06. Februar 2008

Fetisch Roman – Kapitel 20 – Flucht – Habe ich jetzt alles kaputtgemacht? – Sichtweise David

Es dauert eine ganze Weile, bis sie öffnet. Im Bademantel. Ich könnte auf der Stelle über sie herfallen. Aber ich beherrsche mich. Erst einmal muß ich etwas wieder in Ordnung bringen.

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Antje, ich bin ein Idiot,“ sage ich. Wenn sie jetzt nichts mehr von mir wissen will, hat sie jedes Recht der Welt dazu. Und ich bin dann auch noch selbst schuld daran.

Da kann ich dir nur recht geben,“ erwidert sie. Ein bißchen patzig, aber auch mit Lachen in der Stimme. Immerhin schmeißt sie mich nicht gleich raus, noch bevor ich überhaupt in der Wohnung bin. Ziemlich müde und fertig sieht sie aus. Hat auch nicht viel geschlafen wahrscheinlich. Dicke Reue packt mich. Ich hätte uns beiden viel erspart, wenn ich auf diesen Ausbruch verzichtet hätte.

Erzählst du mir, weshalb du dieser Meinung bist?“ fragt sie jetzt. Was will sie hören – ein vertieftes Schuldbekenntnis? Mea culpa, mea culpa, mit an die Brust schlagen und Geißelung womöglich? Okay, wenn sie die vornimmt …

Nein, es klingt sehr ernsthaft, ihre Frage. Sie will nur wissen, warum ich abgehauen bin. Das wollte ich ihr ohnehin erklären. Darauf hat sie ein Recht. Ob ich es hinkriege, weiß ich allerdings nicht.

Sie macht einen Schritt zurück in die Wohnung. Sieht aus wie eine Aufforderung. Aber ist es auch eine? Ich will jetzt keine Unklarheiten. Wenn es nur nolens volens ist, daß sie mich reinläßt, weil man eben Leute meistens nicht wieder wegschickt, die vor der Tür stehen, dann gehe ich lieber wieder. Sie muß es schon wirklich wollen.

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Wenn ich sie so sehe, weiß ich auf einmal, es war nötig, daß ich gestern geflohen bin. Vielleicht nicht richtig, aber nötig. Für mich. Denn was ich gerade gedacht habe, gilt auch umgekehrt. Sie muß ebenso wissen, daß ich ganz bewußt bei ihr bin, bei ihr bleibe. Und nicht einfach, weil sie mich in einem verführerischen Netz gefangen hat. Bloß – dazu mußte ich das erst einmal selbst herausfinden, daß es so ist. Erst jetzt kann ich es ihr sagen.

Deshalb bin ich hier.

Sie streckt eine Hand nach mir aus. Das macht es mir möglich einzutreten. Aber ich kann sie noch nicht berühren. So gerne ich sie auch in meine Arme reißen und spüren möchte. Wir müssen das erst alles geklärt haben. Nicht es zudecken mit physischer Intimität.

Sie fängt die Schwingungen auf, die von mir ausgehen, macht keinen Versuch, mich anzufassen.

Wir gehen in die Küche, sie gießt uns Tee ein.

Auf einmal kommt es mir so vor, als würde ich an den ganzen Worten ersticken, die in mir herumwirbeln und nach draußen drängen. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Am liebsten würde ich mich ihr zu Füßen werfen und um Vergebung bitten, mich dann von ihr bestrafen lassen. Dann wäre auch alles wieder in Ordnung. Für den Moment.

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Sie ist ganz ungeduldig, aber sie sagt nichts.

Ich versuche, innendrin Ordnung zu schaffen und merke dann, daß ich das nur kann, wenn ich anfange zu reden.

Es ist keine Entschuldigung,“ beginne ich schließlich stockend, „aber ich will dir trotzdem erzählen, warum ich mich gestern hingestellt und dich gebeten habe, daß wir uns in meinen drei Tagen Urlaub diese Woche nicht sehen.“ Oh Gott, ist das schwer!

Sie kniet sich neben mich, greift nach meiner Hand. Erschrocken wehre ich ab. „Nicht, Antje. Du sollst erst alles hören und dann entscheiden, ob du mich noch anfassen magst. Ob du mich noch magst.

Himmel, etwas taktvoller hätte ich das auch machen können, oder? Hoffentlich habe ich sie damit nicht schon wieder verletzt.

In Ordnung,“ nickt sie, setzt sich auf den Boden. In meiner Nähe. Es gibt mir ein warmes Gefühl. Und sie scheint nicht sauer zu sein, daß ich erst sprechen will. Eine enorme Erleichterung durchflutet mich, und auf einmal sprudelt es nur so aus mir heraus.

Ich erkläre, daß ich vor ihr auf der Flucht war, weil sie mir zu nahe gekommen ist.

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Berichte das erste Mal in meinem Leben jemandem davon, wie es angefangen hat mit meiner devoten Ader. Entsprechende Phantasien schon als Teenager. Die ich nie wahrhaben, mir nie eingestehen wollte. Ich wollte mich nicht als jemand sehen, der devot ist. Lieber als einen strahlenden Siegertypen. Nee, Quatsch, aber schon als jemanden, der sein Leben im Griff hat. Auch erotisch. Und trotzdem waren da immer diese Träume. Irgendwie hat das in meinem Kopf nie zusammengepaßt.

