16. Juni 2008

Fußballbegeisterung

Peter, kommst du?„, ruft Sarah. Sie steht bereits im Flur, hat Mantel und Stiefel angezogen. „Ja, ja, sofort„, murrt Peter. „Lass mich doch nur schnell noch die letzten fünf Minuten sehen!“ „Aber wir sind ohnehin schon zu spät„, jammert sie. Er antwortet nicht.

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Schließlich sind es deine Freunde„, setzt sie nach. „Und du hast für die Party zugesagt. Jetzt komm auch!

Gleich, gleich„, brummt er.

Langsam kocht in ihr die Wut hoch. Sie wollte eigentlich überhaupt nicht hingehen. Peters Freunde, das ist zwar ein lustiges Völkchen, überlegt sie; aber so zwei, drei sind dabei, die trifft sie nicht so gerne. Nett sind sie ja; und eigentlich hat sie nichts gegen bewundernde Blicke und Komplimente. Nur, Peter wird immer so fürchterlich sauer, wenn ein anderer Mann sie attraktiv findet, und so endet beinahe jedes Treffen mit ihnen im Krach. Jedenfalls, Peter hat wegen heute Abend so lange gebettelt, dass sie sich dann endlich doch hat breitschlagen lassen. Und jetzt sitzt er in seinem Fernsehsessel und rührt sich nicht!

Peter!„, ruft sie scharf.

Ungeduldig tappen ihre Finger gegen das bunte Papier des Geschenks, das sie für die Gastgeber besorgt hat.

Endlich hat sie die Nase voll. „Verdammt, Peter, das ganze Fußballspiel wird doch auf Video aufgenommen! Und wenn du dich nicht augenblicklich bewegst, gehe ich alleine!

Darauf reagiert er. Umgehend. „Das wirst du schön bleiben lassen! Ich bin sofort bei dir. Zwei Minuten noch; die wirst du ja wohl abwarten können!

Resigniert lehnt sie sich gegen die Wand. Eigentlich müsste sie noch mal aufs Klo. Bloß, wenn sie dann auch nur eine halbe Sekunde nach Peter fertig ist, hält er ihr wieder stundenlang einen Vortrag über Pünktlichkeit.

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Im Wohnzimmer stöhnt er auf. „Nein, das kann doch nicht – los, los, lauft doch endlich! Da – nein! So ein Mist! Oh Gott, oh Gott, das gibt es nicht – nein!“ Sie hört den Reporter „Tor“ schreien und die Zuschauer jubeln. Na, ein Tor für Peters Mannschaft war das nicht; sonst würde er ebenfalls jubeln.

Zwei zu zwei steht’s„, ruft er. „Die müssen in die Verlängerung gehen!

Sie trippelt ungeduldig umher, zupft ihren Schal zurecht, wirft noch einen letzten prüfenden Blick in den Garderobenspiegel. „Dann kannst du ja jetzt endlich kommen!

Ja, ja, gleich„, murmelt er.

Noch eine weitere Minute wartet sie; dann reicht es ihr. Das bunte Päckchen landet mit Schwung in einer Ecke, Mantel und Stiefel in einer anderen. Leise geht sie ins Arbeitszimmer, wo der Schrank mit ihrer ganzen Ausrüstung steht. Drei lange Seile nimmt sie sich heraus, und eines der kleinen, viereckigen Baumwolltücher. Schwarze und weiße Punkte sind darauf. Wie passend, denkt sie giftig; man könnte es glatt für Fußbälle halten! Eines der Seile nimmt sie doppelt, macht eine Schlinge wie bei einem Lasso.

Jetzt durch den Flur, auf Zehenspitzen; bloß keinen Lärm machen, und den Atem anhalten. Wie gut, dass im Wohnzimmer so ein dichter, weicher Teppich liegt!

Peter sitzt in seinem Sessel und starrt noch immer auf die Mattscheibe, obwohl dort inzwischen Werbung läuft. Er hat ihr Hereinkommen nicht bemerkt. Sie schleicht sich noch näher heran, steht schließlich genau hinter ihm.

Sie greift sich die Schlinge, wirft sie blitzschnell um die Sessellehne, Peters Oberkörper und Arme, und zieht zu. Und weiter, weiter, sie muss schnell sein – sie läuft nach vorne. Peter ist viel zu überrascht, um sich zu wehren, murmelt nur ein protestierendes „He, was soll das?“ Sie bückt sich kurz, schlingt das doppelte Seilende um seine Fußknöchel, geht wieder nach hinten, macht den ersten Knoten. Viel tun kann er jetzt schon nicht mehr. Aber sauer ist er. Er tobt regelrecht. „Kannst du mir vielleicht erklären, was der Blödsinn soll?

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Sie antwortet nicht, greift sich das Baumwolltuch, faltet es mehrfach zusammen, schlingt es um Peters Kopf. Es kostet ein wenig Mühe; er wirft den Kopf hin und her, schreit. Bei einem der Schreie schafft sie es, den Knebel zwischen seine Zähne zu drängen. Sie verknotet das Tuch an seinem Hinterkopf.

Nun kann sie sich Zeit lassen. Bewegen kann er sich kaum noch, und sein Protest ist nur noch als dumpfes Grunzen zu hören.

Sie nimmt das zweite Seil, legt es mehrfach um Sessellehne und Oberkörper, fesselt mit den Enden Peters Handgelenke, die hilflos herumzappeln, die Arme nur bis zum Ellenbogen beweglich. Das dritte Seil ist für seine Füße und Beine gedacht.

Schließlich steht sie auf, tritt einen Schritt zurück und betrachtet befriedigt ihr Werk. Ja, so ist es gut. Jetzt kann er hier bleiben und seinen heiß geliebten Fußball genießen. Aber halt, da fehlt noch etwas. Was ist, wenn die Verlängerung zu Ende ist?

Sie greift sich die Fernbedienung des Videorecorders, programmiert ihn auf Replay. Wenn das Video voll ist, wird es zurückgespult und abgespielt; immer wieder. Damit hat er genug Fußball für die ganze Nacht!

Und was ist, wenn er einschläft, überlegt sie weiter. Das gilt es, auf jeden Fall zu verhindern! Sie denkt einen Moment lang nach, genießt dabei sein gedämpftes Stöhnen und Jammern.

Ich hab’s, triumphiert sie. Sie geht ins Bad, holt ihre Drahtbürste und ein dünnes Handtuch. Er sträubt sich, presst das Kinn auf die Brust, sobald er merkt, was sie vorhat. Sie kitzelt ihn hinten im Nacken. Es hat den gewünschten Effekt – er hebt den Kopf. Ganz kurz nur, aber ihr genügt es – schon ist die Drahtbürste unter seinem Kinn befestigt. Das wird jetzt ein wenig unbequem, wenn beim Einschlafen sein Kopf nach vorne sackt, grinst sie in sich hinein.

Fertig!

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Die Hände über der Brust gefaltet, in der Hüfte einen eleganten Schwung, stellt sie sich vor ihn. „Ich werde jetzt auf die Party gehen„, verkündet sie. „Ich bin sicher, deine Freunde werden mich mit offenen Armen aufnehmen. Im übertragenen Sinn. Obwohl, wer weiß, vielleicht auch noch anders … Du jedenfalls darfst jetzt das tun, was du die ganze Zeit wolltest – dableiben und dir Fußball ansehen. Die ganze Nacht.

Plötzlich kann sie es kaum mehr erwarten, die anderen zu sehen. Sie marschiert hinaus, greift sich Stiefel, Mantel und Geschenk. Dann fällt die Wohnungstür ins Schloss.

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