwas aufgelöst war. Er war so hektisch, dass ihm beim Bezahlen sein Geldbeutel herunterfiel und anschließend einige Münzen auf dem Bürgersteig herumrollten, ebenso wie ein paar Geldscheine herumflatterten. Man ist ja ein höflicher Mensch, deshalb half ich ihm dabei, alles wieder einzusammeln. Wobei ein Geldstück im Gulli unrettbar verloren ging. Überschwänglich bedankte er sich bei mir. „Ich würde Sie ja gerne zum Dank auf ein Glas Wein einladen„, bemerkte er. „Sie haben es wirklich verdient für Ihre Freundlichkeit. Nur leider bin ich bereits mit einer Dame verabredet und ohnehin schon viel zu spät.“ In diesem Augenblick wurde mir klar, dass natürlich er mein Blind Date war. Ich beschloss jedoch, ihm das nicht gleich aufzudecken, sondern ihn noch ein bisschen zappeln zu lassen. Und wenn der Taxifahrer noch so ungeduldig aufs Lenkrad trommelte; den Spaß musste ich mir einfach machen, nachdem er mich so halbwegs versetzt hatte. „Wie sehr zu spät sind Sie denn?„, fragte ich ihn. Er warf einen Blick auf die Uhr. „Fast eine halbe Stunde!„, erwiderte er mit einem verzweifelten Gesicht. „Dann ist die junge Lady sicher schon weg„, zog ich ihn auf. „Recht geschehen würde es mir„, bemerkte er daraufhin.

Nun ärgerte es mich zwar, dass er mich hatte warten lassen – aber die Art, wie er sich jetzt mit mir unterhielt, die gefiel mir sehr. Ich beschloss, ihm noch eine Chance zu geben. „Warum haben Sie sie denn auch so lange warten lassen?„, tadelte ich ihn. Sein Gesicht wurde noch ein wenig unglücklicher. „Mir ist einer hinten aufs Auto gefahren„, erklärte er. „Und da konnte ich nicht so schnell weg. Ich musste ja auch erst noch meinen Wagen zur Werkstatt bringen lassen. Dabei war ich so pünktlich! Mehr als pünktlich – ich war eine Viertelstunde zu früh, damit sie nur ja nicht allein am Tisch sitzen muss. Und ich hatte mich so auf dieses Treffen gefreut!“ Nun tat er mir nicht nur leid, sondern heimlich machte mein Herz auch einen kleinen Freudensprung, dass er erstens wie ich jemand war, der eher zu früh als zu spät kommt – und dass er sich auf mich gefreut hatte, obwohl ich für ihn ja nun eine völlig unbekannte reife Frau ab 50 war. Auf einmal stutzte er. „Wenn Sie etwas älter aussehen würden„, meinte er dann, „würde ich ja denken, Sie sind diejenige, die ich versetzt habe, so wie Sie mich ausfragen.“ Ich musste lachen. „Herzlichen Dank für das Kompliment„, kommentierte ich, „aber keine Frau legt Wert darauf, älter auszusehen!“ „Ich – also, so meinte ich das nicht, ich meine …„, stotterte er hilflos. Nun musste ich wieder lachen. „Schon gut – ich habe Sie lange genug an der Nase herumgeführt„, sagte ich großzügig. „Ja, ich bin Anette, und wir beide sind miteinander verabredet. Wie Sie sehen, hatte ich mich schon entschlossen aufzugeben. Aber wenn Sie wollen, begleite ich Sie gerne wieder nach drinnen.

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Das wäre wunderbar!„, rief er aus, griff sich meine Hand – und küsste sie. „Wenn Sie wirklich wollen, würde mich das sehr freuen. Es ist nur so – ich habe Ihre Blumen vorhin in der Hektik im Auto vergessen.“ Er hatte mir sogar extra Blumen mitgebracht? Was für ein fürsorglicher Kavalier! Unter diesen Umständen musste ich ihm seine Verspätung einfach verzeihen. „Dann müssen Sie mir beim nächsten Mal gleich zwei Blumensträuße mitbringen„, lachte ich. „Das werde ich ganz bestimmt tun„, versicherte er mir. So einfach und unkompliziert hatte ich mir ein Blind Date nicht vorgestellt. Und es hatte ja nun auch ganz anders angefangen. Aber irgendwie gefiel mir dieser Mensch. Er war liebenswert, höflich, aufmerksam – und wahnsinnig sympathisch. Ich freute mich sehr, dass ich ihn nun doch nicht verpasst hatte. Und ich freute mich auf den gemeinsamen Abend, der uns bevorstand. Wobei aus dem Abend gleich eine ganze Nacht wurde, aber das ist eine ganz andere Geschichte, die ich euch das nächste Mal erzähle. Der Taxifahrer fluchte natürlich, als er nun doch keinen Gast mitnehmen durfte und er umsonst gewartet hatte, aber das war uns egal. Manchmal kann es ausgesprochen angenehme Folgen haben, wenn man eine Weile umsonst warten musste, zumindest bei einem Blind Date …

Fortsetzung folgt …

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