Natürlich hat es dabei auch eine Rolle gespielt, daß so viele über devote Männer verächtlich die Nase rümpfen. Weil sie schwach sind. Denkt man. Auch ich beginne erst langsam zu lernen, wieviel innere Stärke das erfordert. Und merke: Ich habe sie nicht. Noch nicht. Deshalb bin ich ja auch weggelaufen.

Und dann die große Gefahr dabei – daß jemand mich total beherrscht, einschließlich Gehirnwäsche. Seelischer Vergewaltigung. Gängelei bis hin zur Entscheidung, was ich anziehe. Diese Gefahr besteht bei Antje nicht. Sonst wäre ich nicht einmal so weit gekommen, wie ich es jetzt bin.

Für Antje bin ich kein willenloser Sklave, sondern ein gleichberechtigter Partner, der sich erotisch ihr unterwirft.

Endlich ging beides zusammen, was in meinem Kopf war. Stark sein und devot. Tja, und dann hat genau das mich ganz fuchsig gemacht. Irgendwie kam es mir noch immer schizophren vor. Vielleicht sogar noch mehr als vorher.

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Es war so schön praktisch, so schön einfach, daß ich mir bislang immer sagen konnte, es geht ja gar nicht. Dann mußte ich auch nichts tun dafür. Aber Hoppla, es geht doch – und was nun?

Und dann Antje selbst – sie hat sich in kürzester Zeit in jede Hirnwindung von mir eingeschlichen, in jede Schwellkörperzelle, in jedes Puzzleteil von meinem Gefühlschaos. Ich war bereit, mich ihr hinzugeben. Ich konnte mir kaum noch vorstellen, ohne sie zu sein. Das hat mich noch mehr erschreckt. Und zack, bin ich durchgegangen wie ein Pferd, wenn eine Rakete neben ihm gezündet wird.

Ich bin geflohen. Und dafür schäme ich mich jetzt noch mehr, als ich mich früher für meine Phantasien geschämt habe; und das war schon ganz schön happig.

Und du warst irgendwie sauer auf mich, weil diese ganze Verwirrung mit mir zusammenhängt,“ bemerkt sie. Es ist keine Frage.

Ja, sie hat recht; das ist ein wesentlicher Punkt, den ich noch erwähnen muß. Klar war ich sauer auf sie. Schließlich ist sie ja diejenige, die das alles ans Licht gezerrt hat, so daß ich nicht mehr so bequem die Augen davor verschließen konnte, weil es sich nur in irgendeiner dunklen, versteckten Kammer in mir drin abgespielt hat.

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Ein bißchen war meine Flucht auch als Rache gedacht, als Strafe für sie. Na, der Schuß ist gründlich nach hinten losgegangen!

Ich denke, jetzt habe ich alles gesagt. Ziemlich schonungslos. Alles andere liegt nicht mehr bei mir. Sie weiß, wie es in mir aussieht. Sie kann mich jetzt entrüstet wegschicken. Sämtliche Waffen, die sie dazu braucht, habe ich ihr eben selbst in die Hand gegeben. Noch mehr als in jeder Situation vorher habe ich mich vor ihr entblößt.

Lange schweigen wir beide.

Warum sagt sie, tut sie nichts? Um Himmelswillen, habe ich jetzt eben selbst alles kaputtgemacht? Bitte, bitte nicht! Oh verdammt, das tut weh.

Doch plötzlich ist mir klar, was los ist. Ich dämlicher Esel! Vielleicht sollte ich ihr irgendwie noch zeigen, daß ich nicht mehr auf der Flucht bin? Eigentlich müßte sie es ja wissen, denn sonst wäre ich gar nicht hier, hätte ihr das alles nicht erklärt. Aber es kann ja nicht schaden, es etwas deutlicher machen, daß, wie sehr ich mit ihr zusammenbleiben möchte. Vielleicht kann sie das unter all diesen Worten nämlich gar nicht mehr richtig spüren.

Ich rutsche von der Bank, auf den Boden. Ganz nahe bin ich ihr nun; so nahe, daß unsere Knie sich beinahe berühren. Weiter kann ich nicht, darf ich nicht, denn es muß ihre freie Entscheidung sein. Und kein Nachgeben, weil ich sie bedränge. Aber ich sehe sie an, versuche, ihr mit den Augen all das zu zeigen, was man nicht sagen kann.

Sie hebt die Hand. Ganz sanft legt sie die Fingerspitzen gegen meine Wange. Das ist die Antwort, auf die ich gehofft habe.

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Mit einem Laut wie ein Schluchzen beuge ich mich hinüber, lege die Arme um sie, sie kommt mir entgegen, und endlich ist die Nähe eine wirkliche Nähe, ohne Distanz. Weder die der Worte, noch die der Luft zwischen uns.

Und ich könnte fliegen, so leicht ist mir zumute.

Ich fühle mich wie in Kindertagen, als das noch möglich schien, und heute, plötzlich, ist es das wieder: Alles ist gut.

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